Auch Männer können an Brustkrebs erkranken
Von Ernst Mauritz
Mai 2011. Robert Glattau aus Purkersdorf, NÖ, damals 54, greift sich nach dem Aufwachen an die rechte Brust – und spürt einen Knoten. "Zuerst habe ich mir nicht viel dabei gedacht, doch in den Tagen danach ist dieser Knoten gewachsen. Dann war die große Frage für mich: Zu welchem Arzt gehe ich?"
In seinem Fall war es der Gynäkologe. Der machte einen Ultraschall, überwies ihn weiter an das Landesklinikum Melk. Dort wurde eine Mammografie gemacht und eine Gewebeprobe entnommen. Diagnose: Brustkrebs.
50 bis 60 Männer sind davon jährlich in Österreich neu betroffen: "Die meisten haben zuvor nicht gewusst, dass es Brustkrebs auch bei Männern gibt – diese Krankheit gilt als reines Frauenleiden."
Glattau will das ändern. Er hat das Selbsthilfe-Netzwerk "Männer mit Brustkrebs – Österreich" gegründet. "Wenn das Image der reinen Frauenkrankheit korrigiert wird, wird es Männern auch leichter fallen, darüber zu reden."
Verschleppt
Im Schnitt dauere es 10 bis 18 Monate, bis Brustkrebs bei Männern diagnostiziert werde – länger als bei Frauen: "Deshalb ist auch die Heilungschance geringer."
Nach Operation, Chemotherapie und Bestrahlung bekommt Glattau derzeit nach wie vor eine "Antihormontherapie": Das Wachstum seines Tumors wurde durch Östrogene, weibliche Sexualhormone, stimuliert. Das ist bei der Mehrzahl der Brustkrebsfälle so. Männer haben einen sehr niedrigen Östrogenspiegel – ähnlich wie Frauen nach dem Wechsel. Mit der Antihormontherapie wird die Östrogenproduktion aber ganz gestoppt.
Glattau: "Das führt bei Männern zu Symptomen, wie sie auch viele Frauen im Wechsel erleben: Hitzewallungen, Libidoverlust." Derzeit werden Männer nach exakt demselben Schema behandelt wie Frauen: "Wir fordern, gerade in diesem Bereich die Forschung voranzutreiben und Studien auch mit Männern durchzuführen. Möglicherweise gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede, die derzeit in der Therapie nicht berücksichtigt werden."
Initiative
"Dieses Netzwerk ist eine wichtige Initiative", sagt Univ.-Prof. Christian Singer, Leiter des Brustgesundheitszentrums der MedUni Wien / AKH Wien. "Wir erleben es immer wieder, dass Männer ganz verschämt in die genetische Beratung kommen." Brustkrebs bei Männern habe nichts mit Verweiblichung zutun: "Die Erkrankung muss entstigmatisiert werden." Zunehmend werden auch Männer in Studien eingebunden: "Auch bei uns am AKH ist das bereits der Fall."
Viele Fälle seien genetisch bedingt: Tritt in einer Familie – wie bei Schauspielerin Angelina Jolie – eine Mutation des BRCA1- oder BRCA2-Gens auf, müssen unbedingt auch Männer auf diese Genveränderung getestet werden, so Singer: "Denn sie haben nicht nur ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs, auch das Risiko für Prostata-, Darm- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs ist höher als in der Gesamtbevölkerung." Bei Männern mit Brustkrebs wird in der Regel das gesamte Brustdrüsengewebe samt Brustwarze entfernt. Am besten sei es, eine Therapie in einem Brustgesundheitszentrum durchzuführen. Männer müssten nicht unbedingt zum Gynäkologen, sagt Singer: "Vielfach sind Chirurgen und Onkologen die Ansprechpartner. Und in den großen Brustzentren erfolgt die Therapie im Team aller Fachdisziplinen."
INFORMATION
Das „Netzwerk Männer mit Brustkrebs – Österreich“ sieht sich als Interessensvertretung für alle Betroffenen und wird von Robert Glattau geleitet. Es ist die einzige derartige Anlaufstelle in Österreich. Kontakt über eMail: r.glattau@brustkrebs-beim-mann.at oder Telefon 0676 / 631 66 33. Infos auch im Web unter www.brustkrebs-beim-mann.at