Wirtschaftsaufschwung mit zwei Prozent Wachstum
Von Christine Klafl
"Here comes the sun", zitiert Martin Kocher einen Song der Beatles. Für den Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS) ist für die heimische Wirtschaft die Konjunktursonne aufgegangen. "Wir wissen allerdings noch nicht, ob es ein langer Sommer- oder ein kurzer Wintertag wird", gibt sich der Wirtschaftsforscher vorsichtig. Das IHS hat jedenfalls die Wachstumsaussichten für Österreich leicht angehoben.Deutlich optimistischer ist man im Wirtschaftsforschungsinstitut. Für heuer wurde die Prognose von 1,5 auf 2,0 Prozent kräftig angehoben (siehe Grafik). "Die konjunkturellen Perspektiven sind so gut wie schon lange nicht", sagt Wifo-Chef Christoph Badelt. Ob Europa, Asien oder USA – überall gibt es einen Aufschwung. Und in großen Schwellenländern wie Russland ist die Rezession vorbei. Badelt: "Für eine kleine offene Volkswirtschaft wie Österreich sind das gute Nachrichten."
Mehrere Jahre hindurch schaffte Deutschland ein höheres Wachstumstempo als Österreich. Heuer und nächstes Jahr wird die heimische Wirtschaft spürbar flotter unterwegs sein als die deutsche oder die der Eurozone.
Arbeitslosigkeit
Trotz des Aufschwungs werde es aber keine Entspannung bei der Arbeitslosigkeit geben, sind sich die Forscher einig. "Hier gibt es leider keine Trendwende, sondern eine Stagnation auf hohem Niveau", meint Badelt. Der Hintergrund: Bei besserer Konjunktur werden zwar mehr Jobs geschaffen. Gleichzeitig steigt aber auch das Angebot an Arbeitskräften, etwa durch Asylberechtigte.
Die beste Wirtschaftsentwicklung seit Jahren – "was machen wir alles mit diesem Konjunkturaufschwung, oder eben nicht", fragt Badelt. Er fordert die Politik dazu auf, die dringend nötigen Strukturreformen anzugehen. Die Aufgabenliste ist lang und hinlänglich bekannt: Bildung, Entbürokratisierung, Änderung der Abgabenstruktur, Integration von Migranten und Flüchtlingen, die kluge Förderung von Forschung und Technologie sind Teile der nötigen Reformen. "Wir haben jetzt ein Umfeld für große Reformen", ist IHS-Chef Kocher überzeugt. Die Regierung sollte dabei nicht das Geld mit vollen Händen ausgeben, nur weil es jetzt üppiger hereinkomme, mahnen die Ökonomen. "Wir haben noch immer eine Ausgabendynamik, die sich sachlich nicht rechtfertigen lässt", kritisiert Wifo-Boss Badelt. Vielmehr sollte eine Reserve für eine expansivere Finanzpolitik in mageren Zeiten aufgebaut werden.
Umfeld in Europa
Dass das IHS bei der heimischen Konjunkturprognose eine Spur weniger optimistisch ist als das Wifo, begründet Kocher unter anderem mit den Präsidentschaftswahlen in Frankreich und möglichen (bösen) Überraschungen. Aktuell läuft es in Frankreich aber hervorragend. Im März ging es französischen Unternehmen so gut wie seit sechs Jahren nicht mehr, zeigt eine monatliche Umfrage. Im vierten Quartal legte die französische Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent zu.
Das war genau so viel wie in Deutschland. Derzeit wächst die deutsche Wirtschaft so kräftig wie seit fast sechs Jahren nicht mehr. In der deutschen Bundesagentur für Arbeit erwartet man, dass die Zahl der Erwerbstätigen heuer um 670.000 auf den Rekordwert von 44,26 Millionen steigen wird. Die Zahl der Arbeitslosen werde um 160.000 auf 2,53 Millionen abnehmen. Das wäre der tiefste Stand seit 1990.
Kaum ist es Frühling, blüht die Konjunktur wieder auf. Die Volkswirte sagen für heuer einen Aufschwung von zwei Prozent voraus. Mit der BIP-Belebung steigt auch die Beschäftigung stärker als bisher erwartet Das WIFO erwartet heuer 56.000 zusätzliche Jobs. Hurra.
Fragt sich nur, warum die Regierung gerade jetzt auf die Idee kommt, die Beschäftigung massiv zu fördern. Immerhin zwei Milliarden Euro an Steuergeld werden in den nächsten zwei Jahren als Beschäftigungs-Bonus in die Wirtschaft gepumpt, um Arbeitsplätze staatlich mitzufinanzieren - eine der teuersten Lohnsubventionen aller Zeiten.
Mit welchem Ziel? Mehr Beschäftung? Die Beschäftigung ist gar nicht das Problem, sie steigt schon seit Jahren. Vor allem Dank mehr Teilzeit, mehr Älteren, die nicht in Pension gehen dürfen und mehr Zuwanderung. Ausländer-Debatte hin oder her: Der Job-Bonus wird für ohnehin geplante Neueinstellungen dankbar mitgenommen werden, glauben Experten. Die Arbeitslosigkeit wird dadurch eher nicht gesenkt.
Wirtschaftsförderung
Es handelt sich daher um eine lupenreine Wirtschaftsförderung ohne bestimmten Lenkungseffekt. Und sie ist bei weitem nicht die einzige. Nicht nur finanzschwache KMU, auch hochprofitable Großkonzerne dürfen sich neuerdings über Steuermillionen freuen, wenn sie – was eigentlich selbstverständlich sein sollte – wieder investieren. 100 Millionen Euro fließen als Investitionszuwachsprämie an „Große“, weitere 100 Millionen werden für die Entwicklung „intelligenter Stromnetze“ ausgeschüttet.
Ausgerechnet der Handwerkerbonus, von dem auch private Haushalte profitiert haben, läuft mit Jahresende aus. Nicht etwa aus Budgetgründen, nein, die Maßnahme war an das Wirtschaftswachstum geknüpft. Und das überschritt die 1,5- Prozent-Grenze. Stellt sich die Frage: Warum braucht es gerade jetzt eine rekordträchtige Wirtschaftsförderung, wenn die Konjunktur ohnehin so stark wächst wie seit sechs Jahren nicht mehr? Seltsames Timing...