Wissen/Gesundheit/Gesund

Diabetes: Das besondere Risiko der Frauen

Univ.-Prof. Alexandra Kautzky-Willer ist Diabetologin und Professorin für Gender-Medizin an der MedUni Wien / AKH Wien sowie künftige Präsidentin der Österreichischen Diabetes-Gesellschaft.

Alle Inhalte anzeigen

KURIER: "Frauen und Diabetes" ist heuer das Motto des Weltdiabetestages (14.11.) Was ist bei Frauen mit Diabetes anders?

Alexandra Kautzky-Willer: Das weibliche Sexualhormon Östrogen ist ein Schutzfaktor. Männer bekommen durchschnittlich in jüngeren Jahren und mit weniger Übergewicht Typ-2-Diabetes als Frauen, aber ihr Risiko steigt nach der Menopause deutlich an. Bei Frauen führen psychosozialer Stress, mangelnde Entscheidungsfreiheit, Arbeitsdruck oder Schlafmangel häufiger zu Diabetes als bei Männern. Besonders gefährdet sind Alleinerzieherinnen und Migrantinnen.

Bei Typ-2-Diabetikerinnen ist das Herzinfarkt-Risiko um 40 % höher als bei Männern mit Diabetes. Ihre Wahrscheinlichkeit, an einer Herzgefäßkrankheit zu sterben, ist bis zum Zehnfachen erhöht, auch Nierenprobleme sind häufiger. Frauen mit Diabetes leiden auch öfter als Männer an Depressionen und Angst.

Bei Typ-1-Diabetes sind aber vor der Pubertät Mädchen häufiger betroffen als Burschen. Besonders junge Frauen mit Typ-1-Diabetes sind oft zu stark auf die Ernährung fokussiert und vernachlässigen den Bewegungsaspekt – Essstörungen sind oft die Folge. Gerade junge Frauen lassen auch oft zur Gewichtsabnahme Insulinverabreichungen aus, was gefährliche Folgen haben kann.

Weltweit leben 200 Millionen Frauen mit Diabetes, zwei von fünf sind unter 50 Jahre alt.

Wie wirkt sich der niedrigere Östrogenspiegel nach der Menopause aus?

Die Insulinsensitivität der Zellen (Empfindlichkeit gegenüber Insulin) sinkt, das erschwert die Zuckeraufnahme aus dem Blut. Gleichzeitig geht die Funktion der insulinproduzierenden Beta-Zellen der Bauchspeichel- drüse zurück. Der Blutdruck der Frauen ist höher als vor dem Wechsel. Durch gesunden Lebensstil mit Gewichtsabnahme und mehr Bewegung können bis zu 70 Prozent der Typ-2-Diabetes-Fälle vermieden werden.

Sprechen Frauen anders auf Medikamente an?

Mittel zur Senkung der Blutfette und des Blutdrucks beispielsweise haben bei Frauen deutlich mehr Nebenwirkungen als bei Männern. Diabetespräparate aus der Gruppe der Glitazone erhöhen bei Frauen nach der Menopause das Risiko von Knochenbrüchen. Pilzinfektionen im Intimbereich, Harnwegsinfekte treten bei Diabetikerinnen generell häufiger auf. Spezielle Medikamente – SGLT2-Hemmer – begünstigen das zusätzlich.

Wie häufig ist Schwangerschaftsdiabetes?

Er betrifft zirka zehn Prozent aller Schwangeren. Zwar kommt es bei jeder Schwangeren ab der 20. Woche zu einer physiologischen Insulinresistenz (die Zellen sprechen schlechter auf Insulin an).Frauen mit gesundem Stoffwechsel können das aber mit einer Steigerung der Insulinausschüttung ausgleichen. Alle Schwangeren, unabhängig von Alter und Gewicht, sollten zwischen der 24. und 28. Woche den Glukosetoleranztest durchführen.

Univ.-Prof. Kautzky-Willer am Telefon (01/526 57 60): Mittwoch, 14.11., 10 bis 11 Uhr.

eMail: gesundheitscoach@kurier.at