Wirtschaft

Wifo-Chef zu neuen EU-Sanktionen: "Sollte den Krieg teurer machen"

Importstopp für Kohle, Exportverbot für Halbleiter: Die von der EU-Kommission geplanten neuen Sanktionen gegen Russland würden die dortige Wirtschaft nach Prognose von Top-Ökonomen treffen. "Das ist der nächste Schritt in einer Sanktionsspirale, die sich weiter drehen wird", sagte der Direktor des österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Gabriel Felbermayr, am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Produkte würden fehlen

"Vor allem das EU-Exportembargo bei High-Tech-Gütern wird Russland treffen, weil die Rüstungsindustrie diese Produkte braucht. Das sollte den Krieg teurer machen", meinte Wifo-Chef Felbermayr.

Laut Jens Südekum, Professor am Institut für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, könnte ein komplettes Exportembargo noch folgen. "Es würde Russland deutlich stärker treffen als uns, weil der russische Markt insgesamt eine überschaubare Bedeutung hat", sagte das Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums.

"Aber es wäre vor allem ein Schlag gegen die russische Bevölkerung, weniger gegen Putins inneren Machtzirkel." Auch mit den neuen Sanktionen seien Exporte nach Russland weiterhin grundsätzlich möglich. "Viele deutsche Unternehmen wie Henkel oder Ritter Sport machen davon auch weiterhin Gebrauch", sagte Südekum. "Einige produzieren sogar in Russland."

Unabsehbare Risiken

Auch sei das stärkste Sanktionsinstrument – ein komplettes Embargo aller Öl- und Gasimporte – nicht gezogen worden, "denn die Risiken für die deutsche und europäische Wirtschaft wären unabsehbar". Das stattdessen geplante Embargo beim Import von Kohle treffe weder den russischen Präsidenten Wladimir Putin noch Deutschland sonderlich hart.

"Wir wollten bis Mitte des Jahres ohnehin unabhängig von russischer Kohle sein, nun geht es noch etwas schneller", sagte Südekum. "Putin bleibt aber nicht darauf sitzen, sondern kann die Kohle einfach auf dem Weltmarkt verkaufen. Bei Gas ginge das nicht."

Felbermayr zufolge kann der Verzicht auf russische Kohle punktuell und kurzfristig Schwierigkeiten in Kraftwerken verursachen. "Diese sind aber im EU-Binnenmarkt und auf dem Weltmarkt auffangbar", sagte der ehemalige Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die volkswirtschaftlichen Kosten der neuen Sanktionsrunde für die EU seien in Summe überschaubar, würden aber steigen, sollte Russland nun Gegensanktionen erlassen.

Verschärfung

"Wirklich schmerzen würden Russland aber Sanktionen auf Erdöl und Erdgas", sagte Felbermayr. "Die EU traut sich momentan noch nicht, Erdölimporte zu stoppen, weil die Reaktion Russlands im Stopp der Gaslieferungen liegen könnte, was einigen EU-Staaten, darunter Deutschland und Österreich, erheblich schaden würde."

Die EU-Kommission schlägt einem Insider zufolge eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland vor, zu der auch ein Kohle-Importembargo zählen soll. Zudem solle die Einfuhr von Holz, Zement, Gummi, Chemikalien und Luxuslebensmitteln wie Kaviar und Spirituosen wie Wodka verboten werden, sagte der Insider der Nachrichtenagentur Reuters.

Russische Lastwagen und Schiffe sollten zudem nicht mehr in die EU dürfen. Auch solle demnach der Export von Halbleitern, High-Tech-Maschinen, bestimmter Flüssiggastechnik und anderer Ausrüstung verboten werden. "Die neuen Sanktionen drehen die Daumenschrauben gegenüber Russland nochmals an, aber vermeiden die maximale Eskalation", fasste Südekum zusammen.