Wissen/Gesundheit/Gesund

Freeletics: Mit dem Handy-Coach zum Waschbrettbauch

Alle Inhalte anzeigen
Freiluft-Sport boomt: Seit ein paar Monaten tummeln sich vor allem im Käfig neben der U4 Station Roßauer Lände jeden Abend sogenannte "freie Athleten" am Donaukanal. Sie schwitzen zu schneller Musik aus den Boxen, oft haben sie zum Trainieren auch ihre Hunde mitgebracht. Die sind aber nur Zuschauer. Als Trainingsgeräte benötigen die Sportbegeisterten nur ihr eigenes Körpergewicht – und ihr Smartphone.

Die Philosophie des neuen Trends Freeletics setzt voraus, dass sie für jeden gleichermaßen geeignet ist – vom Anfänger bis zum Routinier. Wichtig ist, dass überall und zu jeder Zeit trainiert werden kann. Und, dass dies ohne teures Equipment im Freien möglich ist.

Der Unterschied zu Kraft- und Konditionstrainings wie "Crossfit" ist, dass die Übungen von einem Handy-Coach vorgegeben werden. Die aktuelle, zweite Version bietet zum Ganzkörpertraining, das mit Laufeinheiten und Ernährungsplänen kombiniert wird, auch einen individualisierbaren Trainingsablauf an.

Griechische Mythologie

Weltweit nimmt bereits über eine Million Menschen das Freeletics-Konzept in Anspruch. Entwickelt wurde es 2012 von drei Münchner Sport-Studenten, die Übungen haben sie nach griechischen Gottheiten benannt. So setzt sich etwa "Aphrodite", eine der häufigsten Einstiegsübungen, aus 150 Burpees (Liegestütze mit Strecksprüngen), 150 Sit-ups sowie 150 Kniebeugen zusammen.

Alle Inhalte anzeigen
Zu Beginn sollte man sich jedoch nicht zu viel zumuten, warnen Experten. "Der Einstieg ist sicher viel zu viel für jemanden, der nicht gut trainiert ist", sagt Mediziner Robert Fritz von der Sportordination Wien. Denn um Krafttraining vernünftig machen zu können, müsse der Muskel ermüden. "Im Idealfall wären das 10 bis 15 Wiederholungen." Sportler Klaus Pfeiffer war schon vor seinem Freeletics-Training gut trainiert. Dass das Training anstrengend ist, bestätigt er aber. "Direkt danach bist du tot. Aber eine Viertelstunde später bist du stolz, es durchgezogen zu haben – und freust dich aufs nächste Mal."

Endorphine

Doch nicht nur diese Endorphin-Ausschüttung nach erfolgreich absolvierter Trainingseinheit erklärt den Erfolg. Die sozialen Medien sind einer der wichtigsten Gründe, warum die Sportart in so kurzer Zeit so viele Anhänger fand. In Foren und auf Facebook werden Fotos und Videos gezeigt, die die Verwandlung vom kleinen Bäuchlein zum Waschbrettbauch in nur 15 Wochen anschaulich darstellen.

Es ist aber auch die Herzlichkeit unter den Trainierenden, die einen Teil des Phänomens ausmacht. Auf der Wiener Donaulände wird jeder Neuankömmling freundschaftlich begrüßt und eingeschult. "Sobald man dabei ist, wird man aufgenommen wie in eine Familie. Auch wenn man überhaupt keine Ahnung von Sport hat, bekommt man es erklärt", erzählt Markus Gottwald.

Alle Inhalte anzeigen
Er war einer der ersten, der in Österreich als freier Athlet am Donaukanal trainierte. Im vergangenen Winter gründete er eine Facebook-Gruppe für die Handy-unterstützten Sportart hat er die dazugehörige Facebook-Gruppe letzten Winter gegründet. Derzeitiger Mitgliederstand: 2500, Tendenz ständig steigend.

Training auch im Schnee

Die herannahende kalte Jahreszeit ist für die Sportler kein Hindernisgrund. Für Freeletics-Fans wie Gottwald kommt ein Indoor-Training nicht infrage. "Das würde dem Grundgedanken von Freeletics – kein Equipment oder gemietete Trainingshallen zu benötigen – widersprechen."

Wenn nötig, zeigen die freien Athleten dann Einsatz bei einem Aufwärmen der anderen Art. Gottwald hat etwa im vergangenen Winter eine seiner Trainingsflächen – den vereisten Gummiboden vor dem "Haus des Meeres" – mit einem Eiskratzer bearbeitet, um nicht wegzurutschen. Auf seine Burpees will er auch bei Eis und Schnee nicht verzichten.

Info

Mehr Infos zu Freeletics finden Sie hier.

Alle Inhalte anzeigen Alle Inhalte anzeigen
Gesundheitliche Bedenken haben dabei nur die wenigsten. Sportmediziner Robert Fritz sieht das Training mit dem eigenen Körpergewicht grundsätzlich sinnvoll. Er rät aber, sich vor Beginn des Programms einem sportmedizinischen Check zu unterziehen – vor allem bei Übergewicht, Risiko in der Familie, oder wenn man älter als 35 Jahre ist.
Allgemein warnt er vor zu viel Einsatz. „Wir haben alle gelernt, dass Sport nur dann Sinn macht, wenn es weh tut.“ Das sei aber der verkehrte Ansatz. Bewegung müsse nämlich überhaupt nicht schmerzen, auch niedrige Intensitäten sind sinnvoll.
Alle Inhalte anzeigen
Trotzdem plagen sich die Sportler bei jedem Wetter durch den vom virtuellen Coach vorgegebenen Trainingsplan. Durchhaltevermögen und der feste Wille, den eigenen Körper zu besiegen, lassen auch die 300. Wiederholung gelingen. „Wenn du dein Ziel so schnell erreichst, dass du dir gleich wieder neue steckst, dann verändert es dein Leben“, sagt der freie Athlet Markus Gottwald aus Wien. Er erzählt von neu gewonnenem Selbstvertrauen, beruflich wie privat. Nach 15 Wochen ist der erste Durchlauf des Handy-Coachs bezwungen. Der Erfolg lasse einen weitermachen.

Vorsicht ist laut Sportmediziner Fritz jedoch ab einer Grenze von minus 5° Celsius geboten. Eine derart hochintensive Belastung steigert die Atmung und zieht eiskalte Luft in die Bronchien. „Das kann zu Beschwerden führen.“ Ansonsten sieht er kein Problem, auch im Winter im Freien zu trainieren. „Man sollte darauf achten, sich gut aufzuwärmen. Sonst ist in der Kälte das Verletzungsrisiko in der Kälte erhöht.“