Abnehmen und Gewicht halten: so gelingt's
Von Ingrid Teufl
KURIER: Frau Amon, Sie sind Sprechtrainerin. Warum schreiben Sie ein Buch übers Essen?
Ingrid Amon: Ich wollte vermitteln, dass da jemand steht, der weiß‚ wovon er redet. Denn ich finde, es ist nicht ehrlich, wenn man 20 Kilo in zehn Wochen abnimmt und glaubt, dann ist alles wunderbar. Die wenigsten sagen konkret, wie es weitergeht. Anlässlich meines 50. Geburtstags fragten mich viele Bekannte, wie ich es schaffe, mein Gewicht seit so langer Zeit zu halten. Da habe ich erst darüber nachgedacht und mir wurde bewusst, dass ich entscheidende Schritte gesetzt habe.
Welche Schritte waren das?Der größte war die Entscheidung, genau hinzuschauen. Denn Essen kann ja niemand sonst für mich. Wenn es um das Gewicht geht, geht es für Übergewichtige immer ans Eingemachte. Es braucht Mut, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Man kann nicht einfach hergehen und seine Ernährung "umstellen". Wenn es mich nicht befriedigt, werde ich keinen langfristigen Erfolg haben.
Also besser gar nicht erst mit einer Diät, bei der ich verzichten muss, beginnen?
Diäten sind fremde Systeme und gut für einen bestimmten Zeitraum. Sie funktionieren meist tadellos, weil wir dabei grundsätzlich weniger Energie zu uns nehmen, als wir normalerweise verbrauchen. Ich finde Diäten gut, die einem gleichzeitig etwas beibringen über das Essverhalten. Bei der Mayr-Kur lernt man zum Beispiel gleichzeitig, richtig zu kauen. Ich habe mir zum Beispiel angewöhnt, die ersten drei Bissen immer so lange zu kauen, bis sie im Mund flüssig geworden sind. Was aber Diäten nie oder fast nie bieten, ist Gewichtsstabilität danach. Nach der Diät stehen wir wieder alleine da. Gewicht halten hat eine andere Zielsetzung.Essen muss ein Ich-System sein – und kein Fremd-System.
Wie gelang Ihnen der Weg zu Ihrem Ich-System?
Am wichtigsten war ein Ess-Tagebuch. Wenn man etwas aufschreibt, wird es immer transparenter. Das sagt heute jeder Motivationstrainer. Ich habe also wochenlang genau aufgeschrieben, was ich gegessen habe. Das hat im Gehirn viele Prozesse ausgelöst. So bin ich jeder Praline, aber auch jeder meiner Ausreden auf die Spur gekommen. Das will ich im Buch ebenso vermitteln: Es sind meistens nicht böse Gene oder die Hormone oder der Stoffwechsel. Manches liegt an einem selbst, das muss man sich auch eingestehen.
Was kommt nach dem Eingeständnis und der Selbstbeobachtung?
Die Erkenntnis, dass das Vorhaben Ernährungsbalance nicht von heute auf morgen geht und der Zeitfaktor dafür wesentlich ist. Die persönliche esstechnische Festplatte zu löschen und neu aufzusetzen, das braucht Zeit. Ich habe ohne Druck in kleinen Schritten gedacht, mir dabei die Latte niedrig gelegt und immer nur kleine Veränderungen probiert. Hat man einen kleinen Schritt bewältigt, ist man motiviert und der nächste fällt leichter. Wenn man jahrelang keinen Bezug zu seinem Körper hatte, muss man auch wieder lernen, was man braucht und wie das Essen schmeckt. Ich wusste ja nicht einmal mehr, was Hunger eigentlich ist. So weit entfernt war ich von meinen Grundbedürfnissen.
Ingrid Amon, geb. 1960, war 20 Jahre lang Moderatorin, Sprecherin und Hörfunkjournalistin beim ORF. Heute arbeitet sie als Sprechtrainerin und Referentin. Ihr Buch „Die Macht der Stimme“ ist ein Bestseller. Mit 23 Jahren wog sie bei 1,60 Meter Körpergröße fast 75 Kilogramm. Zur Hochzeit mit 27 Jahren hungerte sie sich auf 58 Kilogramm herunter.
Lesetipp
„Mein Essbuch“ (Verlag Nymphenburger, (20,60 €) ist ab 26. Juni erhältlich.
Es wird am 5. Juli (11 Uhr) bei einer Matinee in der Buchhandlung Morawa
(Wien 1, Wollzeile 11) präsentiert.