Rettung für versunkene Schätze im Mittelmeer
13 Jahre als Unterwasserarchäologe haben Peter Campbell eines gelehrt: „Ich habe an keiner Fundstätte gearbeitet, von der nicht Stücke verschwunden wären. Sogar sehr tief im Meer liegende Orte sind betroffen“. Irgendwann dachte der Forscher: Warum nicht den Dieben zuvorkommen. „Ich habe mit Schwammtauchern geredet und sie haben mir von einer Insel erzählt, vor der viele Schiff-Wracks im Meer liegen.“ Während Jahren des Tauchens und Fischens hatte die Männer Dutzende von Gebieten entdeckt, auf denen der Meeresboden mit alten Tongefäßen übersät war – die korallenverkrusteten Ladungen von Schiffen, die vor langer Zeit auf See verloren gegangen waren.
Wenig später war der britische Archäologe auf dem Weg zum abgelegenen Fourni-Archipel, einer kleinen Inselgruppe zwischen Samos und Ikaria in der östlichen Ägäis. „Ich hatte erwartet, drei oder vier Wracks zu finden. In nur zehn Tauchtagen stießen wir auf 22“, erzählt er. Knapp ein Jahr später kehrte Campbell mit einem Team von 25 Tauchern, Archäologen und Artefakt-Restauratoren nach Fourni zurück. Innerhalb von 22 Tagen fanden sie 23 weitere Schiffswracks. „Bis heute hat sich die Zahl auf 53 erhöht, verteilt auf nur 17 Quadratmeilen (das entspricht etwa 44 km², knapp die Fläche des Attersees). Das ist die größte Konzentration von gesunkenen antiken Schiffen“.
Die Schiffe umfassen mehr als 2000 Jahre Seefahrtsgeschichte. Das älteste Wrack stammt aus der Zeit um 525 v. Chr., während das jüngste im frühen 19. Jahrhundert unterging. Sie waren mit Kochtöpfen, Amphoren, Tellern, Schüsseln und Vorratsgläsern beladen und können Wissenschaftler viel über das Leben unserer Vorfahren erzählen.
Doch Campbell weiß, wie sehr die Unterwasserkulturgüter bedroht sind. „Wir leben in dieser globalisierten Welt, mehr Menschen haben Geld, um Tauchen zu gehen und den Meeresboden nach Dingen abzusuchen. Unglücklicherweise verschwindet dadurch unser kulturelles Erbe“, beklagt der Archäologe von der Uni Southampton im KURIER-Interview. „Die Leute schlagen Profit aus Dingen, die ihnen nicht gehören. Sie nehmen Dinge aus Schiffwracks, die gleichzeitig archäologische Stätten sind.“
Jagd auf Kunsträuber
Campbell selbst verfolgt – wenn nötig – das Treiben von Kunsträubern vom Nahen Osten bis auf den Kunstmarkt in den USA und arbeitet dabei eng mit der Polizei zusammen. „Wir müssen Bewusstsein schaffen und für Einheimische andere Möglichkeiten schaffen, damit sie nicht mehr nach Artefakten tauchen.“ Das war über Jahrhunderte durchaus üblich: Fourni war lange Zeit als Piratenversteck bekannt. Fast jedes Haus, Geschäft und Restaurant dort hat irgendwo in einem seiner Zimmer eine Amphore ausgestellt. Die Fischer haben sie in ihren Netzen gefangen. „Es ist unmöglich, das nicht zu tun“, sagen sie.
Konflikte zwischen Fischern und Archäologen sind also programmiert. Sobald eine Unterwasser-Stätte entdeckt wird, verbietet die griechische Regierung heute in der Regel dort das Fischen. In der jüngsten Vergangenheit konnten große Teile des Meeres zu geschützten Gewässern erklärt werden, wodurch die Lebensgrundlage der einheimischen Fischer ruiniert wurde.
Peter Campbell findet den Schutz unerlässlich: „Das Meer ist wichtig, um unsere Vergangenheit zu verstehen. Es ist das größte Archiv. Die Dinge da unten erzählen die Geschichte des Menschen auf der Erde. Denn der Meeresspiegel lag früher 100 Meter tiefer. Denken Sie nur an die Geschichte des Alten Rom oder Alexandria – da liegen viele Stätten unter Wasser. Die müssen wir schützen, auch weil sie unglaubliche Ökosysteme mit ganz eigenen Arten sind.“
INFO Am 14. Juni wird Peter Campbell im Rahmen der ICOM Palmyra-Gespräch über “Versunkenes Kulturerbe – neueste Erkenntnisse der Unterwasser-Archäologie im Mittelmeer“ sprechen: Kunsthistorisches Museum Wien (KHM), 18:00.
Museum zeigt aus illegalem Handel gerettete Objekte
Wer zum Vortrag von Peter Campbell kommt, hat die Gelegenheit, gerettete Raubkunst zu besichtigen. Eine Wanderausstellung der Carabinieri (Recovered Treasures, KHM, bis 8. Juli ) beleuchtet den illegalen Antiquitätenmarkt, erzählt Georg Platter. Diese Idee hat der Direktor der Antikensammlung des KHM gerne aufgegriffen, will er doch Bewusstsein für das Thema schaffen. „Man weiß, dass in IS-Lagern wissenschaftliche Publikationen aufliegen, damit die Terroristen wissen, was sie mitnehmen müssen,“ erzählt er. Die Carabinieri-Dienststelle zum Schutz des Kulturerbes ist international eine Speerspitze in dieser Angelegenheit. Mittlerweile hat sie in Rom ein riesiges Lager mit beschlagnahmten Kulturgütern, die zunehmend als Wanderausstellungen der Öffentlichkeit präsentiert werden. Wie jetzt in Wien.