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Alkohol: EU-Parlament will Warn-Etiketten auf Flaschen

Die EU plant neue Strategien gegen Alkoholmissbrauch. Immerhin seien 5,9 Prozent aller Todesfälle darauf zurückzuführen, argumentieren die Parlamentarier. Die alkoholbedingten Gründe dafür sind vor allem Unfälle, Gewalt oder Krankheiten.

In der Altersgruppe der 20- bis 39-Jährigen entfällt sogar ein Viertel aller Todesfälle auf Alkohol. Im EU-Parlament wurde am Montagabend der Plan einer EU-weiten Etikettierung alkoholischer Getränke mit Warnhinweisen diskutiert. Damit sollen die Konsumenten vor den Gefahren von Alkohol in der Schwangerschaft und am Steuer gewarnt werden.

"Einen Versuch wert"

Für Prim. Kourosh Yazdi, Leiter des Suchtzentrums an der oberösterreichischen Wagner-Jauregg-Landesnervenklinik, wären Warnhinweise auf Flaschen oder Dosen einen Versuch wert. Auch wenn die Erfolge möglicherweise nur gering ausfallen würden. "Die von Alkohol ausgelösten gesundheitlichen Schäden und Katastrophen sind so hoch, dass jede Verbesserung viel wert ist."

Im EU-Vergleich liegt Österreich an dritter Stelle, was den jährlichen Verbrauch von reinem Alkohol pro Einwohner angeht (siehe Grafik). Alkohol gehört für große Teile der Gesellschaft zum Alltag.

Vielen Konsumenten ist das negative Potenzial aber gar nicht bewusst. "Die häufigsten angeborenen Behinderungen sind mittlerweile durch Alkohol in der Schwangerschaft verursacht", sagt Yazdi. Warnhinweise anzubringen, könne aber nur eine Maßnahme im Rahmen eines ganzen Pakets sein.

Das sieht Univ.-Prof. Michael Musalek, Leiter der Entzugsklinik Anton-Proksch-Institut, ähnlich. "Ein Pickerl alleine bringt gar nichts. Was wir brauchen, ist eine Veränderung des Problembewusstseins in der Gesellschaft." Werde die Etiketten-Maßnahme aber in Kampagnen eingebettet, könne sie durchaus sinnvoll sein.

Das EU-Parlament fordert ebenso größere Anstrengungen, den Alkoholkonsum von Minderjährigen zu verringern. In Österreich gaben zuletzt sechs Prozent der 15- bis 18-Jährigen an, mehrmals pro Woche zu trinken. Yazdi sieht Maßnahmen wie Warnhinweise auf Zigarettenpackungen positiv. Allerdings nicht wie in vielen Ländern üblich mit abschreckenden Bildern, sondern mit einem einheitlichen Verpackungsdesign. In Australien reduzierte sich durch diese Maßnahme der Zigarettenkonsum tatsächlich. "Wenn die Verpackungen nicht bunt und ansprechend designt sind, nimmt ihnen das den Coolnessfaktor", erklärt der Suchtexperte. Das könnte auch bei alkoholischen Getränken funktionieren.

Wenn es um Abhängigkeit und Sucht geht, schlägt in Österreich der Alkohol alles. Rund 200.000 Menschen neigen zu exzessivem Trinken. Das hat eine neue repräsentative Umfrage (GfK) ergeben, die vor kurzem präsentiert worden ist - der KURIER berichtete. Neun Prozent der Bevölkerung trinken vier Mal oder öfter pro Woche Alkohol. Die Jahres-Konsummenge von 12,2 Liter reinem Alkohol ist im EU-Vergleich ein Spitzenwert.

OECD-Zahlen zufolge trinkt die österreichische Bevölkerung um 1,1 Liter mehr Alkohol als der EU-Durchschnitt, nämlich 12,2 Liter reinen Alkohol pro Kopf und Jahr. Die Alpenrepublik reiht sich damit im EU-Vergleich unter die Top-Drei-Nationen mit dem höchsten Alkoholkonsum und wird nur von Litauen (12,7 Liter) und Estland (12,3 Liter) überholt. Das klassische Weinland Frankreich liegt mit 11,8 Litern Alkohol pro Kopf hinter Österreich, Italien ist mit 6,1 Litern beim halben Wert Österreichs.

"In der Mitte der Gesellschaft"

Die aktuellen demografischen Daten stammen aus einer Umfrage aus dem vergangenen Jahr mit 4.000 Teilnehmern im Alter von mehr als 15 Jahren. Rudolf Bretschneider vom Marktforschungsinstitut GfK Austria merkte dazu an: „Selbst wenn solche Vergleichsdaten mit Vorsicht zu genießen sind: Fakt ist jedenfalls, dass der Alkoholkonsum hierzulande hoch und in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt ist. Das zeigt auch unsere Studie ganz deutlich.“

So gab im Rahmen der GfK-Erhebung nur jeder Zehnte an, in den vorangegangenen zwölf Monaten nichts getrunken zu haben. 39 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen trinken Alkohol zwei bis drei Mal pro Woche oder öfter. Neun Prozent der Österreicher nehmen vier Mal oder öfter pro Woche Alkohol zu sich. Nur jeder Dritte konnte von sich behaupten, nur einmal im Monat zum Glas gegriffen zu haben. Umgekehrt berichteten neun Prozent, mindestens zweimal pro Monat deutlich alkoholisiert gewesen zu sein. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung über 15 wären das 650.000 Menschen. Sechs Prozent der Männer und ein Prozent der Frauen, die in den vorangegangenen zwölf Monaten mehrmals pro Woche Alkohol getrunken hatten, geben an, dass sie mindestens zweimal pro Woche sechs oder mehr Gläser bei einer Gelegenheit gebechert hätten.

"Binge Drinking"

„Auf die Bevölkerung umgelegt heißt das: 200.000 Personen praktizieren mit gewisser Regelmäßigkeit, was in Großbritannien bereits für beide Geschlechter unter 'Binge Drinking', also 'exzessives Trinken' fallen würde“, so der Kommentar des Meinungsforschers. Nach Beschäftigung betrachtet sei die Gruppe der Arbeitslosen mit sieben Prozent und der un- oder angelernten Arbeiter mit sechs Prozent besonders gefährdet, exzessiv zu trinken.

Die regelmäßig aufbrechende „Koma-Saufen“-Debatte, in der vor allem Heranwachsenden und Jugendlichen der moralische „Schwarze Peter“ zugespielt wird, ist laut den Umfrageergebnissen von GfK zu einem guten Teil falsch „lokalisiert“. Anders als Medienberichte vielfach suggerieren, kann das exzessive Trinken laut GfK-Studie nicht primär den jüngeren Altersgruppen zugeordnet werden.
Nur sechs Prozent der Generation Z (15 bis 18 Jahre) sagten beispielsweise, in den letzten zwölf Monaten mehrmals pro Woche Alkohol getrunken zu haben - bei der 68er- und der Kriegsgeneration war es dagegen mehr als ein Drittel. Alkoholabhängigkeit findet sich infolge der jahrelangen Entwicklung der Problematik bis zur Krankheit vermehrt bei Menschen im mittleren und höheren Alter. Allerdings, umgekehrt erklärte jeder zehnte 15- bis 18-Jährige und jeder fünfte 19- bis 38-Jährige, in den vorangegangenen zwölf Monaten mindestens zwei Mal pro Monat deutlich alkoholisiert gewesen zu sein. Jüngere trinken mehr in der Öffentlichkeit und können scheinbar weniger gut damit umgehen.

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