Experten überzeugt: Ausrottung von Malaria realistisch
Von Ernst Mauritz
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"Wenn Sie ein Vater von fünf Kindern wären, vier davon hungrig, eines stark fiebernd, und Sie haben nur 100 Kenia-Schillinge (ca. 1 Euro) zur Verfügung, was machen Sie?", fragt Michael Nangabo, 63, pensionierter Schuldirektor in einem Dorf in Kenia nahe dem Victoriasee, die Besucher aus Europa: "Kaufen Sie dem kranken Kind Malaria-Medikamente, die 100 Schillinge kosten? Oder kaufen Sie ihm um 20 Schillinge billigere fiebersenkende Schmerzmittel und mit dem Rest allen etwas zu essen?"
"Im Alter von zwei Jahren hat ein Kind in dieser Region bereits mehrere Infektion hinter sich", sagt Prof. Zul Premji vom Universitätsspital in Nairobi. Beinahe jede Minute stirbt in Afrika ein Kind unter fünf Jahren an der Infektion mit einzelligen Parasiten – eine Folge des Stichs einer Anopheles-Mücke –, und das, obwohl es wirksame Medikamente gibt.
Ebola hat Malaria aus den Schlagzeilen verdrängt – zum Weltmalaria-Tag am Samstag (25. 4.) macht die Weltgesundheitsorganisation darauf aufmerksam, dass trotz vieler Erfolge immer noch knapp 600.000 Menschen jährlich an Malaria sterben – die meisten in Afrika südlich der Sahara.
Engpässe bei Arzneien
"Natürlich war es wichtig, dass die Weltgemeinschaft rasch auf Ebola reagiert hat", sagte kürzlich Martin Edlund, Leiter der US-Hilfsorganisation "Malaria No More", im Rahmen einer internationalen, von Novartis organisierten Journalistenreise nach Kenia: "Aber das Ausmaß der gesamten Ebola-Epidemie – gemessen an der Zahl der Infizierten und der Toten – entspricht dem weltweiten Ausmaß von Malaria innerhalb einiger Tage."
Zwar sind in öffentlichen Gesundheitszentren die Medikamente für Schwangere und Kinder bis fünf Jahre gratis – allerdings gibt es immer wieder Versorgungslücken: "Seit drei Monaten haben wir keine Medikamente", sagt ein Mitarbeiter des "Kibera Community Health Center" in Nairobi – mit bis zu einer Million Bewohnern ist Kibera der größte Slum Afrikas: "Die Regierung liefert uns nichts – und wir haben auch kein Geld, um selbst Medikamente anzukaufen."
Lilian Mban, 33, ist Ärztin in Kibera. Die Hilfsorganisation AMREF bildet freiwillige Gesundheitsarbeiter aus, die bei den Familien Aufklärungsarbeit leisten: "Zu Ostern und zu Weihnachten besuchen viele ihre Familien in den Regionen am Victoriasee. Wir informieren sie über Schutzmaßnahmen wie mit Insektiziden behandelte Netze – und dass sie bei Fieber in ein Gesundheitszentrum gehen und nicht Schmerzmittel nehmen sollen."
Obwohl die Malaria-Medikamente relativ billig sind, können sich viele diese nicht leisten. Alleine Novartis hat seit 2001 mehr als 700 Millionen Antimalaria-Therapien ohne Profit zum Herstellungspreis an Einrichtungen wie den "Global Fund" oder die "Bill & Melinda Gates Foundation" abgegeben – diese wiederum stellen die Präparate öffentlichen Gesundheitseinrichtungen zur Verfügung.
Resistente Erreger
Sorgen macht derzeit Experten, dass sich in Südostasien ein resistenter Malaria-Parasit ausbreitet – gegen den der effektive und viel genutzte Malaria-Wirkstoff Artemisinin wirkungslos ist. "Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist in den kommenden Jahren eine Ausbreitung nach Afrika zu befürchten", sagt Roger Waltzman, Leiter der Entwicklung neuer Antimalaria-Mittel bei Novartis: "Wir machen Studien mit zwei völlig neuen Wirkstoffen. Wir hoffen, in drei Jahren die Zulassung für die erste Substanz zu erhalten." Auch andere Firmen forschen an neuen Präparaten.
Und GlaxoSmithKline (GSK) könnte noch heuer die Zulassung für den weltweit ersten Malaria-Impfstoff bekommen. Er reduziert bei Kindern je nach Alter die Häufigkeit von Infektionen um ein Viertel bis zur Hälfte.
"Es ist realistisch, Malaria auszurotten", sagt Edlund – die WHO will die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle bis 2030 um 90 Prozent senken. "Aber dafür benötigen wir neue Werkzeuge. Ein Impfstoff ist eines davon. Wir benötigen auch neue Medikamente, gegen die es keine Resistenzen gibt und die zu 100 Prozent alle Parasiten aus dem Körper eliminieren. Wir benötigen wirksamere Pestizide und genauere Schnelltests – und bessere Lebensverhältnisse. Und wir müssen die Mittel für die Malariabekämpfung – rund 2,7 Milliarden US-Dollar 2013 – in den kommenden fünf Jahren verdoppeln. Nur so könnte die verheerendste Krankheit der Menschheit Geschichte werden."