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Die Wissenschaft hinter "The Big Bang Theory"

Sheldon Cooper, der große dünne Jungphysiker, spielt sich oberlehrerhaft auf: "Ich bin effektiv eines der Heisenbergschen Teilchen. Ich weiß zwar wo ich bin oder wie schnell ich mich bewege. Aber ich kann nicht beides wissen." Was er da in einer Szene der TV-Serie "The Big Bang Theory" (Die Urknalltheorie, Anm) von sich gibt, ist kein Hirngespinst, sondern wissenschaftlich fundiert. Nur versteht kaum jemand, was er damit meint.

2007 startete die US-Serie über die vier Wissenschaftler Sheldon, Leonard, Raj und Howard, die auf Comic-Messen gehen und bei geliefertem Essen Videospiele zocken. Und auf der Elite-Universität im kalifornischen Pasadena Karriere machen. Wissenschaftliche Phänomene, über die sie fachsimpeln, werden nicht erklärt. Autor Dave Zobel hat ein Buch zur Serie geschrieben, in dem er Szenen wissenschaftlich aufarbeitet. Er erklärt auch, dass sich Sheldon Cooper mit seiner Bezeichnung als "Heisenbergsches Teilchen" auf die Unschärferelation des berühmten Physikers Werner Heisenberg bezieht: "Er meint, dass es grundsätzliche Beschränkungen gibt, wie genau wir bestimmte Dinge gleichzeitig messen können."

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Dieses Fachwissen schreiben nicht Regisseure, sondern Physiker und Chemiker in die Drehbücher. Zum Beispiel David Saltzberg, Physikprofessor an der University of California in Los Angeles. Er notiert Formeln auf die Tafeln, die die jungen Forscher im WG-Wohnzimmer oder Büro hängen haben. Oder bastelt aus seinem Fundus ein Laborexperiment für eine Szene.

Das macht die Serie authentisch – was besonders von Wissenschaftlern geschätzt wird. Markus Friedl ist einer davon. Der Elektrotechniker am Institut für Hochenergiephysik (HEPHY) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften schaut sie am liebsten im Original, "weil das authentischer ist und nicht alles übersetzt werden kann". Auch einige Kollegen sind Fans, da die Serie ihrem Berufsfeld sehr nahe kommt. Am HEPHY arbeiten Experimentalphysiker, Theoretische Physiker, Ingenieure und Elektrotechniker. Die Produzenten von "The Big Bang Theory" fragten dort sogar an, um ein Plakat zur "Vienna Conference on Instrumentation" als Requisite zu bekommen, erzählt Friedl.

Kein Bildungsfernsehen

Dennoch sieht er die Serie nicht als Bildungsfernsehen, das Fachwissen vermittelt. Formeln im Hintergrund bleiben unkommentiert, obwohl sie interessant wären. Als Wissenschaftler ist er im Vorteil. Oft erlebe er einen Aha-Effekt. Zum Beispiel, wenn die vier Forscher auf einem Dach stehen und einen Laserstrahl zum Mond schießen. Friedl erklärt: "Sie empfangen ein Signal zurück, weil auf dem Mond Reflektoren stehen, die einst von den Apollo-Missionen angebracht wurden. Mit dieser Methode misst man, wie sich die Mondbahn im Laufe der Zeit verändert."

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Markus Friedl forscht seit 1997 am HEPHY und vergleicht sich arbeitstechnisch am ehesten mit Howard Wolowitz, dem Ingenieur: "Ich baue elektronische Schaltungen für Experimentalphysiker. Zuletzt lieferten wir die Elektronik für den LHC-Teilchenbeschleuniger am Europäischen Kernforschungszentrum CERN." Was ihn doch von Howard unterscheidet: "Ich baue keine Toiletten für die Internationale Raumstation und im Gegensatz zu ihm habe ich einen Doktortitel." Er spielt auf die Querelen über Howards akademischen Grad unter den Figuren an.

