Cannabis in der Medizin: Eine Mehrheit ist dafür
Von Ernst Mauritz
Gisela Bors leidet seit 20 Jahren an der Erbkrankheit Morbus Wilson („Kupferspeicherkrankheit“) – durch einen genetischen Defekt sammelt sich Kupfer im Körper an. Starke Schmerzen waren die Folge. „Das Cannabis-Präparat Dronabinol (Tropfen mit dem Wirkstoff THC, Anm.) hilft mir, den Schmerz im Hintergrund zu halten. Ich kann mich bewegen und liege nicht mehr nur im Bett.“
Peter Kolba, langjähriger Chefjurist des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) und Nationalratskandidat für die Liste Pilz, nimmt das Präparat ebenfalls, seit drei Jahren. Er leidet an Polyneuropathie (Nervenschmerz): „Es ist kein Wundermittel, aber man bekommt ein distanzierteres Verhältnis zu seinen Schmerzen.“ Kolba fordert, dass die Kassen generell die Therapiekosten von mehreren 100 Euro pro Monat übernehmen (derzeit nur bei einem Teil der Patienten der Fall) und die Chefarztpflicht fällt.
Nur zwei Wirkstoffe
Für Patienten wie Bors und Kolba gibt es derzeit nur Präparate, die ein oder zwei Cannabis-Wirkstoffe enthalten. Mehrere Mediziner treten aber dafür ein, dass auch die getrockneten Cannabisblüten mit allen Wirkstoffen unter bestimmten Voraussetzungen freigegeben werden – ähnlich wie in Deutschland.
Eine Dienstag präsentierte Umfrage des Meinungsforschers Peter Hajek (siehe untenstehende Grafik) unter 1000 Personen hat jetzt gezeigt: Die Bevölkerung ist über Cannabis in der Medizin überraschend gut informiert. Allerdings haben nur vier Prozent schon einmal Informationen über medizinisches Cannabis von einem Arzt oder Apotheker erhalten. Und: „Bei spontanen Assoziationen zum Thema Hanf überwiegen die Positivnennungen deutlich.“
Die Mehrheit befürwortete es auch, dass medizinisches Cannabis unter ärztlicher Verschreibung und Anwendung erhältlich sein sollte. Eine generelle Legalisierung wird jedoch eindeutig abgelehnt.
„Das natürliche Cannabis mit allen Inhaltsstoffen wirkt einfach besser“, sagt der Wiener Arzt Kurt Blaas, der sich seit 20 Jahren mit der Hanfmedizin befasst. Aus medizinischer Sicht sei er für das Verdampfen und Inhalieren der erhitzten Inhaltsstoffe: „Das hat nichts mit Rauchen zu tun.“
Kein Cannabis-Toter
„Es gibt in Österreich jährlich 8000 direkte Alkohol- und 1800 direkte Tabaktote. Aber weltweit ist kein einziger Toter durch natürliches Cannabis bekannt“, sagt der Psychiater Univ.-Prof. Otto Lesch, Präsident der Österr. Gesellschaft für Suchtmedizin. Zigaretten und Alkohol seien die Einstiegsdroge, Cannabis die Folge.
„Wenn man Cannabis in der Therapie einsetzt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es ein Jugendlicher nehmen will, gleich null.“ Er ist für den medizinischen Einsatz, die generelle Legalisierung lehnt er ab. Kritikern, die vor einer Verharmlosung von Cannabis und negativen Folgen wie schwerwiegenden psychischen Störungen warnen, widerspricht Lesch: Im medizinischen Gebrauch und bei entsprechender Dosierung kämen praktisch keine Psychosen vor. Und warum sind die Diskussionen überhaupt so heftig? Die Erklärung von Blaas: „Cannabis ist auch ein Gefühl.“