Wirtschaft

Muhm: "Bedeutung der Börse überschätzt"

KURIER: Im AMS ist die Nachfrage Arbeitssuchender nach Teilzeit zehn Mal größer als das Job-Angebot (mehr dazu hier). So schlimm kann Teilzeit also doch nicht sein, wie AK und ÖGB immer behaupten.

Werner Muhm: Schlimm ist Teilzeit nicht, aber Verdienst und Aufstiegsmöglichkeiten sind geringer. Es ist anzunehmen, dass viele Teilzeitarbeiter und vor allem Teilzeitarbeiterinnen bei besseren Betreuungsangeboten für ihre Kinder gerne länger arbeiten würden. Und jeder Zehnte der rund eine Million Teilzeitbeschäftigten sagt, er habe keinen Vollzeitjob gefunden.

Viele wollen neben ihrem Job freiwillig Kinder oder alte Eltern betreuen.

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Ja, aber wenn diese Arbeitnehmer, meist Frauen, dann Zuzahlungen aus der Mindestsicherung bekommen, dann werden sie von einigen politischen Gruppierungen gleich ins Sozialschmarotzer-Eck gedrängt.

Vielleicht lockt ja auch die großzügige Mindestsicherung die Menschen in die Teilzeit?

Nein. Das sagen nur die, die sich gar nicht vorstellen können, von so einem Einkommen leben zu müssen.

AK und ÖGB fordern altersgerechte Jobs. Wie sollen die ausschauen?

Für Ältere könnte man zum Beispiel die Wochenendruhe um einen Tag ausdehnen. Dafür könnten sie eventuell an anderen Tagen länger arbeiten.

Haben ÖVP und Industrie also doch recht in ihrer Forderung nach mehr Flexibilität?

Nein, alle Studien bescheinigen uns einen besonders flexiblen Arbeitsmarkt.Sind Betriebe ohne Druck bereit, sich um Ältere zu kümmern?

Deshalb wollen wir ein Bonus-Malus-System. Lediglich ein Drittel der größeren Unternehmen ab 100 Mitarbeitern beschäftigt mehr als zehn Prozent Arbeitnehmer ab 55. Wer keine Älteren hat, soll künftig eine Abgabe zahlen müssen. Damit würden Firmen gefördert, die ältere Arbeitnehmer behalten.

Warum ist Österreich Frühpensionierungsweltmeister? Die Österreicher sind ja nicht kränker als etwa die Schweden.

Großunternehmen haben sehr gerne Handshake-Programme gemacht ...

... und die Politik hat es den Firmen zu leicht gemacht, Ältere in die Pension zu drängen?

Das glaube ich schon. Aber jetzt geht es schrittweise in die richtige Richtung.

Etliche Länder, auch Deutschland, haben das Pensionsantrittsalter schon auf 67 erhöht.

Was hilft es, das gesetzliche Alter zu erhöhen, wenn wir das jetzige nicht erreichen? Außerdem möchte ich daran erinnern, dass die ASVG-Pensionen der Beschäftigten zu 82 Prozent aus Beiträgen finanziert sind, während der Eigendeckungsgrad bei Bauern und Selbstständigen schwach ist. Ich plädiere für eine mehr faktenbasierte Analyse und Politik.

Selbstständige sollten noch geringere Pensionen kriegen?

Oder einen höheren Beitrag leisten. Oder man anerkennt, dass das ein Sozialtransfer ist und behauptet nicht mehr, dass das System unfinanzierbar wird.

Ist es eigentlich gerecht, dass AK-Funktionäre quasi eine Beamtenpension haben?

Stimmt nicht. Wir haben eine ASVG-Pension plus Zuschusspension, die sich daran orientiert, wie sich das ASVG-System entwickelt – übrigens wie viele andere Beschäftigte auch.

Wie hoch ist der Zuschuss?

Unterschiedlich. Jüngere kommen je nach Job auf insgesamt circa 60 Prozent des Letztbezugs.

Und die Alten auf 80 Prozent?

