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Ein Burn-out kann teuer werden

Der Volkswirtschaftsexperte ist deutlich: „Von der Höhe der Kosten war ich selbst überrascht. Und ich glaube, dass die Problematik bisher vielfach unterschätzt wurde,“ sagt Univ.-Prof. Friedrich Schneider über eine Studie zu den Kosten von Burn-out, die er gemeinsam mit Elisabeth Dreer (beide Johannes Kepler Universität Linz) verfasst hat:

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Wird ein Burn-out früh erkannt und es wird rasch gegengesteuert, entstehen pro Person volkswirtschaftliche Gesamtkosten von 1500 bis 2300 Euro (siehe Grafik).

Bei einer späten Diagnose hingegen – mit monatelangen Krankenstände und aufwendigen Therapien – können sich die Kosten auf bis zu 130.000 Euro erhöhen.

Schon heute verursachen psychische Erkrankungen jährliche volkswirtschaftliche Kosten von sieben Milliarden Euro. „Ohne Maßnahmen fällt die 10-Milliarden-Schallmauer in wenigen Jahren“, hieß es Montag beim Institut Wirtschaftsstandort Oberösterreich und dem Verein „pro mente OÖ“.

Gegensteuern

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Mit dem neuen Programm „Stressfrei Austria“, das Unternehmen österreichweit zur Verfügung steht, soll jetzt gegengesteuert werden. „Wir wollen in Betrieben Mitarbeiter und Unternehmensführung unter anderem durch Schulungen an das Thema Stress heranführen“, so Psychiater Univ.-Doz. Werner Schöny von pro mente: „Unternehmen müssen darauf schauen, wie ihre Mitarbeiter eingesetzt sind, wo sie Unterstützung brauchen – und die Mitarbeiter müssten lernen, mit ihren Kräften hauszuhalten und nicht immer zu sagen: ‚Ich schaff’ das schon.‘“

Die neue Initiative wolle auch gegen Vorurteile auftreten: „Etwa, dass nur schwache oder unwillige Menschen betroffen sind. Ganz im Gegenteil: Das kann jedem passieren, und sehr oft sind es sehr erfolgreiche Menschen, die fest im Leben stehen.“

Schöny rät jedem, bei sich auf Burn-out-Symptome zu achten: „Eines der wichtigsten ist die Schlafstörung: Wenn die Gedanken auch in der Nacht nur darum kreisen, was noch alles erledigt gehört, dann ist das ein Alarmzeichen.“ Ebenso wie die Angst, den Herausforderungen nicht mehr gewachsen zu sein, Konzentrationsprobleme, leichte Reizbarkeit, immer weniger Zeit für Familie und Freunde sowie das Gefühl, dass ohnehin alles sinnlos sei: „Ein Burn-out ist ein Weg. Verlässt man ihn nicht rechtzeitig, kommt es irgendwann zu einer schweren Depression und auch zu körperlichen Beschwerden.“ www.stressfrei-austria.at

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„Überlastungsphänomene hat es immer schon gegeben – wenngleich auch nicht in dem Ausmaß wie heute“, sagt Psychiater Werner Schöny. Um die Jahrhundertwende war die DiagnoseNeurasthenie“ (Nervenschwäche) gebräuchlich. „Psychische Erkrankungen hat man damals noch nicht sehr differenziert – Neurasthenie wurde einfach als ein Zustand gesehen, bei dem die Menschen Probleme mit ihren Nerven hatten. Wer sich ausgelaugt fühlte, erhielt diese Diagnose.“ So gebe es Hinweise darauf, dass 1914 der Botschafter Österreich-Ungarns in Sarajevo zum Zeitpunkt des Attentates auf Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin überlastet war und ebenfalls eine Neurasthenie diagnostiziert bekommen hatte. „Möglicherweise ist dadurch einiges an diplomatischen Maßnahmen versäumt worden.“ Dass auf Phasen der Anspannung Erholungsphasen folgen müssen, war schon den Griechen der Antike bewusst: Nach den olympischen Wettkämpfen gab es lange Ruhezeiten.

