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Ein Blick in das Spital der Zukunft

Marius Wick zeigt auf medizinische Geräte, die mit einer Folie abgedeckt sind. „Obwohl unsere Abteilung als eine der ersten in das neue Karolinska übersiedeln wird, wird auch hier noch in neue Ausstattung investiert.“ Der Innsbrucker Radiologe arbeitet seit September in der Abteilung Akutröntgen im Karolinska-Spital in Solna, bei Stockholm. Wenige Gehminuten entfernt sieht man den Rohbau eines Spitalskomplexes mit einer Glasfassade. Das „Nya Karolinska Solna“ soll 2016 die ersten Patienten aufnehmen. Es soll Schweden wieder an die Spitze der Elitespitäler führen. Gleichzeitig muss die Gesundheitsversorgung in der Region neu organisiert werden. Erland Löfberg arbeitete viele Jahre als Nierenspezialist im Karolinska und ist heute an der Planung von Stockholms zukünftiger Gesundheitsversorgung beteiligt. „Unser Ziel ist, dass die Menschen weniger Zeit im Spital verbringen. Das neue Karolinska wird ein hochspezialisiertes Krankenhaus nur für komplexe Fälle – und dort gilt: Der Patient kommt zuerst.“ Die Basisversorgung müssen künftig die anderen Spitäler, Gesundheitszentren, niedergelassene Ärzte und Pflegedienste übernehmen. „Die lokalen Spitäler müssen in Zukunft verstärkt zusammenarbeiten.“

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Elin Bucher ist seit vier Jahren Krankenschwester in der Notaufnahme des Karolinska. Heute sitzt sie am Empfang. Ihre Aufgabe ist es, gemeinsam mit einem Pfleger innerhalb von zehn Minuten ab Eintreffen der Patienten die Schwerkranken herauszufiltern. „Diese müssen sofort von einem Arzt behandelt werden.“ Sie erhebt die Symptome, misst den Blutdruck, kontrolliert die Temperatur und nimmt Blut ab. Diese rasche Selektion der kritischen Fälle ändert aber nichts an den langen Wartezeiten für jene mit weniger akuten Beschwerden. „Viele kommen direkt her, weil sie darauf bestehen, von einem Spezialisten behandelt zu werden“, sagt Bucher. Dabei gebe es in Schweden ein großes Angebot an regionalen Gesundheitszentren sowie öffentlichen und privaten Hausarztpraxen. Die Zukunft der Gesundheitsversorgung heißt „weniger Spital“, die Behandlung soll verstärkt nach einer definierten Versorgungskette erfolgen.

Vision für Österreich

„Dieses Konzept wird auch in Österreich wichtiger werden. Spitzenmedizin kann mit einer kostengünstigen, patientenzentrierten Versorgung kombiniert werden“, sagt Gregor Wick von der Beratungsfirma Arthur D. Little, die auch das neue Karolinska begleitet hat. Wo es möglich ist, sollen Patienten in Schweden zuhause oder im niedergelassenen Bereich betreut werden. Erste Anlaufstelle sind der Hausarzt und Gesundheitszentren mit Ärzten verschiedener Fachrichtungen und Krankenschwestern. Patienten, die z. B. nach einer Operation bettlägrig sind, werden von geschulten Krankenschwestern betreut. Diese haben weit mehr Kompetenzen als in Österreich. Sie können z.B. Katheter legen oder Zugänge für Infusionen eigenverantwortlich setzen. Dafür ist jedoch eine dreijährige Hochschulausbildung Voraussetzung.

Alles fließt

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Ein Stichwort der Gesundheitsversorgung ist der schwedische Begriff „Flöde“ – „der Fluss“: Alles muss fließen, damit Patienten nicht lange warten und rasch im System weitergeschleust werden. „Dafür haben wir wöchentlich Besprechungen. Es wird viel Wert auf Zusammenarbeit gelegt, es gibt keine Grabenkämpfe“, sagt Radiologe Marius Wick. Als Funktionsoberarzt hat er auch administrative Aufgaben. „Niemand kommt ohne Überweisung. Ein Arzt, der eine Zuweisung ausstellt, muss bei mir eine Untersuchung anmelden. Dabei achte ich darauf, wie akut ein Fall ist und welche Untersuchungen benötigt werden.“ Davon hänge ab, wie lange der Patient warten muss. „Ärzte müssen in Zukunft umdenken“, sagt Per Båtelson, Präsident des Karolinska. „Sie müssen mehr als Manager arbeiten. Krankenschwestern müssen flexibler sein und zwischen verschiedenen Spitälern wechseln. Gleichzeitig wird ihre Rolle gestärkt: Sie sollen noch mehr Funktionen der Ärzte übernehmen.“ Dazu werden aber auch mehr Hilfsschwestern für Routinearbeiten notwendig sein. „Und insgesamt wird Teamarbeit viel wichtiger sein als heute.“

Organisation:

Schwedens Gesundheitssystem ist staatlich organisiert und finanziert sich aus Steuern. Es ist in drei politische und administrative Ebenen gegliedert: Die Regierung, die Räte der Landkreise und die Gemeinden. Alle Gesundheitszentren und Krankenhäuser gehören den Landkreisen und werden oft von privaten Anbietern wie Gesundheitskonzernen oder einer Gruppe von Medizinern betrieben.

Qualitätssicherung:

Die Ergebnisse medizinischer Maßnahmen in den Bereichen Hüfte, Herz, Schlaganfall, Schulter, HNO, grauer Star und Fußgelenke werden seit Jahren in Qualitätsregistern dokumentiert. Die Daten dienen zur Verbes- serung der Betreuung von Patienten und sind im Internet einsehbar. Bei schlechten Ergebnissen sollen künftig die Krankenhausbetreiber finanzielle Rückerstattungen leisten.