Ja, aber das sind wenige. Unsere Pension kommt nicht an jene von Banken und Versicherungen heran.

Die AK wünscht sich eine Vermögenssteuer ab einer Million Euro. Das alte Formular war kompliziert, hatte vier Seiten, und man musste auch Autos, Schiffe und Schmuck angeben. Wie schaut Ihr Modell aus?

Im Wesentlichen geht es um das Finanzvermögen, um den Anteil an Unternehmen und Immobilienbesitz.

Aber diese Regierung hat schon eine neue Wertpapiersteuer eingeführt. Wollen Sie den Börseplatz Wien ganz umbringen?

Den Börseplatz hat Schwarz-Blau umgebracht. Die Bedeutung der Börse für die wirtschaftliche Dynamik des Landes wird überschätzt.

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Was hat Schwarz-Blau der Börse angetan?

Es war doch ein ewiges Hü-Hott: Teile der Verstaatlichten wurden verkauft, dann wieder von der Börse genommen. Ganz zu schweigen von der Zukunftsvorsorge, die ein Flop ist.

Wie soll man ohne AK- oder Firmenpension vorsorgen?

Die ASVG-Pension ist in Ordnung. Genauso wie Lebensversicherungen. Die vergangenen Jahre haben bewiesen, dass das Umlagesystem sehr große Vorteile hat.

Ist es nicht ungerecht, eine Vorsorgewohnung, die sich jemand vielleicht mühsam abgespart hat, noch höher als bisher zu besteuern, während Zusatzpensionen unangetastet bleiben?

Das sehe ich nicht: Eine Millionärssteuer beträfe nur 80.000 Haushalte: das oberste eine Prozent mit einem Nettovermögen von einer Million Euro. Da muss man schon viele Vorsorgewohnungen haben.

Für Kapitalerträge zahlt man eine 25-prozentige Kest. und darüber hinaus keine Einkommenssteuer. Diese Endbesteuerung ist Verfassungsgesetz, das nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament zu kippen ist. Wie soll denn das gehen?

Die AK hat Forderungen. Mehrheiten dafür zu suchen ist Sache der Politik. Es ist klar, dass die Endbesteuerung aufgehoben werden muss. 2015 sollte eine große Steuerreform kommen.

Wenn Ihre neue Steuer nur wenige betrifft, bringt es dann überhaupt das große Geld?

Bei einem Steuersatz von einem halben Prozent erwarten wir uns eineinhalb bis zwei Milliarden Euro. Außerdem soll auch eine Erbschafts- und Schenkungssteuer kommen. Angesichts der kalten Progression muss der Staat dem Bürger etwas zurückgeben, und der Eingangssteuersatz sollte stark sinken. Das kostet dreieinhalb bis vier Milliarden Euro.

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Sie sitzen im Generalrat der Nationalbank. Wieso hat die Aufsicht bei der Hypo Alpe Adria so kläglich versagt?

Der Generalrat, also das Aufsichtsorgan der österreichischen Notenbank, ist in die konkrete Bankaufsicht nicht eingebunden.

Die serbische und die kroatische Nationalbank haben sich aber seinerzeit bei der österreichischen Nationalbank beschwert, dass Kärnten deren strengere Eigenkapitalvorschriften umging, indem es von Klagenfurt aus Kredite vergab. Welche Schlüsse hat die Nationalbank aus dem Ganzen gezogen? Wurden Leute ausgetauscht?

Es wurden Leute ausgetauscht. Die Finanzmarkt-Aufsicht hat ihre Schlüsse gezogen, noch genauer zu prüfen. Aber die Hauptverantwortung liegt bei den Managern der Hypo Alpe Adria und bei jenen Landespolitikern, die 20 Milliarden Haftung übernommen haben.

Wenn jemand ein Vielfaches seines Landesbudgets an Haftungen übernimmt, könnte ja im Bund jemand „Halt“ schreien. Haben nicht fast alle Länder zu hohe Haftungen?

