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Drei Wochen Diätcamp reichen nicht, um dicke Kinder schlanker zu machen

Drill, Demütigungen, Tränen und alles dreht sich nur ums Kalorienzählen: Privatsender veranstalten quotenträchtig Diätcamps. Dass so ein Kampf um zu viele Kilos bei Kindern und Jugendlichen auch zu Hause funktioniert, zeigt die US-Amerikanerin Dara-Lynn Weiss in ihrem Aufreger-Buch „Wonneproppen“ – der KURIER berichtete.

Für Experten ist dieser Zugang allerdings der falsche Weg. „Das ist reiner Terror und abzulehnen“, sagt Univ.-Prof. Bernhard Ludvik, Stoffwechselexperte an der MedUni Wien. „Es ist nicht gut, wenn bei Kindern der gesamte Fokus nur aufs Essen gelegt wird.“ Klar sei aber: „Bei Kindern mit einer Neigung zu Übergewicht muss sich das gesamte Umfeld ändern.“ Dabei könnten längerfristige Projekte, die im Alltag integriert sein müssen, unterstützend wirken. „Um zu sehen, wie es geht.“

Gabriele Gundacker, Kindergruppenleiterin des Wiener Pilotprojekts „rundum g’sund“ hält ebenso wenig von reinen Diätcamps. „In drei Wochen schafft niemand eine Totalveränderung. Es geht um kleine Schritte, die man verankern muss.“ Deshalb wurden die übergewichtigen Kinder im zweijährigen Projekt intensiv betreut. Während des gesamten Schuljahres traf man sich wöchentlich, jedes Mal wurde eine Bewegungseinheit integriert. „Viele machten erstmals die Erfahrung, dass Bewegung Spaß machen kann.“ Neben psychologischer Begleitung wurde auch gemeinsam gekocht. Gundacker: „Die Nähe zu Lebensmitteln ist auch ein Stück Eigenverantwortung, etwa zu wissen, wie man selbst einen Aufstrich zubereitet anstatt Junkfood zu essen.“

Wer sich mit Übergewicht und Adipositas beschäftigt, weiß aber, dass es keine Wunder gibt. Karin Loibner leitet in Niederösterreich das Abnehmprogramm „Durch dick und dünn“. „Wir müssen die hohen Erwartungen und Hoffnungen der Eltern häufig herunterbremsen, was tatsächlich möglich ist.“ Durchgeführt mit den NÖ Landeskliniken, sind hier auch die Eltern in die zehnmonatige Begleitung eingebunden. Insgesamt gibt es 120 Schulungseinheiten.

Erfolge

Die Evaluierung zeigte allerdings ein durchwachsenes Bild. Ludwig Grillich, Donau-Uni Krems: „Das Verhältnis der Adipösen und Morbidadipösen verschob sich zugunsten der Gruppe der Übergewichtigen. Es zeigten sich jedoch keine relevanten Veränderungen in kardiovaskulären Risikofaktoren, Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten.“

Erfahrung hat man in Niederösterreich übrigens ebenso mit Diätcamps. Überraschend waren die Vergleichswerte etwas besser als jene des Jahresprogramms. Loibners Erklärung: „Im Camp lernen die Kinder gemeinsam, dass es um andere Werte als das Dicksein geht.“

Elisabeth Ardelt-Gattringer ist desillusioniert. „Ich halte Abnehmprogramme für hinausgeworfenes Geld und würde heute keines mehr machen.“ Die Psychologin von der Uni Salzburg hat jahrelang Projekte für übergewichtige Kinder und Jugendliche in drei Bundesländern realisiert. „Die Ergebnisse sind alle ähnlich und nicht so erfolgversprechend wie erhofft.“ Besonders auffällig: „Alle Beteiligten werden enttäuscht. Sie haben viel Geld investiert und Mühen auf sich genommen. Manche Eltern nehmen zu den Bewegungsprogrammen Anfahrtszeiten von einer Stunde in Kauf.“ Ihre Realität: „Auch bei vollem Engagement schafft es ein adipöser Jugendlicher maximal in die nächst-niedrige Adipositas-Gruppe.“

Dem widerspricht Gabriele Gundacker, die in Wien die Jugendgruppe des Projekts „rundum g’sund“ leitete. „Wenn man schwer adipös mit normalgewichtig vergleicht, sind die Erfolge sicher enden wollend.“ Ebenso passiere aber viel Positives, das nicht in Zahlen zu fassen sei – etwa ein positiverer Selbstwert. „Es geht zudem um ein gesundes Körpergefühl. Ein übergewichtiges Kind, das sich bewegt, ist gesünder als ein untergewichtiges ohne Bewegung.“

Wenn der Traum vom Schlanksein mit solchen Programmen nicht auf Anhieb gelingt: „Wir müssen diesen Kindern und ihren Familien jetzt etwas anbieten. Ihnen bringt es nichts, wenn Gesellschaft und Politik in 20 Jahren etwas verändern.“