Biontech-Labordaten: Booster nötig für Schutz vor Omikron
Für einen ausreichenden Schutz vor der Omikron-Variante des Coronavirus sind nach Angaben der Impfstoffhersteller Biontech und Pfizer drei Dosen ihres Produktes nötig. Ersten Labordaten zufolge schützten zwei Dosen nicht ausreichend vor einer Infektion mit der kürzlich entdeckten Variante, teilten die Unternehmen am Mittwoch mit. Sie gehen allerdings davon aus, dass der Schutz vor einer schweren Erkrankung weiterhin gegeben ist.
Eine Booster-Dosis erhöhe den Antikörper-Spiegel ausreichend, um auch die Omikron-Variante zu neutralisieren. Bei Bedarf könne ab März ein angepasster Impfstoff bereitgestellt werden.
Biontech und Pfizer hatten in Laboruntersuchungen geprüft, wie gut Blutseren geimpfter Personen mit den darin enthaltenen Antikörpern die kürzlich entdeckten Omikron-Variante des Coronavirus neutralisieren können. Sie nutzten für ihre Untersuchung eine künstlich hergestellte Form des Virus. Aus den Ergebnissen lassen sich Erkenntnisse über die Schutzwirkung ableiten, auch wenn Laboruntersuchungen die realen Bedingungen nicht vollständig widerspiegeln.
Neutralisierung deutlich reduziert
Nach zwei Dosen des Impfstoffs war das Neutralisierungspotenzial demnach im Vergleich zum Wildtyp des Erregers um das 25-fache reduziert. Die auf die Impfung hin gebildeten T-Zellen würden von den Mutationen der Variante allerdings nicht beeinträchtigt. Deshalb "gehen die Unternehmen davon aus, dass geimpfte Personen immer noch gegen schwere Formen der Krankheit geschützt sein könnten."
Die Booster-Dosis erhöhte den Antikörper-Spiegel den Angaben zufolge um das 25-Fache. Diese Antikörper-Spiegel würden mit einer hohen Wirksamkeit sowohl gegen das Wildtyp-Virus als auch gegen zuvor aufgetauchte Varianten in Verbindung gebracht. "Auch wenn zwei Dosen des Impfstoffs möglicherweise weiterhin Schutz vor schweren Krankheitsverläufen bieten, zeigen diese ersten Daten sehr deutlich, dass der Schutz mit einer dritten Dosis unseres Impfstoffs verbessert wird", sagte Albert Bourla, Chef des Pharmakonzerns Pfizer.
Die Blutseren für den Versuch der Hersteller wurden drei Wochen nach der zweiten Impfung oder vier Wochen nach der dritten Impfung entnommen. Daten zur Langlebigkeit der durch den Booster induzierten Antikörpertiter werden derzeit noch erhoben.
Die Unternehmen haben bereits damit begonnen, ihren Impfstoff an die Omikron-Variante anzupassen. Diese Arbeiten würden fortgesetzt, erste Chargen könnten produziert und bei Genehmigung durch die Behörden innerhalb von 100 Tagen ausgeliefert werden. Die erwarteten Produktionsmengen von vier Milliarden Dosen des Impfstoffs im Jahr 2022 würden sich auch bei einer nötigen Anpassung nicht ändern.
Die Virologin Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum Frankfurt hatte zuvor Ergebnisse von Labor-Untersuchungen zur Wirkung von Corona-Impfstoffen gegen Omikron veröffentlicht. Diese deuten auf eine schwächere Abwehrreaktion gegen die Variante hin. "Die Daten bestärken, dass die Entwicklung eines an Omikron angepassten Impfstoffs sinnvoll ist", schrieb Ciesek. Zuvor hatten südafrikanische Experten ähnliche Daten vorgelegt. Drittimpfungen dürften etwas besser wirken.
Aber selbst drei Monate nach einer Booster-Impfung mit Biontech sieht Ciesek bei ihrer Untersuchung nur eine Neutralisation von 25 Prozent bei Omikron im Vergleich zu 95 Prozent bei der noch vorherrschenden Delta-Variante und spricht von einer bis zu 37-fach reduzierten neutralisierenden Wirkung der Antikörper im Vergleich zur Delta-Variante. Bei einer sechs Monate zurückliegenden zweifachen Impfung mit Biontech, Moderna sowie einer Kreuzimpfung von AstraZeneca/Biontech sei eine Antikörperreaktion nicht einmal messbar gewesen.
Die Daten sind bisher nicht von Fachkollegen begutachtet und nicht in einem Fachmagazin veröffentlicht. Ciesek wies auch darauf hin, dass aus ihrer Auswertung nicht herauszulesen ist, ob Geimpfte bei Omikron vor einem schweren Verlauf geschützt sind. Denn die Immunantwort beruht nicht nur auf Antikörpern, sondern beispielsweise auch auf T-Zellen.
"Es scheint, dass wir eine drastische Reduktion der neutralisierenden Aktivität sehen, deutlich stärker als bei früheren Varianten", schrieb der in New York forschende steirische Virologe Florian Krammer in der Nacht auf Mittwoch auf Twitter.
Genesene Personen mit anschließender Impfung hätten jedoch trotz drastischer Reduktion eine verbleibende neutralisierende Aktivität. "Dies ist sicherlich auch ein gutes Zeichen für geimpfte Personen, die ihre Boosterdosis erhalten haben", betonte Krammer. Er vermute, dass die Effektivität der Impfstoffe bei nur zwei Mal geimpften Personen "stark reduziert" sein wird. Der Schutz gegen schwere Verläufe könnte jedoch hoch bleiben.
"Das sind naturgemäß frühe Daten, die vorsichtig zu interpretieren sind. Sie stimmen aber zuversichtlich, dass Omikron nicht völlig unserem Immunsystems entwischt", erläuterte Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. "Wer sich jetzt boostert dürfte über die Wintermonate noch einigermaßen Schutz genießen. Über den Sommer kommt dann wohl der angepasste Impfstoff", kommentierte der Molekularbiologe und "Science Buster" Martin Moder ebenfalls auf Twitter. Er finde "es eh auch schön, dass vieles wieder aufsperrt", fürchte aber, dass Omikron in Österreich viel zu wenig ernst genommen werde und wir uns "im Jänner gewaltig ärgern werden, wenn wir jetzt nicht konsequent auf 2G-plus setzen, wo immer es möglich ist", hatte er bereits kurz vor Erscheinen der nun vorliegenden wissenschaftlichen Daten betont.