Ja, aber Sie wissen, wie schwierig es mit den Bundesländern ist. Man konnte sich auch jetzt, nach den jüngsten Spekulationserfahrungen in Ländern und Gemeinden, nicht auf ein straffes Korsett für alle einigen. Aber vielleicht geschieht dies im nächsten Finanzausgleich mit den Ländern. So kann es nicht weitergehen.

Wie ist Ihr Verhältnis zur Finanzministerin, die Sie aus dem Generalrat entfernen wollte?

Sachlich.

Alle Interviews zur Serie "Was braucht Österreich? Aufträge an die Politik" finden Sie hier.

Der Teilzeit-Boom hat sich auch im zweiten Quartal 2013 fortgesetzt. Einem Plus von 28.300 Teilzeitkräften, stand ein Minus von 46.900 Vollzeitbeschäftigten gegenüber. Damit waren um 18.600 Personen weniger beschäftigt als im zweiten Quartal 2012, insgesamt hatten 4,172 Millionen Personen in Österreich eine Erwerbsarbeit.

Die Teilzeitquote legte zwischen April und Juni im Vergleich zum Jahr davor um 0,8 Prozentpunkte auf 26,4 Prozent zu. 45,6 Prozent der weiblichen Erwerbstätigen arbeiten bereits Teilzeit und 9,6 Prozent der männlichen Beschäftigten, geht aus der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria hervor.

Nach den Krisenquartalen (1. Quartal 2009 bis 3. Quartal 2010) mit einem Rückgang der Vollzeit-Erwerbstätigen, gab es bis zum dritten Quartal 2012 steigende Vollzeitzahlen. Nun wurden zum dritten Mal in Folge weniger Vollzeiterwerbstätige im Jahresabstand gezählt - im vierten Quartal 2012 (Vollzeit -11.400, Teilzeit +31.700) und im ersten Quartal 2013 (Vollzeit -23.600, Teilzeit +12.400).

Die Zahl der Arbeitslosen nach internationaler Definition belief sich im zweiten Quartal auf 196.600 Personen, im Vorjahresquartal 2012 waren es 187.300. Die Arbeitslosenquote (4,5 Prozent) lag etwas über dem Vorjahresniveau (4,3 Prozent). Insgesamt wurden 66.700 offene Stellen gezählt und damit deutlich weniger als im zweiten Quartal 2012 mit 75.300 Stellen.

Mehr Selbstständige

Insgesamt wurde ein Rückgang bei Unselbstständigen und Mithelfenden sowie ein leichter Anstieg bei Selbstständigen verzeichnet. Die Anzahl der Unselbstständigen lag im zweiten Quartal 2013 mit insgesamt 3.609.700 unter dem Niveau des Vorjahres (3.633.600). Bei Männern wurden um 41.100 weniger Unselbstständige gezählt, die Zahl der unselbstständig beschäftigten Frauen legte hingegen um 17.200 zu. Jobs gingen bei den Männern besonders im Produktionsbereich, im Bau und in der Sparte "Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen" verloren. Den größten Arbeitsplatzzuwachs bei den Frauen gab es im Bereich Erziehung und Unterricht.

Die Zahl der Selbstständigen und Mithelfenden stieg gegenüber dem Vorjahr geringfügig auf 562.600, dabei gab es bei Selbstständigen (+13.600) einen Zuwachs, während sich die Anzahl der Mithelfenden leicht verringerte (-8.300). Das Plus bei Selbstständigen entfiel in Summe auf Männer, der Rückgang bei den Mithelfenden überwiegend auf Frauen.

Überstunden

Die verhaltene Wirtschaftsentwicklung dämpft auch die Überstundenentwicklung. Die Anzahl der Überstundenleistenden blieb im zweiten Quartal mit 718.800 im Jahresvergleich nahezu unverändert, allerdings reduzierte sich die Zahl der Personen, die mehr als zehn Überstunden pro Woche leisteten. Die Zahl der Unselbstständigen mit langen wöchentlichen Arbeitszeiten von über 40 Stunden sank hingegen deutlich.