Ärzte warnen: "Wir haben einen Diabetes-Tsunami"
Von Ernst Mauritz
Österreichische Diabetes-Experten haben sich jetzt mit einer dramatischen Warnung an die Öffentlichkeit gewandt: "Wir haben einen Diabetes-Tsunami, die Welle rollt mit unglaublicher Kraft", sagte Oberarzt Helmut Brath von der Diabetesambulanz des Gesundheitszentrums Süd der Wiener Gebietskrankenkasse Mittwoch in Wien. Die "Österreichische Diabetes Gesellschaft" - die Fachgesellschaft der auf Diabetes spezialisierten Ärztinnen und Ärzte - präsentierte anlässlich des Weltgesundheitstages der WHO (7.4.) alarmierende Zahlen:
- Rund 600.000 Menschen sind derzeit in Österreich an Diabetes (der größte Teil Diabetes Typ 2, der sogenannte "Altersdiabetes") erkrankt. Bis 2030 wird mit einem Anstieg auf 800.000 gerechnet.
- Weltweit hat sich in den vergangenen 20 Jahren die Zahl der Menschen mit Diabetes verdoppelt. 422 Millionen Menschen sind heute Diabetiker, jeder elfte Erwachsene weltweit. Das sind übrigens mehr Menschen als die USA Einwohner haben. Würden alle Menschen mit Diabetes in einem Staat leben, wäre dieser das drittbevölkerungsreichste Land der Welt.
Starke Wachstumsraten
- Bis 2040 wird ein weltweiter Anstieg um mehr als 50 Prozent erwartet, das wären dann bereis 642 Millionen Betroffene.
- Die jährlichen Wachstumsraten bei den Neuerkrankungen liegen bei vier bis fünf Prozent.
"Wir haben keine Epidemie mehr, wir haben eine Pandemie", so Brath. 2015 starben an den Folgen von Diabetes fünf Millionen Erwachsene, an HIV/AIDS waren es 2013 rund 1,5 Millionen, an Malaria rund 600.000.
"Wenn wir so weitermachen, werden die Diabetiker bald die Mehrzahl der Bevölkerung sein", sagte Brath.
Auch wenig bekannte Risikofaktoren
Die häufigsten Diabetes-Ursachen sind wenig Bewegung und zu energiereiche Ernährung. "Wir haben aufgehört uns zu bewegen und futtern den ganzen Tag Dinge in uns hinein, die wir nicht benötigen", sagt Univ.-Prof. Hermann Toplak von der MedUni Graz, Präsident der Österreichischen Diabetes-Gesellschaft.
Doch daneben gibt es auch weniger bekannte Risikofaktoren:
Rauchen: Begünstigt eine Vorform von Diabetes (Glukoseintoleranz, der Blutzuckerspiegel kann nicht mehr ausreichend reguliert werden). Schon bei Passivrauchern, die selbst keine Zigaretten konsumieren, steigt das Risiko, an Diabetes zu erkranken, um ein Drittel im Vergleich zur Gesamtbevölkerung.
Schlafmangel: Bereits zwei sehr kurze Nächte beeinträchtigen die Blutzuckerregulation.
Keine Kältereize: Babys haben braunes Fettgewebe, um Temperaturschwankungen gut ausgleichen zu können. Gibt es aber keine Kältereize mehr, weil sie durch Heizungen und Klimaanlagen einem gleichbleibenden Temperaturniveau ausgesetzt sind, könnte mehr von diesem "guten" braunen Fettgewebe abgebaut werden. Das aber scheint das Risiko für Übergewicht zu erhöhen.
Mehr Prävention gefordert
Die Weltgesundheitsorganisation fordert jetzt mehr Präventionsmaßnahmen. Auch in Österreich seien mehr Maßnahmen notwendig, betont die Diabetes-Gesellschaft.
"Die medizinische Forschung hat große Verbesserungen für die Betroffenen gebracht", sagt Toplak. Durch gute Therapien können Folgeerkrankungen reduziert und die Lebensqualität deutlich verbessert werden. "Gleichzeitig wird aber der Druck durch Neuerkrankungen und durch die veilen Menschen, die gefährdet sind, immer größer und Diabetes zu einer Herausforderung für die Gesamtgesellschaft.