Diäten gibt es viele - das sind ihre Erfinder
Da soll noch einmal einer behaupten, Diäten seien nicht nachhaltig. Im Fall von William Banting war das ganz anders: 1863 veröffentlichte der britische Bestatter eine angebliche Wunderdiät, die auf dem Verzicht von Kohlenhydraten basierte. Banting hatte die Idee zwar nicht erfunden – sie war schon zuvor in Frankreich propagiert worden – verlor aber 23 Kilo. Seine Schrift "Offener Brief über Korpulenz, an das Gesamte Publikum gerichtet" wurde in mehrere Sprachen übersetzt, löste in Europa eine Diätwelle aus und führte dazu, dass der Name des Diät-Erfinders nachhaltig in die englische Sprache einging: "I am Banting", sagte, wer damals auf Diät war. Im Schwedischen wurde daraus der offizielle Begriff "bantning". Das alles hielt den US-Kardiologen Robert Atkins nicht davon ab, die alte Low-Carb-Idee in den 1970er Jahren als "Diät-Revolution" zu vermarkten.
Alt und einzigartig
Vieles, was die Diät-Industrie als revolutionäre Methode anpreist, ist eindeutig uralt, gibt es Diäten doch seit mindestens 2000 Jahren, weiß die britische Medizinhistorikerin Louise Foxcroft und beschreibt in ihrem Buch Calories & Corsets, was einen Diät-Guru ausmacht: Seine Methode ist stets so einzigartig, dass es nur eine einzig mögliche Bezeichnung für sie gibt – des Gurus Namen. Meist ist er ein Betroffener, der selbst über Jahre gelitten, vergeblich gehungert und sich an anderen Diät-Gurus abgearbeitet hat. Im Idealfall kann der Diät-Erfinder auch noch ein besseres Sex-Leben auf die Waagschale legen.
Das zog schon 1558. Da schrieb der venezianische Kaufmann Luigi Cornaro den wohl ersten Diät-Bestseller. Seine Mischung erlaubter und verbotener Speisen ist austauschbar, die Behauptung des Italieners, durch die Diät seine "Männlichkeit" wiedergewonnen zu haben, fiel aber anscheinend schwer ins Gewicht.
"Diät ist eine Wohlstandserscheinung und historisch eigentlich nicht erklärbar."
Das sagt Karin Kranich. Die Germanistin an der Universität Graz kennt sich als Obfrau des Vereins "Kulinarisches Mittelalter Graz" nicht nur mit alten Genüssen, sondern auch mit dem Gegenteil aus. Dazu besinnt sich die Germanistin einfach auf den eigentlichen Wortsinn von Diät. Das griechische "diata" bedeutet so viel wie Lebensweise, sagt sie und erzählt dann vom Erfinder der Diät, von "Claudius Galenos von Pergamon, einem großen Arzt der Antike": Er nahm die in der Philosophie entwickelte Vier-Elemente-Lehre auf, wonach Feuer, Erde, Luft und Wasser die Grundelemente allen Seins seien. Weiters knüpfte er an die in der hippokratischen Medizin entwickelte Viersäfte-Lehre an: Sie ordnet den vier Körpersäften Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle jeweils die vier Qualitäten warm und feucht, kalt und feucht, warm und trocken und kalt und trocken zu. Krankheit sei für Galen, wie er heute meist genannt wird, eine fehlerhafte Mischung der Säfte gewesen, der man mit Diätologie – da ist es erstmals, das ominöse Wort – begegnen konnte. "Galen war davon überzeugt, es sei notwendig, dass der Mensch im Sinne einer Diätlehre auf sich achtet. Und er glaubte an ein enges Zusammenspiel von Medizin und Kochen", sagt Kranich. "Dahinter steht die Idee, dass der Mensch das für ihn passende Maß finden muss." Das sei ein ganz anderer Diätbegriff, als wir ihn heute verwenden. "Wir wären gut beraten, wenn wir den Begriff wieder in seinem ursprünglichen Sinn verstehen würden", meint sie.
Absurd und nutzlos
Angesichts der Absurditäten, mit denen sich Menschen in der Hoffnung auf eine schlanke Linie quälten, nicht ganz unberechtigt: So entwickelte der schottische Arzt Malcolm Flemyng, der 1760 als erster Übergewicht als Krankheit beschrieb, die originelle Idee, den Körper durch das Trinken von Seifenwasser von innen zu entfetten – eine Methode, die seinen Zeitgenossen bereits fraglich erschien. Trotzdem kamen in den USA um 1900 spezielle Anti-Fett-Seifen auf den Markt – diesmal zur äußeren Anwendung. Sie sollten Fettpölsterchen einfach auflösen.
In Frankreich kam zur selben Zeit die "passive Ergotherapie" in Mode: 100 Stromstöße pro Minute ließen naive Abnehmwillige auf speziellen Liegestühlen zucken und zittern, aber sicher kein Gramm verlieren.
Schon 1844 hatte man es mit "Trainingsgeräten" in Form von mechanischen Pferden versucht. Die Holztiere liefen im Kreis und sollten die Verdauung der "Reiter" beschleunigen. Ein halbes Jahrhundert später setzte der erste amerikanische Abnehm-Salon auf zwei große Rollen, die die Kunden quasi schlankwalzen sollten.
In den 1950-er Jahren bauchte es mehr als plumpe Mechanik und elektrische Entladungen: Die Stunde der persönlichen Masseure brach an. Zu den bekanntesten gehörte "Sylvia of Hollywood", die ihren Klientinnen einredete, dass deren "Fett aus den Poren gequetscht werde, wie Kartoffelbrei aus der Kartoffelpresse".
Modern und gefährlich
Ehe Sie sich jetzt über unsere pummeligen Altvorderen lustig machen: Diät-Gurus stehen auch heute hoch im Kurs. Denken Sie nur an den französische Arzt Pierre Dukan. Der wurde gemeinsam mit Herzogin Kate berühmt, als er Familie Middleton vor ihrer Hochzeit mit Prinz William in Form brachte. Ihre Mutter ernähre sich ausschließlich von Krabben und Hüttenkäse, soll die Tochter einmal über den Speiseplan ihrer Mutter gesagt haben. Daher halten Experten Dukans radikale Rosskur für höchst bedenklich. Ein rapider Gewichtsverlust hält nicht lange, der durch die Diät verursachte Nährstoffmangel dagegen schon. Kein Wunder, dass die British Dietetic Association de Dukan-Diät 2011 zum schlimmsten Promi-Abspeckprogramm wählte. Und die Auswahl ist wahrlich groß genug.
Bekannte und weniger bekannte Diät-Gurus: