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Was Sie vor dem Marathon noch tun sollten

Mehr als 42.000 Läuferinnen und Läufer aus rund 130 Nationen werden am Sonntag an Österreichs größter Sportveranstaltung - dem Vienna City Marathon - teilnehmen. Für den Erfolg sind die letzten Tage vor dem Lauf besonders entscheidend. Im KURIER-Interview erklärt Univ.-Prof. Christian Gäbler, Chief Medical Officer des Vienna City Marathon, was jetzt noch für einen optimalen Erfolg des Laufs wichtig ist.

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KURIER: Was raten Sie Läuferinnen und Läufern für die letzten Tage vor dem Marathon?

Christian Gäbler: Am Freitag vor dem Rennen sollte man einen Ruhetag einlegen und nicht trainieren. Am Samstag empfehle ich einen kurzen Aktivierungslauf, der ungefähr 30 Minuten dauern sollte. Dabei sollte man sein Lauftempo langsam steigern bis man sein individuelles, geplantes Marathon- oder Halbmarathontempo erreicht hat. Dieses sollte man ungefähr fünf bis zehn Minuten lang halten und danach langsam auslaufen.

Welche Tipps geben Sie zur Ernährung?

Fettreiches Essen unbedingt meiden und ausreichend langkettige Kohlenhydrate - Nudeln, Reis, Vollkornbrot - zu sich nehmen, vor allem auch noch am Samstagabend, da sollte es eine große Portion sein.

Und dann das Frühstück am Sonntagmorgen?

Sollte nur ein leichtes sein. Für die Kohlenhydratspeicher ist es nicht mehr entscheidend. Es ist nur wichtig, dass sie Sonntag in der Früh Kohlenhydrate im Bauch haben. Weißbrot wird von vielen Läufern gut vertragen. Ich selber esse auch in der Früh vor einem Marathon Vollkornbrot, aber es wird - ebenso wie Müsli - nicht von allen gut vertragen. Ich kenne viele Läufer, die dann nach einem Lauf klagen, sie hätten sich auf den ersten zehn Kilometern so gefühlt, als ob sie einen Stein im Bauch hätten. Deshalb: Keine Experimente beim Frühstück vor dem Marathon oder Halbmarathon.

Alkohol in den Tagen vor dem Lauf, natürlich nur in kleinen Mengen, was sagen Sie dazu?

Da rate ich davon ab, ich bin für einen kompletten Verzicht. Der Hauptgrund ist: Alkohol stört den Fettstoffwechsel. Er verhindert, dass der Körper zuerst auf die Fettspeicher zurückgreift und erst danach auf die Kohlenhydratspeicher. Dadurch muss man aber beim Lauf sehr rasch Kohlenhydrate von außen zuführen, etwa mit Kohlenhydrateriegeln und speziellen Gels. Außerdem schläft man ohne Alkohol besser durch.

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Viele Läufer schlafen in der Nacht vor dem Rennen schlecht. Was raten Sie hier?

Mein wichtigster Rat ist: Machen Sie sich deshalb nicht verrückt. Dass man vor dem Lauf aufgeregt ist, das ist ganz normal. Und dass man etwas unruhiger schläft, auch. Natürlich ist es immer besser, wenn man gut ausgeschlafen ist, aber entscheidend für den Lauf ist das nicht: Sie sind vor dem Start so mit Adrenalin vollgepumpt, dass ein unruhiger Schlaf keine große Rolle für das Laufergebnis spielt. Das kostet Sie bei einem Marathon vielleicht zwei, drei Minuten. Viele Läuferinnen und Läufer klagen in der Früh des Lauftages über eine unruhige Nacht, und das verstehe ich auch. Es wird aber überbewertet. Wer will, kann ja zu Hausmitteln wie Milch mit Honig greifen. Aber ein unruhiger Schlaf ist wirklich keine Tragödie.

Thema "Trinken am Marathontag" und während des Laufes: Wie viel und wann?

In der Früh sollte man, wenn möglich, ein- bis eineinhalb Liter Flüssigkeit zu sich nehmen - Tee, Wasser, isotonische Getränke. Vor dem Lauf auf die Toilette und fünf Minuten vor dem Start nochmals 300 bis 500 Milliliter. Während des Laufs sollte man spätestens nach einer Stunde trinken, am besten aber schon bei der ersten Labestation.

Wer da nicht geübt ist: Werden Sie langsamer, gehen Sie zur Labestation, trinken Sie in Ruhe und laufen Sie weiter. Auch diese kurzen Stopps beeinflussen ihre Zeit nicht entscheidend, im Gegensatz zu einer zu niedrigen Flüssigkeitsaufnahme. Übrigens: Die häufigste Ursache für Kopfschmerzen, die während eines Laufs auftreten, ist Flüssigkeitsmangel. Das heißt: Haben Sie bei der Labestation vor dem Auftreten der Kopfschmerzen einen Becher getrunken, müssen Sie bei der nächsten deutlich mehr Flüssigkeit zu sich nehmen, also mindestens zwei Becher oder sogar noch mehr.

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Wann muss man das erste Mal etwas essen?

Auch das ist individuell sehr verschieden, aber viele trainierte Läufer kommen durchaus 20 Kilometer mit den eigenen Reserven aus. Ab einer Laufdauer von zwei Stunden würde ich aber auf jeden Fall dazu raten, Kohlenhydrate zuzuführen, und wer individuell das Bedürfnis hat, der sollte das auch schon früher tun. Das muss jeder selbst ausprobieren, ich kenne auch Läufer, die kommen 25 bis 30 Kilometer ohne Kohlenhydrateriegel und Gels aus. Die Gels sollte man übrigens schon vor dem Marathon einmal ausprobiert haben, ob man sie auch verträgt: Manche kriegen darauf Bauchkrämpfe und Durchfall.

Was ist noch wichtig?

- Die Zehennägel spätestens am Freitag schneiden, wenn das Rennen am Sonntag ist. Spätestens zwei Tage vor dem Lauf deshalb, damit sich der Nagel und der Nagelfalz noch beruhigen können

- Die Brustwarzen mit einem Pflaster abkleben; wer empfindlich ist: Die Innenseiten der Oberschenkel und die Achselhöhlen mit Hirschtalg einschmieren, um auch hier ein Wundscheuern zu vermeiden.

- Schlafen Sie bereits mit der Unterwäsche, die Sie beim Lauf tragen.

- Auch wenn jetzt viele sagen werden, das ist eh klar: Nicht mit ganz neuen Schuhen laufen. Jedes Jahr haben wir in unserem Medical Center Läufer, die aufhören müssen, weil sie in neuen Schuhen Schmerzen und Blasen bekommen haben.

- Und zu guter Letzt: Es ist nur ein Lauf, es geht um nichts Lebensnotwendiges. Deshalb: Starten Sie nicht, wenn Sie sich krank fühlen oder erhöhte Temperatur haben. Und hören Sie auf, wenn Sie größere Probleme haben, wenn Kopfschmerzen trotz Trinkens nicht besser besser werden, Krämpfe nicht besser werden, Sie das Gefühl haben, es geht nicht mehr, aber Sie wollen es unbedingt erzwingen: Lassen Sie das, zeigen Sie Nerven und hören Sie auf. Dann sind sie ein wahrer Laufsportler.