Wiener Börse zählt zur Weltspitze
Von Christine Klafl
Von der Politik ist der heimische Aktienmarkt in der jüngeren Vergangenheit schmählich vernachlässigt, wenn nicht gar schief angeschaut worden. An den Börsenkursen ist das heuer nicht abzulesen: Mit einem Plus von mehr als 30 Prozent zählt das heimische Börsenbarometer ATX zur Weltspitze. Rechnet man die ausbezahlten Dividenden mit ein, macht das Plus sogar gut 34 Prozent aus. Von den 20 Aktien, die im ATX enthalten sind, gab es nur bei fünf Werten Kursrückgänge. Top-Performer war die Raiffeisen Bank International (mit fast 74 Prozent Kursgewinn). Im breiter gefassten ATX-Prime zog die Aktie des Flugzeugzulieferers FACC allen davon (siehe Grafik).
Konjunktur
Treiber der Entwicklung an den Börsen war vor allem die Konjunktur, die von Quartal zu Quartal besser in Fahrt kam. Helge Rechberger, Finanzmarktexperte der Raiffeisen Bank International, hat in seinen 25 Dienstjahren eine derartige Entwicklung noch nie erlebt – dass die Wachstumsprognose für Österreich "heuer drei Mal angehoben wurde". Gründe für das zunehmende heimische Tempo gibt es mehrere: Jahre hindurch entwickelte sich die österreichische Wirtschaft viel schaumgebremste als etwa die deutsche – das baute einen Nachholbedarf auf. Zum anderen beflügelte der fulminante Turnaround in Osteuropa auch die heimische Konjunktur. Viele Unternehmen sind gut im Ostgeschäft unterwegs, was auch an vielen Wiener Aktienkursen abzulesen ist.
Das weltweit gute Wirtschaftswachstum ist ein weiterer Grund, warum 2017 zu einem guten Aktienjahr geworden ist. Geholfen hat natürlich auch, dass mangels Alternativen immer mehr Geld institutioneller Investoren an die Börsen fließt. "Und dass US-Präsident Trump seine Steuerreform durchgebracht hat", so Rechberger.
US-Spannungen mit Nordkorea, protektionistische Tendenzen, politische Turbulenzen in Italien, Spanien in einer Zerreißprobe mit Katalonien, lange keine neue Regierung in Deutschland: "Vor fünf Jahren hätte das noch bedeutet – na gute Nacht, Börsen", ist Rechberger überzeugt. Groß- wie Kleinanleger haben allerdings gelassen darüber hinweggesehen. Eben weil die Konjunktur so gut lief und die Unternehmensgewinne sprudelten.
Gedrosseltes Tempo
Einen derartigen Galopp dürfen sich Anleger im kommenden Jahr nicht erwarten, meinen die Börsenprofis unisono. Den Industriestaaten werden aber immerhin Kursgewinne von sechs bis sieben Prozent vorausgesagt. Inklusive etwa drei Prozent Dividendenrendite macht das immer noch einen satten Gewinn aus. Hintergrund für den anhaltenden Optimismus ist, dass die Konjunktur weiterhin gut läuft, wenn auch nicht mehr ganz so rasant wie im heurigen Jahr.
Den Wachstumsmärkten (Emerging Markets) trauen die Börsenprofis im kommenden Jahr besonderes Aufholpotenzial zu. Allen voran wird hier Russland genannt. China werde sich weiterhin gut entwickeln – wovon indirekt auch Japan mit seinen Exporten profitiert.
Bei sicheren Anleihen von Staaten, aber auch Unternehmen, scheint aus jetziger Sicht nur eines sicher: Dass sie auch im kommenden Jahr real (also nach Abzug der Teuerungsrate) Verluste einbringen werden.