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Alzheimer: "Ich bin sehr optimistisch"

Er zählt zu den Menschen weltweit, die den größten Einblick in die Alzheimerforschung haben – Michael Rosenblatt, langjähriger Professor an der Harvard Medical School und heute oberster Mediziner ("Chief Medical Director") des US-Pharmaunternehmens Merck & Co. (in Europa MSD). Und er ist – "trotz aller bisherigen Rückschläge" – zuversichtlich: "Den größten medizinischen Durchbruch in den kommenden fünf bis zehn Jahren könnte es bei der Alzheimer-Erkrankung geben." Rosenblatt nimmt in Wien an einem Kongress mit 2500 Experten aus Industrie, Forschung und Behörden zum Thema "bessere medizinische Versorgung" teil.

KURIER: Was macht Sie in puncto Alzheimer so zuversichtlich?

Mike Rosenblatt:Es gibt Gründe, hoffnungsvoll zu sein. Ich bin sehr optimistisch, dass wir und auch andere Firmen Erfolg haben werden – auch wenn die Liste der Rückschläge der vergangenen drei Jahre eine ganze Seite füllt. Eine These, die als Ursache von Alzheimer diskutiert wird, sind Eiweißablagerungen im Gehirn, sogenannte Beta-Amyloid-Plaques. Wir entwickeln ein Medikament, das ein Enzym blockiert, welches dieses Beta-Amyloid produziert. In Island ist dieses Enzym durch eine genetische Mutation bei vielen Menschen funktionslos – mit unserem Medikament erzielen wir denselben Effekt. Diese Menschen in Island erkranken viel seltener an Alzheimer und leben länger.

Ein solches Medikament könnte Alzheimer heilen?

Nein. Es wäre schon ein Sieg, wenn wir bei Menschen mit Alzheimer im Frühstadium das Fortschreiten der Erkrankung um fünf Jahre hinauszögern könnten – das halte ich für möglich. Damit würde man den Betroffenen und ihren Angehörigen viel Leid ersparen, und den Gesundheitssystemen hohe Kosten.

Wann könnte das Präparat auf den Markt kommen?

Wenn alles funktioniert, in drei bis fünf Jahren. Aber das wird noch eine große Herausforderung. Große Firmen wie unsere machen viele Studien. Aber die Forschung könnte schneller vorangehen, würden die Regierungen mehr Geld für die Grundlagenforschung an den Universitäten ausgeben. Einer von zehn Menschen der Geburtsjahrgänge 1948 bis 1958 wird an Alzheimer erkranken – enorme Kosten für die Gesundheitssysteme werden die Folge sein. Angesichts dieser Entwicklung sind die Forschungsmittel zu gering.

Sind Sie bei den Krebstherapien auch optimistisch?

Ja, sehr. Das ist sicher jener Bereich der Medizin, in dem die Forschung in den vergangenen zehn bis 20 Jahren die größten Fortschritte gemacht hat. Als Medizinstudent habe ich immer von einem Impfstoff gegen Krebs geträumt – heute können wir Gebärmutterhalskrebs mit der HPV-Impfung verhindern. Sehr vielversprechend sind etwa auch neue Moleküle, die dem Immunsystem helfen, Krebszellen als fremd zu erkennen und sie zu attackieren. Dabei wird die Therapie immer präziser auf den einzelnen Patienten abgestimmt: Dass also nur jene mit bestimmten Präparaten behandelt werden, die wirklich davon profitieren.

Studien zeigen, dass viele Menschen die Informationen, die ihnen ihr Arzt gegeben hat, nicht verstanden haben. Und jeder Zweite nimmt seine Medikamente nicht oder nicht richtig.

Es gibt Schätzungen, dass alleine in den USA die mangelhafte Medikamenteneinnahme jährlich Kosten von 300 Milliarden US-Dollar verursacht – weil es aufgrund der fehlenden Therapie zum Beispiel zu Komplikationen und Verschlechterungen kommt und die Patienten im Spital aufgenommen werden müssen. Einerseits liegt das Problem darin, dass die Patienten beim Arzt oft nervös und ängstlich sind. Aber es liegt auch an unserer Medikamenteninformation: Wir haben in einer Studie Testpersonen die Beipacktexte lesen lassen. Ein Drittel hatte große Schwierigkeiten, sie zu verstehen. Durch Änderungen in der Sprache – etwa das Weglassen von Fremdwörtern – konnten wir erreichen, dass mehr als 90 Prozent die Informationen verstanden.

In den Industriestaaten nimmt die Zahl der Menschen mit Übergewicht und Diabetes stark zu. Wird man dieser Entwicklung mit Medikamenten alleine Herr werden?

Nein, sie können nur einen Teil des Problems lösen. Und Verhaltensänderungen sind schwer umzusetzen. Hier zeigen neue Untersuchungen, dass es für die Patienten zu viel ist, wenn ihnen der Arzt sagt, "hören Sie mit dem Rauchen auf, reduzieren Sie Ihr Gewicht, machen Sie mehr Bewegung". Es ist erfolgversprechender, wenn sich der Arzt auf eine – die für den jeweiligen Patienten wichtigste – Botschaft beschränkt: Also zum Beispiel Rauchstopp bei dem einen, Gewichtsabnahme bei einem anderen Patienten.

Wie versuchen Sie sich gesund zu halten?

Mein Ziel ist es, täglich bzw. zumindest vier Mal in der Woche zu joggen. Ich versuche mich gesund zu ernähren mit viel Salat, Joghurt, Vollkornprodukten. Ich rauche nicht und beschränke den Alkoholkonsum auf ein, zwei Gläser am Wochenende und bemühe mich, den Stress zu reduzieren und den Geist zumindest zeitweise vom Job freizubekommen.