Wirtschaft

Der Aufschwung macht Freude, die Regierung enttäuscht

„Wer Visionen hat, braucht einen Arzt“: Das Zitat stammt zwar gar nicht von Altkanzler Franz Vranitzky (sondern vom Deutschen Ex-Kanzler Helmut Schmidt). Der Begriff „Vision“ gilt in Österreichs Politdebatte seither dennoch als verbrannt. Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, bekümmert das wenig. Er verlangt von der neuen Regierung genau das: Eine Vision, wo Österreich in zwanzig Jahren stehen soll. Im Regierungsprogramm findet er dazu keine strategischen Aussagen – dort regiert Klein-Klein, der großkoalitionäre Kompromiss.

Alle Inhalte anzeigen

Strengere EU-Vorgaben

Wenig ambitioniert, eng kalkuliert, keine Strategie: Die Wirtschaftsexperten gehen mit dem Regierungsprogramm hart ins Gericht. Und sie haben Zweifel, ob der Budgetpfad hält. SPÖ und ÖVP peilen ab 2016 ein Nulldefizit im Budget an. Das große Aber: Schwankungen durch das Auf und Ab der Wirtschaft oder höhere Kosten für die Bankenrettung sind dabei ausgeklammert. Und selbst dieses einfacher zu erreichende Ziel („strukturelles Nulldefizit“) sei nur mit großer Anstrengung zu schaffen, sagte Aiginger am Donnerstag vor Journalisten. Dafür müsse der Gürtel noch enger geschnallt werden und es dürfe keinen Zentimeter vom Sparkurs abgewichen werden. Obendrein könnte es passieren, dass die EU Österreich strengere Ziele setzt.

Alle Inhalte anzeigen

Früher sei die Regierung beim Schuldenabbau ambitionierter gewesen, kritisiert Christian Keuschnigg vom Institut für Höhere Studien (IHS) die Budgetpläne.

Ohne gezielte Investitionen werde die Zukunft verspielt, befürchtet Aiginger. Das Argument leerer Kassen lässt er nicht gelten: „Die Regierung kann sich Geld machen.“ Dazu müsste sie Förderungen kürzen und unnötige Bürokratie abbauen – sprich: die Verwaltungsreform endlich umsetzen. „Bei einem Entwicklungsland verstehe ich, wenn es Schulden macht, um Schulen zu bauen“, sagt Aiginger. In Österreich verteile der Staat aber jährlich 50 Prozent der Wirtschaftsleistung um. „Trotzdem wird bei Bildung, Innovation und Kinderbetreuung gespart? So geht’s nicht.“

Konsumrückgang

Vorweihnachtlich versöhnlich fällt die Prognose aus: Österreichs Wirtschaft schaukelt sich allmählich zu einem (noch labilen) Aufschwung hoch. Heuer wächst die Wirtschaftsleistung zwar nur um 0,3 bis 0,4 Prozent. 2014 beschleunigt sich das Wachstum dann aber auf 1,7 Prozent und 2015 auf 1,7 bis 2 Prozent. Die Schlangen vor dem AMS werden trotzdem nicht kürzer: Die Arbeitslosigkeit steigt 2014 auf 7,9 Prozent.„Star“ ist einmal mehr der Außenhandel: Österreichs starke Exporte waren während der gesamten Krise eine Stütze. Dafür lassen die Verbraucher aus – erstmals seit 15 Jahren gehen die privaten Konsumausgaben zurück. Die Menschen haben weniger im Geldbörsel: Die Teuerung und Steuervorrückungen fressen Lohnzuwächse auf.