Es sind diese Eigenschaften und Spleens der Nerds, die den Erfolg der Serie ausmachen. Für Fan Markus Friedl ist ein typischer Nerd, auch Geek (Streber) genannt, jemand, "der völlig auf seine Sache fokussiert ist – etwa im Bereich der Physik oder Technik, kaum Hobbys verfolgt und es schwer hat, mit Frauen in Kontakt zu treten". Das trifft oft auf Männer zu, aber es gibt auch weibliche Nerds. Beispiel aus der Serie: Amy Farrah Fowler. Die Neurobiologin ist das weibliche Pendant zu Sheldon Cooper, mit dem sie in Staffel vier zusammenkommt. Diese Entwicklung stört Friedl: "Früher war die Serie nerdiger, die Wissenschaftler waren auf ihre Arbeit fokussiert. Jetzt driftet sie in Richtung Beziehungskiste ab."Wer lieber wissen will, was die vier Forscher mit einem Cola-Mentos-Experiment bewirken und wie schnell Sheldons Haar wächst, findet im Folgenden Wissenswertes zu einzelnen Szenen.

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Sheldon: „Ich suche einen Friseur, und es läuft mir die Zeit davon. Mein Haar wächst mit der Geschwindigkeit von 4,6 Yoktometern pro Femtosekunde.“ (Staffel 5, Folge 18
„Kuscheln mit dem Gürteltier“)


Yoktometer und Femtosekunde sind keine Wort-Kreationen, die sich Sheldon Cooper ausgedacht hat. Damit ist eine sehr kurze Strecke bzw. sehr kurze Zeitspanne gemeint. Wenn er sagt, sein Haar wächst mit einer Geschwindigkeit von 4,6 Yoktometern pro Femtosekunde, sind das umgerechnet 1,2 Zentimeter pro Monat. Das entspricht dem normalen durchschnittlichen Haarwuchs, schreibt Andreas Arimont im Buch "Big Bang Theory Reloaded".

Eine weitere unter Nerds beliebte Einheit ist "Furlongs per Fortnight". Dave Zobel, Autor von "Die Wissenschaft hinter ‚The Big Bang Theory‘", bezeichnet sie als Blödeleinheit. Es werden absichtlich zwei legitime, aber archaische Maßeinheiten kombiniert: Ein Furlong entspricht einer Achtelmeile, eine Fortnight sind 14 Tage. Womit "eine Furlong pro Fortnight" fast der Geschwindigkeit von einem Zentimeter pro Minute entspricht oder der Wandergeschwindigkeit eines Seesterns.

Penny (sieht zu, wie Leonard eine Olive in einem umgedrehten Glas herumsausen lässt): „Wow, Zentrifugalkraft!“
Leonard: „Eigentlich ist es Zentripetalkraft. Eine nach innen gerichtete Kraft, erzeugt vom Glas,
die auf die Olive wirkt.“ (Staffel 1, Folge 3 „Erregungsfaktor Null“)


Nicht gerade ein spannendes Gespräch, das Leonard und Penny bei ihrem ersten Date führen.Während sie von Zentrifugalkraft spricht, die durch die Trägheit des Körpers verursacht wird, und etwa beim Kettenkarussel zu sehen ist, korrigiert sie Experimentalphysiker Leonard. Aber wo lässt sich die von ihm erwähnte Zentripetalkraft im Alltag beobachten? Autor Dave Zobel weiß die Antwort: Sie wirkt zum Beispiel, wenn das Auto eine Kurve nimmt und den Körper des Insassen mitzieht. Oder man sieht sie im festen Griff zweier Eiskunstläufer, die eine sogenannte „Todesspirale“ vollführen: Dabei wird die Partnerin fast horizontal über dem Eis auf einem Bein gleitend und nur vom ausgestreckten Arm des Partners an der Hand gehalten und um dessen Körperachse gezogen. Alle diese Kurvenbewegungen entstehen, weil etwas, das sich in einer geraden Linie bewegen würde, in eine Kurve gezwungen wird.

Zurück zu Leonards Kunststück mit dem Glas: Die Zentripetalkraft, die durch eine kontinuierliche und genau bemessene Bewegung des Glases entsteht, lässt die Olive darin im Kreis laufen. Sie steigt wegen einer zweiten, vertikalen Kraft hoch, die der Schwerkraft entgegenwirkt. Leonard übt sie aus, indem er das Glas ständig neu neigt, sodass die kreisende Olive leicht aufwärts rollt.

