Wie der Diesel ausgebremst wird
Für einen Großteil der Dieselfahrer wird es nun eng – es drohen Fahrverbote. Zwar betrifft das gestern, Dienstag, gefällte Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts klarerweise nur deutsche Großstädte – doch die Folgen könnten auch Österreich erfassen.
Konkret dürfen deutsche Bundesländer eigenständig Fahrverbote anordnen, wenn die Feinstaub- und Stickstoffoxidbelastung zu hoch ist. Dabei müsse die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen geprüft werden, Ausnahmen (z.B. für ortsansässige Handwerker) sollen möglich sein. Alternativ kann die Bundesregierung einheitliche Rahmenbedingungen schaffen, etwa in Form von Plaketten, wie sie jetzt schon in Umweltzonen vorgeschrieben sind.
Viele Fragen sind also noch offen, fix ist aber, die Dieselfahrer und die Autoindustrie sind die Verlierer dieses Urteils. An der Frankfurter Börse machte sich das bereits bemerkbar, die Autowerte erlitten Kursverluste. Laut dem deutschen Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer "rasen wir mit Vollgas auf ein Riesenproblem zu", wie er n-tv gegenüber sagte. Es werde rund ein halbes Jahr dauern, bis die ersten Städte zu Maßnahmen greifen. Und in Österreich?
Wie viele ältere Diesel-Pkw sind hier zu Lande zugelassen?
Zu Fahrverboten dürfte es zwar nicht kommen. Jedoch dürften sich Fahrverbote indirekt sehr wohl auswirken. Immerhin sind 57 Prozent aller im Land zugelassenen 4,90 Millionen Pkw Diesel. Und von diesen fallen nur neun Prozent oder rund 453.000 in die modernste Abgasnorm Euro 6 (Zulassungen ab 2015). Sollte es also zu Fahrverboten in Deutschland bis inkl. Euro 5-Klasse kommen, dann wären auch heimische Autobesitzer von der Einfahrt in deutsche Innenstädte ausgeschlossen.
Welche Folgen hat die Entwicklung für den heimischen Gebrauchtwagenmarkt?
Drastischer könnte sich das Urteil auf den Gebrauchtwagenmarkt auswirken. Laut Fahrzeug-Dienstleister Eurotax sank der Wiederverkaufswert von Dieselautos mit Erstzulassungsjahr 2013 bis 2015 seit Beginn des VW-Skandals im Herbst 2015 um rund 7,5 Prozent (Benziner minus 2,2 Prozent). Fast die Hälfte des Wertverlustes fand seit August statt, als die Diskussion um Fahrverbote in Deutschland begann. "Verunsicherte Diesel-Besitzer werden jetzt vermehrt versuchen, ihre älteren Fahrzeuge loszuwerden", sagt Roland Strilka von Eurotax.
Sollen Dieselbesitzer ihr Auto jetzt verkaufen?
"Augen zu und durch, jetzt zu verkaufen wäre das schlechteste", sagt Dudenhöffer. Anderer Meinung ist Günter Kerle, Sprecher der österreichischen Automobilimporteure. "Bis zur Euro 5-Klasse sollte man sein Fahrzeug bald verkaufen, weil der Wertverfall von Deutschland aus Österreich erreichen wird." Sollte das Fahrzeug jedoch zehn Jahre oder älter sein, wäre es am besten, es bis zur Schrottreife zu fahren. Die aktuelle Euro 6-Klasse werde vom Preisverfall nicht erfasst, glaubt Kerle.
Renato Eggner, Geschäftsführer von Raiffeisen-Leasing Fuhrparkmanagement, sieht hingegen die Lage am Markt für Gebrauchte wieder "sehr entspannt". Die Nachfrage nach Dieselautos sei im Dezember auf den zweithöchsten Wert seit drei Jahren gestiegen, vor allem Private seien interessiert. "Ich interpretiere das mit der neuen Regierung", die sich Auto-freundlich zeige.
Zahlt sich der Kauf eines neuen Dieselautos überhaupt noch aus?
Eggner geht davon aus, dass das deutsche Urteil sogar positiv wirken werde, weil es Klarheit bringe. Mit dem Kauf neuer Dieselautos mache man nichts falsch. In diesem Punkt stimmt Kerle überein. "Wer einen neuen Diesel kauft, braucht kein schlechtes Gewissen zu haben." Im SUV-Segment bleibe er in den nächsten zehn Jahren die beste Antriebsform. "Und für Vielfahrer geht weiterhin nichts über den Diesel." Im Kleinwagensegment werde aber künftig eindeutig der Benziner die Pole Position einnehmen. Wobei Strilka Besitzer von älteren Benzinern (bis 2001) warnt, sich vermeintlich sicher zu wähnen. Denn auch sie könnten von einem Fahrverbot getroffen werden.
Was wären Alternativen zu Fahrverbote?
Kerle schlägt für alte Diesel die Wiederkehr der Verschrottungsprämie vor. Dudenhöffer kann sich für eine Angleichung der Diesel-Kraftstoffsteuer auf das Niveau von Benzin vorstellen, um die Umrüstung älterer Motoren (je rund 1500 Euro) zu finanzieren. Der VCÖ fordert den Ausbau des öffentlichen Verkehrs.