Unglaubliche Gehirnleistung: Im Schlaf Aufgaben lösen
Von Ingrid Teufl
Es ist ein spannendes Phänomen: Schlummernde Menschen reagieren auf ihren Namen. Oder auf den vertrauten Weckton, während ihn andere Geräusche kaum tangieren. Und schon gar nicht wecken. Britische und französische Forscher haben dafür nicht nur eine Erklärung, sondern zeigen, dass das Gehirn auch im Schlaf komplexe Aufgaben ausführen kann.
Die Studienautoren von den Universitäten Cambridge und Paris hatten die Gehirnaktivitäten ihrer Studienteilnehmer in verschiedenen Situationen mittels Elektroenzephalogramm (EEG) aufgezeichnet. Sie mussten etwa gehörte Worte per Knopfdruck als Tiere oder Objekte identifizieren. Die Forscher konnten dadurch die Angaben bestimmten Gehirnregionen zuordnen. Danach führten die Probanden die Übungen in einem abgedunkelten Raum durch, bis sie einschliefen. Um sicherzustellen, dass ihre Gehirne auch tatsächlich arbeiteten, wurde eine neue Wortliste verwendet. Das Erstaunliche: Anhand der Messung der jeweils speziellen Gehirnaktivität erkannten die Wissenschaftler, dass die Probanden die gehörten Wörter auch im Schlaf weiterhin richtig einordneten. Einziger Unterschied: Die „Antworten“ (in Form der gemessenen Gehirnaktivität) kamen etwas langsamer als im Wachzustand. „Damit ist nachgewiesen, dass das Gehirn viel aktiver sein kann als bisher angenommen“, sagt Studienleiter Sid Kouider.
Tagesinhalte speichern
„Wie gelähmt“ im Bett zu liegen gehört zu einem Schlafstadium, das mit den REM-Phasen (von „rapide eye movement“ für schnelle Augenbewegung, Anm.) in Verbindung steht. In diesem Zustand träumen wir – und das Gehirn ist hochaktiv. „Im Grunde werden dann die Tagesinhalte auf unsere Festplatte transferiert“, erklärt Walzl. In der Erforschung dieser Zustände stehe die Schlafmedizin aber erst am Beginn. „Da gibt es einige Phänomene, die wir erst nach und nach erkennen“, sagt Univ.-Prof. Manfred Walzl, Leiter des Zentrums für Schlafmedizin an der Landesnervenklinik Graz. Die aktuellen Studienergebnisse seien nicht überraschend. „Das Hirn ist in diesen Phasen sogar aktiver als im Wachzustand. Wir sind tatsächlich im Stande, etwas neu zu erlernen.“
Dass Wachzustände und Schlafphasen wie etwa die REM-Phasen einander ähneln könnten, hätte man bis vor kurzem nicht gedacht. Warum Lerneffekte in diesen aktiven Phasen nachts überhaupt möglich sind, erklärt Walzl mit den nun wegfallenden Einflüssen des Tages. „Das Gehirn kann sich ganz auf sich selbst konzentrieren.“ Bemühungen, den Schlaf besser zu nutzen, gibt es schon länger, etwa fürs Lernen. Die britisch-französischen Forscher meinen, im Schlaf seien sogar richtige oder falsche Ergebnisse bei Gleichungen erkennbar. Lernen im Schlaf ist auch für Walzl eine Option. „Es ist nicht 1:1 möglich, aber es bleibt etwas hängen und unterstützt das Lernen.“ Am besten sollte der Schlaf aber als das gesehen werden, was er ist: „Eine Erholungsphase für das Gehirn.“
Es ist ein ambitioniertes Großprojekt, an dem mehr als 80 Forschungseinrichtungen im Auftrag der Europäischen Kommission arbeiten. Die Kosten belaufen sich auf 1,19 Mrd. Euro. Im Rahmen des "Human Brain Projects" wollen die Wissenschafter bis zum Jahr 2023 sämtliche vorhandene Daten über das Gehirn sammeln und daraus ein Modell des menschlichen Gehirns am Computer nachbauen.
Damit sollen einerseits die Forschung über Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson vorankommen. Andererseits erhofft man sich, durch das Projekt grundlegende Mechanismen besser zu verstehen. Das Nachbauen ermögliche ein besseres Verständnis, so die Experten. Ein zentrales Thema des Projekts wird auch die Zusammenführung großer Datenmengen sein.
Weiters sollen vom Projekt über die Arbeitsweise des Gehirns auch Informations- und Kommunikationstechnologien weiter entwickelt werden.