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Leonard: „Wozu die leuchtende Ameisenfarm?“ Sheldon: „Sie machen ihre besten Arbeiten nachts.“ (Staffel 4, Folge 4 „Und jetzt mit Zunge“)


Der theoretische Physiker hat recht: Wenn wir im Bett liegen und schlafen sind Ameisen noch immer wach und fleißig. Ameisenkolonien folgen nicht dem gleichen Tag-/Nachtrhythmus wie menschliche Kolonien. Allerdings verrichten sie dann Arbeiten, bei denen schlechtere Beleuchtung und kühlere Temperaturen nicht hinderlich sind.

Die Idee von Ameisenfarmen auf leuchtendem Sand hat Sheldon nicht erfunden, die gibt es wirklich. Das Leuchten im Sand wird durch Phosphoreszenz verursacht (es verschwindet aber nach 15 Minuten): Als phosphoreszierend bezeichnet man die Fähigkeit, „Licht zu speichern“. Phosphoreszierende Objekte leuchten nach Abschalten der Beleuchtung weiter, etwa Plastiksterne im Kinderzimmer. Phosphoreszenz wird oft mit Fluoreszenz verwechselt. Das ist ist wiederum die Fähigkeit, „mehr von einer gegebenen Farbe abzustrahlen“, als im eintreffenden Licht enthalten ist. Lebewesen mit fluoreszierenden Eigenschaften sind Korallen, Anemonen und Quallen. Sie fluoreszieren in grünen, blauen, gelben und roten Farbtönen – aufgrund spezieller Eiweißstoffe.

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Penny: „Und, was wollen wir heute noch anstellen? Spielen wir Halo, sehen wir uns Battlestar an und werfen wir Mentos in eine Cola?“
Leonard: „Du willst dir Battlestar ansehen?“
Penny: „Ja, wie soll ich sagen, ich habe meinen Geek-Tag, Freunde.“ (Staffel 2, Folge 19 „Der Kampf der Bienenköniginnen“)


Penny hat sich mittlerweile gut an ihre Nerd-Freunde angepasst. Ihr Vorschlag, Mentos und Cola zu mixe gehört in die Kategorie der Do-it-yourself-Experimente, die den Forschern großen Spaß bereiten. Doch dahinter steckt echte Wissenschaft. Bei dem Versuch lässt sich eine physikalische Veränderung beobachten.

So funktioniert’s: Ein paar Mentos (Zuckerl zum Kauen) in eine frisch geöffnete Flasche Cola (oder ein anderes kohlensäurehältiges Erfrischungsgetränk) werfen. Taucht das Mentos in die Flüssigkeit ein, sprüht eine Schaumfontäne aus der Flasche. Im Idealfall ist sie vier Meter hoch. Dieser Effekt entsteht nicht aus einer chemischen Reaktion zwischen Zuckerl und Getränk, sondern aufgrund der physikalischen Veränderung. Kohlendioxid () lässt das Erfrischungsgetränk sprudeln. In einer geschlossenen Flasche schwimmt das Gas in kleinen unsichtbaren Bläschen herum. Wird die Flasche geöffnet, lässt der Druck nach, die Bläschen tun sich zusammen und steigen nach oben. Wirft man ein Mentos hinein, beschleunigt das diesen Prozess enorm. Die raue Oberfläche der Mentos, mit ihren winzigen Löchern und Kratern, zieht die Kohlensäure aus dem Getränk. Die Blasen steigen schnell nach oben und reißen teilweise alles an Flüssigkeit mit sich, manchmal sogar den halben Inhalt der Flasche.

Dass dieser Effekt nicht wegen der Vermengung der Zutaten passiert, zeigt ein weiteres, ähnliches Experiment: Schüttet man das Cola erst in eine leere Flasche und gibt dann die Mentos dazu, ist der Effekt wesentlich kleiner. Warum? Beim Umgießen entweicht schon ein großer Teil der Kohlensäure und zischt in die Atmosphäre. Fällt das erste Mentos in die Flasche, ist nicht mehr genug Kohlensäure da, um ein größeres Spektakel auszulösen.