Neue Steuern kein Tabu: "Österreich hat in EU rote Konjunkturlaterne"
Von Michael Bachner
Die Wirtschaftsforscher von WIFO und IHS haben ihre Konjunkturprognose gegenüber der Juni-Schätzung stark nach unten korrigiert und rechnen nun mit dem zweiten Rezessionsjahr in Folge. Die Schwäche der Industrie, der Exporte und der nicht und nicht anspringende Konsum sind die Gründe dafür. Und auch 2025 fällt die erhoffte Erholung mit einem Wachstum von gerade einmal einem Prozent sehr verhalten aus.
Die Folge ist: Österreich falle im Vergleich zur Eurozone zurück und habe an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Die Sorgen um den Standort seien berechtigt - es gibt auch nur wenige gute Nachrichten, wie etwa eine sinkende Inflation. IHS-Chef Holger Bonin sagt: "Österreich hat in der EU die rote Konjunkturlaterne". "Österreich verharrt im Wachstumsloch", sagt WIFO-Chef Gabriel Felbermayr.
Beide Institute erwarten heuer einen Rückgang der realen Wirtschaftsleistung von 0,6 Prozent, bei der Sommerprognose war noch mit 0,0 bzw. +0,3 Prozent gerechnet worden.
Außerdem wurde die Prognose für das Budgetdefizit 2024 auf 3,7 bzw. 3,5 Prozent des BIP deutlich angehoben. Für 2025 erwartet das Wifo sogar eine Neuverschuldung von 4 Prozent vom BIP. Das Finanzministerium rechnet heuer nur mit 3,3 Prozent, hat aber die stärker schrumpfende Wirtschaftsleistung noch nicht berücksichtigt.
Zeitgleich haben Felbermayr und Bonin zahlreiche Reformvorschläge für die künftige Bundesregierung vorgelegt. Stoßrichtung: Ein großes Sparpaket oder eine Kürzung des Arbeitsmarktbudgets wären falsch und würden die Konjunktur nur noch massiver abwürgen.
Man müsse vielmehr sämtliche Ausgaben durchforsten und Dinge wie den Klimabonus abschaffen, was 1,8 bis 2,0 Milliarden einsparen würde. Gleichzeitg könnte man Grund und Boden oder den Konsum von Alkohol, Tabak und Zucker höher besteuern, schlagen sie vor. Auch die Erhöhung der Minalölsteuer, was seit vielen Jahren nicht geschehen sei, könnte man überlegen. Zusätzlich werden Maßnahmen im Pensionsbereich empfohlen, die auf längeres Arbeiten hinauslaufen.
Vor allem die rückläufige Geschäftsentwicklung in der Industrie und am Bau sowie ein schwacher Konsum belasten im laufenden Jahr die Konjunkturentwicklung in Österreich. Im Vorjahr schrumpfte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1 Prozent. Für 2025 rechnen das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und das Institut für Höhere Studien (IHS) mit einem Impuls aus dem Ausland und steigenden Konsumausgaben. Das heimische BIP soll dann um 1 Prozent bzw. 0,8 Prozent wachsen. In ihrer Juni-Prognose gingen die Ökonomen aber noch von einem Wirtschaftswachstum in Höhe von 1,5 bzw. 1,6 Prozent aus.
Nach den Rekord-Inflationsjahren 2022 und 2023 mit 8,6 Prozent und 7,8 Prozent soll die Teuerung heuer hierzulande mit 3,1 bzw. 3,0 Prozent deutlicher niedriger ausfallen. Im kommenden Jahr gehen die Wirtschaftsforscher von einem Anstieg der Verbraucherpreise um 2,2 bzw. 2,4 Prozent aus.
Die schwächelnde Wirtschaft lässt die Arbeitslosigkeit steigen. Wifo und IHS gehen von einem gleich hohen Anstieg aus. Die Arbeitslosenrate soll sich von 6,4 Prozent im Jahr 2023 auf heuer 7,0 Prozent und 7,2 Prozent im kommenden Jahr erhöhen.
OeNB-Ausblick gesenkt
Bereits drastisch gesenkt hat die Nationalbank (OeNB) den Ausblick für Österreichs Wirtschaft in ihrer Interimsprognose Mitte September. Aufgrund veränderter Wachstumsaussichten für das zweite Halbjahr hat die OeNB die Prognose für die reale Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2024 von +0,3 Prozent um einen Prozentpunkt auf -0,7 Prozent und für 2025 von +1,8 Prozent um 0,8 Prozentpunkte auf +1,0 Prozent gesenkt.
Die Ökonomen von Raiffeisen Research und Bank Austria erwarten für heuer in kürzlich veröffentlichten Prognosen einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent. Im Vorjahr schrumpfte das BIP bereits um 1 Prozent.
Mittelfristprognose: Verhaltenes Wachstum
Die nächsten vier Jahre wird die heimische Wirtschaft laut der im Juli vorgelegten Mittelfristprognose des IHS nur "verhalten" wachsen. Für 2024 bis 2028 erwartet das Institut für Höhere Studien (IHS) ein reales Wirtschaftswachstum von im Schnitt 1,0 Prozent pro Jahr. Die Inflationsrate soll im Prognosezeitraum durchschnittlich bei 2,5 Prozent pro Jahr liegen, die Arbeitslosenquote bei 6,3 Prozent und das gesamtstaatliche Budgetdefizit bei 2,8 Prozent.
Das Wifo schätzte die Lage im Sommer in ihrer Prognose bis 2028 ähnlich ein: Nur beim durchschnittlichen Budgetdefizit in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) unterschied sich die Wifo-Prognose mit 3,2 Prozent pro Jahr von der IHS-Schätzung von 2,8 Prozent merkbar. Bei Wirtschaftswachstum, Inflation und Arbeitslosenquote prognostizieren beide Institute nahezu idente Werte.