Revolution: Zucker ohne Fingerstich messen
Von Ernst Mauritz
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1800 Stiche pro Jahr: Das ist die jährliche Mindestmenge an Fingerstichen bei einem Diabetiker, der eine Insulintherapie benötigt. Die Blutzuckermessung ist notwendig, um die Insulinmenge an die Zuckerwerte anzupassen und gefährliche Entgleisungen – wie eine Unterzuckerung – zu verhindern. In Zukunft könnte es zumindest für einen Teil der Diabetiker eine Blutzuckermessung ohne Stich geben.
Der US-Konzern Abbott präsentierte Montag am Rande des Europäischen Diabeteskongresses in Wien ein neues System: Der Patient hat am Oberarm einen selbst klebenden Sensor in der Größe einer Zwei-Euro-Münze. Mit einer fünf Millimeter langen und nur 0,4 Millimeter dünnen Faser – die beim Aufbringen weitgehend schmerzlos in das Unterhautgewebe eindringt – wird über die Gewebsflüssigkeit kontinuierlich der Zuckerwert gemessen. Ohne sich ausziehen zu müssen, kann der Patient mit einem kleinen Lesegerät über den Sensor fahren und sofort den aktuellen Blutzuckerwert ablesen. Gleichzeitig zeigt das Lesegerät ein Profil der vergangenen acht Stunden an – und den Trend, also ob die Werte (stark) steigen oder (stark) fallen.
"Das klingt sehr vielversprechend", sagt der Diabetologe Univ.-Prof. Bernhard Ludvik. Bisherige Systeme, die eine kontinuierliche Blutzuckermessung ermöglichen, benötigen zusätzliche Stiche in die Fingerkuppe, um das System immer wieder nachzueichen. "Es wäre eine Revolution, wenn das jetzt nicht mehr notwendig ist."
"Das ist ein großer Fortschritt", sagt auch Peter P. Hopfinger, Plattform Diabetes Austria" (www.diabetes-austria.com). "Ich selbst habe in den vergangenen 20 Jahren 84.000 Fingerkuppenstiche durchgeführt. Wenn ich in Zukunft mit einem Stich alle 14 Tage auskomme, wäre das unglaublich." Wie stark z. B. Unterzuckerungen tatsächlich vermieden werden können, sollen Studien mit Typ-1- und Typ-2-Diabetikern zeigen. Der genaue Zeitpunkt der Markteinführung in Österreich steht derzeit noch nicht fest. Auch über die Kosten gibt es noch keine Angaben. Bisherige Systeme werden von den Kassen in der Regel nur für einen begrenzten Zeitraum bezahlt.