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Auf den Spuren der Schrittmacherin

Die spitzen Kieselsteine auf dem Gartenweg bohren sich wie dünne Nadeln in das Fußbett, der Gang durch die Wiese daneben bietet Entspannung. Was auch auffällt: Dass der Asphalt noch immer so heiß ist wie an den Sommertagen unserer Kindheit.

Nicola Werdenigg-Spieß lässt die Teilnehmer ihres Workshops gleich zu Beginn barfuß gehen. Um das Gehen, um die Füße zu spüren. Dazu sagt sie Sätze wie: "Auf jedem Weg, den du gehst, findest du genügend Möglichkeiten zum Spielen mit der Bewegung." Recht hat sie. Wie hieß es doch zu jener Zeit in der Werbung, als man die ehemalige Skirennläuferin noch öfters im Fernsehen gesehen hat: "Tuat narrisch guad - fia d' Fiaß!"

Kriegsfuß

Werdenigg-Spieß steht schon seit Jahren mit der Sportartikelindustrie auf Kriegsfuß. Sie hat ihren Ski-Schülern früh das Carven ohne Stöcke gepredigt. Jetzt geht sie noch ein Stück weiter: "Haut endlich eure Nordic-Walking-Stöcke weg! Und die Laufschuhe! Und die teuren Fitnessclub-Mitgliedskarten! Und macht einfach nur das, was Spaß macht und sich gut anfühlt."
"Wir haben verlernt, uns angemessen zu bewegen", sagt Werdenigg-Spieß, die Schwester vom Zillertaler Abfahrtsspezialisten Uli Spieß, bei ihrem Ausgangs-Seminar an der oberen Alten Donau. Die einen könnten vor lauter Sitzen nicht mehr ihren Kopf balancieren, die anderen vor lauter Muskeln nicht mehr gerade gehen.

Den goldenen Mittelweg fänden nur wenige. Weil über das Gehen nicht lange nachgedacht wird. Das permanente Wechselspiel der Füße, das den Körper erst aus der Balance und dann wieder in die Balance bringt, lernt man als Kind. Und dann macht sich keiner mehr darüber Gedanken. Geht ja eh. Dabei schleichen sich da und dort Störungen des Gangbilds ein, meist unbemerkt, dafür umso nachhaltiger. Doziert die engagierte Fußgängerin, die in ihrer Jugend bis zu 200 Tage pro Jahr in schmerzenden Skischuhen stand.

"Gehen geht immer", sagt sie auch. Auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen, auch in der Freizeit. Vor allem im Sommerurlaub. Das Klappern der Nordic-Walking-Stöcke auf dem Asphalt habe dabei durchaus seine Berechtigung. Aber nur dann, wenn die Stöcke kraftvoll wie beim Langlaufen eingesetzt werden. "Ich sehe wenige Leute, die das gut können."

Asymmetrien

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Nicht nur in ihren Workshops beobachtet Werdenigg-Spieß Menschen beim Gehen. Was ihr auffällt: "Viele Asymmetrien. Beim einen sitzt der Kopf schief, der andere hat einen Arm angelegt, beim dritten ist ein Schritt länger als der andere." Das geht auf Dauer auf die Gelenke von Knie und Hüften.
Was an der Donau auch schnell klar wird: Jahrelang gelebte Muster lassen sich nicht an einem Nachmittag verändern. Der Weg zurück, zum aufrechten Gang, erfordert mehr Aufmerksamkeit.

Info: Workshop an der Alten Donau
Leser-Aktion Für KURIER-Leser hält Nicola Werdenigg-Spieß einen Gratis-Geh-Workshop ab: Donnerstag, 25. 8., ab 18 Uhr. Treffpunkt: Wien 21, Parkplatz neben
dem Angelibad, hinter dem Würstelstand "Wilde Hilde".
Anmeldung unbedingt erforderlich, da maximal zwölf Leser teilnehmen können. Telefonisch 0676 / 958 12 37 oder auch über eMail: nicola@kunstpiste.com

Tipps: Vier Schritte zum aufrechten Gang
Der Sportmediziner Univ.-Doz. Christian Gäbler ist Mitbegründer und Leiter der Sportordination Wien. Er gibt den Gehern vier nützliche Tipps mit auf ihren Weg.
- Erster Schritt
Wer schon länger Zeit nicht mehr länger gegangen ist, sollte sich von einem Sportarzt untersuchen lassen. Sicherheit geht vor!
- Zweiter Schritt
Langsam beginnen. Untrainierte sollten am Anfang nicht zu schnell und auch nicht zu weit gehen.
- Dritter Schritt
Wichtig ist die Haltung! Viele fallen beim Gehen ins Hohlkreuz und schädigen damit ihre Wirbelsäule. Wirksame Strategie dagegen: "Aktiv den Bauch ein bisschen einziehen. Dadurch schiebt sich das Becken ein Stück nach vorne." Angenehm der Nebeneffekt: "Auch die Bauchmuskulatur wird gestrafft."
- Vierter Schritt
Mindestens 30 Minuten gehen, mindestens drei Mal die Woche. Wer sich daran hält, kann den Alterungsprozess nachweislich verlangsamen, betont Gäbler.