Wenn Hobbyforscher an sich selbst experimentieren
Von Ute Brühl
Die Einsicht kommt spät: „Vielleicht sollten wir alle etwas vorsichtiger sein“, sagt ein Vertreter der Szene nach dem Tod des Biohackers Aaron Traywick (die Futurezone berichtete). Sie wissen nicht, was ein Biohacker ist? Das ist keine Schande – mit dieser Wissenslücke sind Sie nicht alleine. Bis vor einer Woche waren die Laienforscher, die an Organismen und Erbinformationen herumexperimentieren, nur Insidern ein Begriff. Die Biohacker bringen Pflanzen zum Leuchten, testen ihr eigenes Erbgut auf Mutationen oder setzen sich Computerchip-Implantate unter die Haut.
Aaron Traywick war einer ihrer schillerndsten Vertreter. Noch im Jänner hatte er sich vor Publikum ein Medikament in den Oberschenkeln injiziert, das Herpes heilen sollte. Auch ein Wundermittel gegen HIV meinte er gefunden zu haben. Woran der 28-jährige jetzt gestorben ist, ist unklar.
"Do it yourself"
Die Biohacker-Szene, die sich selbst als „Do-it-yourself-Biologie“, kurz DIYbio, bezeichnet, nimmt für sich in Anspruch, die Forschung zu demokratisieren. Der Weg dorthin führt über die Öffentlichkeit, die sie auf die biotechnologische Praxis aufmerksam machen will, und über Laien, die sich wissenschaftlich betätigen.
Nun, Aaron Traywick, war ein Laie – einer, der aus dem Marketing kam, und glaubte, auch „Forschung zu können“. In der Szene tummeln sich neben biologischen Laien auch Menschen mit wissenschaftlichem Hintergrund.
Risiko: unbekannt
Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission, beobachtet, dass diese „Do-it-yourself-Biologie“ die Trennlinie zu privater und pharmazeutischer bzw. öffentlicher Forschung verwischt. Ungefährlich sei das, was in Kellerlaboren oder in Küchen geforscht werde, dennoch nicht. „Da werden eventuell unvorhersehbare Gefahren geschaffen, von denen niemand weiß, welche Risiken sie für Mensch und Umwelt haben.“
Mit ihrer Skepsis ist sie nicht alleine: Christoph Baumgärtel von der AGES Medizinmarktaufsicht hat da ebenso seine Bedenken: „Wenn ich höre, dass manche versuchen, Gen-Abschnitte in ihr Erbgut einzuschleusen, so ist das für die Betroffenen hochriskant. Das kann zu unerwünschten Nebenwirkungen bis in zum Krebs führen.“ Zudem stehen solche Forscher mit dem halben Fuß im Kriminal. „Oft kommen sie mit dem Arzneimittelgesetz in Konflikt, weil sie sich Substanzen illegal besorgt haben.“
Ganz heikel wird es, wenn man – so wie Traywick – andere dazu auffordert, an sich selbst herumzuexperimentieren: „Das ist Beihilfe zur Körperverletzung.“
Zwölf Jahre
Und Jan Oliver Huber, Generalsekretär des Verbands der pharmazeutischen Industrie, meint, dass nicht umsonst strengste Vorgaben in der Arzneimittelforschung- und zulassung bestehen: „Es dauert im Schnitt zwölf Jahre, bis ein Medikament auf den Markt kommt. Da gibt es ein ganz klares Prozedere, bei dem Ärzte, Behörden und die Ethikkommission mit einbezogen werden. Bevor Wirkstoffe an Menschen getestet werden, gibt es eine Reihe von Vorversuchen. Erst wenn diese Teststufen erfolgreich abgeschlossen sind, darf ein Wirkstoff an Menschen erprobt werden – diese werden dabei ständig und engmaschig überwacht. Das alles haben Sie beim Biohacking nicht.“
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Selbstversuche: Gängige Praxis bis ins 20. Jahrhundert
Früher testeten auch seriöse Forscher ihre Erfindungen oft an sich selbst – ethische Forschungsstandards steckten noch in den Kinderschuhen.
- J. B. S. Haldanes Tests zur Dekompression nach dem Tauchen lösen bei ihm Anfang des 20. Jahrhunderts Krampfanfälle aus.
- Nach der Entdeckung von Insulin begann Frederick Banting, es an sich selbst zu testen. Mit Erfolg, denn 1923 erhielt er den Nobelpreis für seine Forschungen.
- LSD wurde 1938 von Albert Hofmann synthetisiert, aber erst fünf Jahre später wurden die psychedelischen Effekte bekannt, als Hofmann eine unbekannte Menge davon zu sich nahm und auf dem überhaupt ersten Acid-Trip war.
- Ibuprofen – ein bekanntes Schmerzmedikament – wurde zuerst 1961 durch Studienleiter Stewart Adams getestet – und zwar gegen seinen Kater. David Ulrich