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Engagement gegen Alzheimer: Der 2300-Kilometer-Marsch

Sie müssen jeden Tag – fast – eine Marathondistanz schaffen, und das knapp drei Monate hindurch, mit nur einem Ruhetag pro Woche. 35 bis 40 Kilometer legen Eamonn Donnelly, 50 (er wurde in Nordirland geboren), und der Steirer Josef Tieber-Kessler, 51, derzeit täglich zurück. Auf ihrem Long Walk Home for Dementia Research – dem langen Weg, mit dem sie Bewusstsein für die Alzheimerforschung wecken wollen. 2300 Kilometer, von Hitzendorf bei Graz bis Keady in Nordirland. Ein Projekt, bei dem sie mental und körperlich an ihre Grenzen stoßen.

Seit 27 Jahren lebt der Englischlehrer Donnelly in Österreich. Vor einigen Jahren starb seine Mutter Margaret im Alter von 69 Jahre in Nordirland an einer aggressiven Form von Demenz.

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"Wir mussten zusehen, wie unsere Mutter Stück für Stück verschwunden ist", sagt Eamonn Donnelly zum KURIER. "Sie war eine starke Persönlichkeit, in unserem Ort sozial sehr engagiert. Aber die letzten zwei Lebensjahre war sie ein anderer Mensch. Das Auffälligste für mich war der Verlust ihrer Wörter. Und besonders frustrierend und schmerzhaft war unsere Hilflosigkeit. Nichts konnte die Symptome der Krankheit mildern oder ihr Fortschreiten verlangsamen." Nicht einmal drei Jahre nach dem Auftreten der ersten Symptome starb Margaret.

Eamonn Donnelly wollte sich mit seiner Hilflosigkeit nicht ohne Weiteres abfinden. "Ich habe nicht verstanden, dass es im 21. Jahrhundert kein Heilmittel gibt. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich das ändern muss. Deshalb startete ich den ,langen Weg nach Hause‘ für die Demenzforschung."

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Seit dem 18. Juni sind die Freunde unterwegs, ganz ohne Unterstützungsfahrzeug, nur mit je einem rund zehn Kilogramm schweren Rucksack. 200 Kilometer schaffen sie im Schnitt pro Woche. Mit Interviews – unter anderem für dieBBCund dieIrish Times– machen sie auf ihr Anliegen aufmerksam, ebenso entlang ihrer Route, in vielen Gesprächen mit Menschen, denen sie begegnen.

Gastfreundschaft

Tieber-Kessler: "Manchmal ertappte ich mich bei dem Gedanken, ob ich bereit gewesen wäre, zwei Fremden auf eine einfache Anfrage hin mein Haus zu öffnen, sie zum Abendessen einzuladen und bei mir zu Hause schlafen zu lassen. Aber meistens haben wir eine Übernachtungsmöglichkeit gefunden." Gefährlich wurde es manchmal, wenn die zwei – mangels Alternativen – ein Stück entlang einer Hauptstraße gehen mussten: "Das reichte von Unverständnis bis zur Ablehnung, ganz nach dem Motto: ,Was wollen die zwei Idioten auf meiner Straße, jetzt muss ich extra bremsen.‘"

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Als sie am 29. Juli nach 1164 Kilometern in Charleville-Mézières in Frankreich die halbe Strecke geschafft hatten, machen sich die Belastungen bemerkbar, schreibt Josef Tieber-Kessler in seinem Blog: "Auf der einen Seite denkt man an die Strapazen und Entbehrungen, die noch vor einem liegen und an die prolongierte Trennung von den Liebsten. Da ist mentale Stärke gefragt. Drei Monate können sehr lang werden. Auf der anderen Seite haben wir so viel Unterstützung und Hilfe, so viel Interesse für unser Projekt erlebt, dass wir nicht ans Aufgeben denken wollen."

Spätestens am 10. September will Eamonn seinen Heimatort erreicht haben. "Der Marsch war dann auch die Würdigung einer bedeutenden Frau, die langsam, nahezu unmerklich, ihrer selbst beraubt wurde."

Die öffentlichen Mittel für die Alzheimer-Forschung in Österreich sind „inferior“, heißt es bei der Österreichischen Alzheimer-Gesellschaft (ÖAG). „Umso wichtiger sind so vorbildhafte Initiativen wie ,The Long Walk Home‘, die auf die Forschung aufmerksam machen“, sagt ÖAG-Präsident Univ.-Prof. Peter Dal-Bianco. Mit Spendenmitteln werden in Österreich Projekte in folgenden Bereichen gefördert:

Labor: Gibt es – etwa im Blut – Biomarker, also irgendwelche Hinweise, die frühzeitig (vor dem Auftreten von Symptomen) auf die Erkrankung hinweisen?

Bildgebung: Kann man mithilfe von Verfahren wie der MRT (Magnetresonanztomografie) und der funktionellen Hirnuntersuchung mittels PET (Positronen-Emissions-Tomografie) vielleicht Merkmale finden, die darüber etwas aussagen, welche Ursache der Demenz zugrundeliegt?

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Klinische Forschung:Hier ist ein Thema die Schmerzverarbeitung der Patienten. Dal-Bianco: „Wie können Sie Schmerzen mitteilen und darauf aufmerksam machen: Worauf müssen hier die Betreuungspersonen achten?“

Genetik: In Zusammenarbeit mit internationalen Konsortien sollen Genveränderungen ausfindig gemacht werden, die bei der Entstehung einer Demenzerkrankung eine Rolle spielen.

In Österreich wurde eine Datenbank („Prodem-Austria“) aufgebaut mit Informationen zu rund 900 Alzheimer-Patienten aus Österreich (Blut- und DNA-Proben, Daten aus bildgebenden Verfahren wie MRT oder PET etc., Angaben zum Krankheitsverlauf). „In mehreren Projekten werden diese Daten aufgearbeitet: „Das ist ein wichtiger Schritt für die Forschung in Österreich.“

So können Sie spenden

Von Österreich aus kann man auf der Internet-Seite des Long Walk Home (siehe oben) das Logo für „Paypal“ anklicken.

Oder man spendet direkt an die Alzheimer-Gesellschaft. Vermerk „The Long Walk Home“.
IBAN: AT61 1200 0006 4514 1904

BIC: BKAUATWW