Zoff um "teurere" Leiharbeiter
Von Anita Staudacher
Das hehre Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" sorgt für Zoff in der heimischen Zeitarbeitsbranche: Führende Arbeitskräfteüberlasser fühlen sich gar in ihrer Existenz bedroht und wollen den Branchen-Kollektivvertrag aufkündigen. Die Gewerkschaft hingegen wittert ihre Chance auf ein Zurückdrängen prekärer Beschäftigung und schaltet auf stur.
Grund für das Zerwürfnis der Sozialpartner ist die nationale Umsetzung der EU-Zeitarbeitsrichtlinie. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde vom Sozialministerium soeben verschickt, das neue Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) soll am 1. Juli in Kraft treten. Gemäß der Richtlinie wird darin eine Gleichstellung von Stammbelegschaft und Leihpersonal bei Entlohnung und Arbeitsbedingungen festgeschrieben. Maßgeblich bei der Entlohnung soll nicht wie bisher der jeweilige Kollektivvertrag (KV), sondern der tatsächlich im Betrieb bezahlte Ist-Lohn (also inkl. eventueller KV-Überzahlungen) sein. Weiters sollen Leiharbeitern die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen wie Kantine oder Betriebskindergarten, aber auch Weiterbildungsmöglichkeiten, Bonifikationen sowie Betriebspensionen gesetzlich ermöglicht werden.
ÖGB-Diktat
Die Arbeitgeber wittern hinter dem Gesetzesentwurf die Handschrift des ÖGB und wollen die ihrer Meinung nach weit über die Richtlinie hinausgehenden Regelungen nicht hinnehmen. "Wenn das so kommt, wie es im Gesetz steht, wird es ein massives Problem geben", warnt Gerhard Flenreiss, Sprecher der Personaldienstleister in der Wirtschaftskammer. Die Gleichbezahlung sei durch den bestehenden, eigenen KV für Arbeitskräfteüberlasser ohnehin gesichert, etwa durch die Referenzzuschläge. Die Gleichbehandlung sei "gelebte Praxis". Flenreiss pocht daher auf den KV, der Richtlinienkonform sei.
Alexander Praschek vom Verband Zeitarbeit und Arbeitsvermittlung, dem auch die Branchengrößen Trenkwalder und Manpower angehören, droht sogar mit einer einseitigen Aufkündigung "des in Europa vorbildhaften" KV, um das neue AÜG zu verhindern. Das Gesetz würde Zeitarbeit extrem verteuern und damit für Firmen unattraktiv machen.
Die Arbeitnehmervertreter befürworten das neue Gesetz: "Das ist ganz okay, weil die Gleichbehandlung künftig nicht nur vom Goodwill einer Firma abhängt", begründet Rechtsexperte Andreas Schlitzer von der Gewerkschaft Pro-Ge. Weil in manchen Betrieben der Ist-Lohn niedriger ist als der Überlasser-KV, gibt es auch Nachteile, weshalb die Gewerkschaft nicht grundsätzlich gegen die von den Arbeitgebern gewünschte KV-Lösung ist. Als Preis für eine Sozialpartner-Einigung besteht sie aber auf einen höheren finanziellen Ausgleich für arbeitslose Leiharbeiter sowie einer Einschränkung der Möglichkeit zur einvernehmlichen Kündigung.
AMS-Steuer
Branchenvertreter Flenreiss lehnt eine Erhöhung der Lohnnebenkosten strikt ab. Schon die im Sparpaket beschlossene Auflösungsabgabe von 110 Euro pro Kündigung treffe die Zeitarbeitsbranche massiv. "Das kommt einer Erhöhung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags um 50 Prozent gleich", rechnet Flenreiss vor. Dass die "AMS-Steuer" auch dann gezahlt werden muss, wenn der Leiharbeiter gar nicht zum AMS kommt, sondern zu seinem Beschäftigerbetrieb wechselt, werten viele Personaldienstleister als Gesetzes-Affront.
Mehr neue Jobs und mehr Arbeitslose
Die Leiharbeit steige rasant und verdränge immer mehr Normalarbeitsverhältnisse, wird die Gewerkschaft nicht müde zu warnen. Anders als in großen Industrieländern wie Großbritannien ist die Entwicklung in Österreich aber weit weniger dynamisch – und saisonal stark schwankend. Im Vorjahr waren im Jahresdurchschnitt 74.783 Leiharbeiter beschäftigt, das sind rund 2,3 Prozent aller Arbeitskräfte. Zum Vergleich: In Deutschland sind es knapp drei, in Großbritannien fünf Prozent.
Durch den leichten Konjunkturknick steigt seit Jahresende die Arbeitslosigkeit erstmals seit 2008 wieder deutlich an. Ende Februar waren 31.000 Leiharbeiter beim AMS arbeitslos gemeldet, um 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Aber auch die Zahl der Beschäftigten stieg erneut leicht auf 76.000 an. Einen größeren Jobabbau wie vor vier Jahren erwartet die Branche derzeit nicht: "Die Auftragslage ist stabil", sagt etwa StartPeople-Chef Michael Wottawa, der in Österreich 1800 Leiharbeiter beschäftigt. Der Fachkräftemangel führe auch dazu, dass Kunden bewährtes Leihpersonal vermehrt fix anstellen würden.
Flexible Industrie
Rund ein Drittel der Leiharbeiter arbeitet in der heimischen Industrie, ein weiters Drittel im Gewerbe und das dritte Drittel ist in verschiedenen Bereichen, etwa im Gesundheitswesen, im Tourismus, bei Banken oder in der IT-Branche tätig. Mit 80 Prozent ist der weitaus überwiegende Teil der Leasingkräfte männlich. Ein Viertel der Zeitarbeiter sind Angestellte, drei Viertel Arbeiter. Im Bundesländer-Vergleich liegt das Industrieland Oberösterreich klar vorne, während in Tirol und Burgenland Leiharbeit (noch) kaum verbreitet ist.
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