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Die E-Zigarette ist in aller Munde

Der Sozialmediziner Ernest Groman lächelt, leicht bitter. Dann zeigt er eine App auf seinem Mobiltelefon, die er nur zu Demonstrationszwecken, nicht für den eigenen Bedarf aus dem Internet gratis heruntergeladen hat. Dort ist genau beschrieben, wie man sich seine Elektrozigarette selbst bauen und wie man sich seine Dampfinhalte zusammenpantschen kann.

"Die haben uns einfach überrollt", sagt der Arzt. Und erinnert sich an erste Gespräche mit Firmenvertretern vor drei Jahren. Damals ging es noch um die Frage, ob die in China entwickelten Elektrozigaretten als Genussmittel oder als Medikament zu bewerten wären.

Heute völlig egal. Längst gibt es den Tschick-Ersatz bunt verpackt sowohl in der Apotheke als auch in der Trafik, im 1-€-Shop ums Eck, im Internethandel sowie bei diversen Bastlern und Szenefreaks (Startersets kosten zwischen 20 und 70 €). Der Arzt resigniert: "Es hat sich eine gewisse Cowboy-Mentalität durchgesetzt. Es gibt inzwischen genug Leute, die sich ihr Liquid selbst mixen."

Die Königsfrage

Auf die Frage, was er als Sozialmediziner von der Elektrozigarette hält, ist er vorbereitet. Er hat in den vergangenen zwanzig Jahren gut 5000 Raucher beraten und über seine Erfahrungen anlässlich des heutigen Weltnichtrauchertages ein Ratgeberbuch präsentiert ("Rauchfrei in 5 Wochen", ist im Springer-Verlag erschienen). "Das Interesse an diesem Thema ist groß."

Die Elektrozigarette ist in aller Munde. Millionen von Süchtigen in Europa sehen im Dampfen eine seriöse Alternative zum Rauchen. Das Marktpotenzial ist riesig und hat bereits die Tabakkonzerne auf den Plan gerufen. Immerhin: In Österreich zündet sich laut Umfragen immer noch jeder Dritte eine herkömmliche Zigarette an.

Als Arzt darf Ernest Groman nicht zur E-Zigarette raten, selbst dann nicht, wenn sie kein Nikotin enthält: "Für mich bleibt eine Pistole immer eine Pistole." Dennoch macht er kein Hehl daraus, dass ihm das Inhalieren von Propylenglykol (sorgt unter anderem für den Nebel in den Diskotheken) plus diversen Aromastoffen weniger Sorge bereitet als das Inhalieren von verbranntem Tabak samt etlichen Giftstoffen.

Kein Freibrief

Doch Obacht! Einen Freibrief will er den Fans des Dampfens keineswegs erteilen: "Es ist bedenklich, dass es noch immer keine Standardisierung gibt." Jeder Kaugummi-Produzent wird vom Gesetzgeber verpflichtet, auf der Verpackung anzugeben, was im Gummi drinnen ist. Nicht so streng sind die Auflagen für Hersteller und Importeure von E-Zigaretten. Ernest Groman sarkastisch: "Dabei bekommt man ihren Dampf nicht nur in die Mundhöhle, sondern auch in die Lunge." Vorsicht scheint jedenfalls angebracht. Laut Bericht der New York Times wurde nachgewiesen, dass sich auch bei einer ganzen Reihe von populären Elektrozigaretten geringe Dosen von krebsauslösenden Stoffen bilden können. In anderen Dampfmischungen war Glykol, bekannt als Frostschutzmittel, enthalten. Zuletzt konnte man im deutschen Fraunhofer-Institut in den getesteten Elektrozigaretten kein Formaldehyd nachweisen. Im Gegensatz zu anderen Untersuchungen. So oder so, Langzeitwirkungen bleiben bis auf Weiteres ungeklärt.

Apropos Nichtraucher

Wer es mit dem Aufhören ernst meint, so wie zuletzt einige KURIER-Redakteure, dem spricht der Sozialmediziner Ernest Groman Mut zu: "Sie können es in fünf Wochen schaffen, auch ganz ohne Elektrozigarette."www.wgkk.atAlle Angebote der WienerGebietskrankenkasse zumWeltnichtrauchertag

2844 Zigaretten hab ich NICHT geraucht. Seit 3 Monaten, 9 Tagen, 18 Stunden und 24 Minuten. 672 Euro hab ich in dieser Zeit NICHT für Tschick ausgegeben. Das sagt mir genau jetzt meine App „Grüne Lungen“.

Nichtraucher-Seminar

Schauspieler Manuel Rubey gab mir diesen App-Tipp. Damals hatte er mit sämtlichen Tricks und psychologischer Unterstützung gerade zwei Monate ohne Zigarette geschafft. Während ich kettenrauchend die Tage bis zu meinem Rauchfrei-Seminar zählte. „Kauf dir jeden Tag eine andere Zigarettenmarke, nur nicht die, die du immer rauchst“, empfahl Rubey.
„Das Geld, das du dir nach ein paar Monaten erspart hast, gib für einen Blödsinn aus, den du dir sonst nicht leisten würdest.“ Neugierig, was ich mir als Belohnung gegönnt habe? Eigentlich gar keinen Blödsinn: Eine VIP-Karte um 490 Euro für das Rolling-Stones-Konzert am 16. Juni. Und ich schwöre, die Karte herzuschenken, sollte ich bis dahin umfallen.

Standfest bleiben

Ich falle nicht um. Ich zähle zu jenen 50 Prozent, die nach dem eintägigen PDM-Rauchfrei-Seminar nicht mehr zur Zigarette greifen. Bei dieser Methode muss man einen Tag lang nur zuhören. Keine negativen Botschaften (schwarze Lunge, Krebs und Sterbestatistiken), sondern positive Gedanken werden vermittelt. Dazwischen werden diese Wohlfühlgedanken in einer Art Meditation manifestiert. Und in jeder Pause MUSS man rauchen. Bis zur letzten Zigarette, die am Ende des Seminars zelebriert wird und eigentlich gar nicht mehr schmeckt. Ein Symbol, das man sich auf die Hand malt und täglich 15 Minuten Mentaltraining unterstützen das Durchhaltevermögen.
Nach einem feinen Essen juckt’s mich noch manchmal. Das Gefühl der unendlichen Freiheit überwiegt – noch. Auf den Flughäfen muss ich nicht krampfhaft die verrauchten Giftkammerln suchen, die Husterei bis zum Erstickungsanfall ist vorbei und beim Sport geht mir nicht mehr die Luft aus.

Fazit: Die Lust auf einen tiefen Lungenzug wird wohl nie vergehen. Sag mir, Rauchen ist gesund, und ich fange morgen wieder an. Ich bin eine nichtrauchende Raucherin.

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