Burn-out wird vonseiten der Arbeitgeber ernst genommen. Aber auch die Arbeitnehmer müssten Verantwortung zeigen, erklärten der Präsident der Wirtschaftskammer Oberösterreich, Rudolf Trauner, sowie der Leiter der Sozial- und Rechtspolitik, Erhard Prugger. Es seien immer mehrere Faktoren, die dazu führen, belegten der Primar der Wagner-Jauregg-Landesnervenklinik, Kurosch Yazdi, und sein Vorgänger Werner Schöny (jetzt oö. pro mente-Obmann). Sie sprachen sich für einen Teilzeit-Krankenstand zum Wiedereinstieg aus.

Die Ärztekammer sehe 500.000 Österreicher im Burn-out, eine weitere Million als gefährdet und jede dritte Frühpensionierung beruhe mittlerweile auf einer psychischen Diagnose, so die WK. Die volkswirtschaftlichen Gesamtfolgekosten beliefen sich laut Experten auf rund sieben Milliarden Euro, so Trauner. Verschiedene Berufsgruppen und Bundesländer seien unterschiedlich betroffen, die Herausforderungen für die Betriebe durch Ungereimtheiten gewaltig. Wie viele Burn-out-Fälle es tatsächlich gebe, sei kaum festzustellen, so die beiden Mediziner. Denn eine medizinische Diagnose "Burn-out" gebe es nicht, es beschreibe einen Weg, der in psychischen Erkrankungen wie einer schweren Depression enden könne. Man müsse allerdings genau hinschauen, denn auch andere Erkrankungen wie solche der Schilddrüse könnten zu gleichen Symptomen führen, betonte Yazdi.

Unternehmen nicht allein schuld

Es sei die Tendenz da, den Unternehmen einseitig die Verantwortung für Burn-out zuzuschieben, so Prugger. Das Besondere an den Expertenbotschaften sei, dass sie beide Teile in der Pflicht sehen. Arbeitnehmer seien auch in der Freizeit gefordert, im eigenen Interesse bzw. dem ihrer Gesundheit zu handeln. Weitere Faktoren seien etwa die Persönlichkeit selbst, die engere Umgebung, der familiäre Bereich, die Umwelt. Jeder brauche Ressourcen, um mit Be- oder Überlastung umzugehen.

Derzeit gebe es kein standardisiertes Vorgehen gegen Burn-out, so Yazdi. Die Arbeitgeberseite könne Arbeitsumfang, Gestaltungsfreiheit, Belohnung, Fairness und Werte im Positiven beeinflussen. Der Mitarbeiter könne über sein Selbstmanagement, eine gute soziale Einbettung in eine Partnerschaft oder Familie und Stressabbau durch Sport, Ernährung und ausreichend Schlaf Prävention betreiben, Übergewicht und Alkohol seien Risikofaktoren.

Teilzeit-Krankenstand

Trauner wies auf die langen Krankenstände durch Burn-out hin, die mit 33 Tagen fast drei mal so lange wie im Durchschnitt seien. Schöny betonte, das liege daran, dass es oft viel zu spät erkannt und nicht früh genug gegengesteuert werde. Er und Yazdi sprachen sich für einen "Teilzeit-Krankenstand" zum Wiedereinstieg aus. Dadurch könnte man die Fehlzeit auch wesentlich verkürzen. Denn der Druck, plötzlich wieder von Null auf 100 Prozent funktionieren zu müssen, löse bei vielen Menschen zusätzlich Stress aus. Man wolle hier versuchen, gemeinsam einen Weg zu entwickeln, so Schöny. "Das wäre einen Probegalopp wert", so Prugger, der sich eine Einschleifregelung mit weniger Stunden oder verändertem Arbeitsplatz vorstellen kann.