Wettrennen an die Börse: Milliarden mit roten Zahlen
Von Christine Klafl
Airbnb, die Plattform für die Vermittlung von Unterkünften, ist hierzulande gerade eines der großen Gesprächsthemen. Österreich versucht schließlich als erstes Land in Europa, der Steuerhinterziehung beim Vermieten privater Wohneinheiten einen Riegel vorzuschieben. Bald könnte Airbnb auch in Börsenkreisen zum großen Gesprächsthema werden. Vom kalifornischen Unternehmen wird schließlich schon länger gemunkelt, dass ein Börsengang bevorstehe. Die geschätzte Bewertung liegt aktuell bei 31 Milliarden Dollar. Damit ist Airbnb eines der „Einhörner“ (Firmen mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar), die an die Börse drängen, vor allem im Tech-Bereich.
„Uberholt“
Den Anfang wird voraussichtlich Ende dieser Woche der US-Fahrdienstvermittler Lyft machen. Er hat den großen Konkurrenten Uber „uberholt“ und rast mit Vorsprung an die Börse. Die angebotenen Aktien sollen weggegangen sein wie die warmen Semmeln, ist zu hören. Zum Börsenstart soll das Unternehmen rund 20 Milliarden Dollar wert sein. Immerhin hat es rund 19 Millionen aktive Nutzer vorzuweisen, steckt aber noch tief in den roten Zahlen.
Der große Konkurrent Uber könnte im April aufs Börsenparkett fahren – und dabei einen der größten Börsengängen aus dem Tech-Bereich hinlegen. Laut Experten strebt Uber beim Börsengang eine Bewertung von 120 Milliarden Dollar an. Das wäre mehr als VW und Daimler gemeinsam. Auch Uber schreibt noch rote Zahlen, expandiert aber kräftig. Gestern gab Uber eine Übernahme im Nahen Osten bekannt. Für den dortigen Konkurrenten Careem gibt Uber 3,1 Milliarden Dollar aus.
Anders als in den 1990er-Jahren, als sich die Dotcom-Blase aufblähte und Klicks als Maßstab galten, haben die aktuellen Börsekandidaten echte Kunden – die etwa für Fahrten mit Chauffeur Geld bezahlen. Kann man sich als Aktienanleger für Unternehmen interessieren, die in den roten Zahlen stecken?
„Bei mancher dieser Apps gilt: Sie verkaufen deinen Standort. So verdienen sie dann etwas“, sagt Monika Rosen, Chefanalystin im Private Banking der Bank Austria. „We sell your location“ laute das Motto. Verkauft werden die Kundendaten beispielsweise an Lokale im Umfeld, wo man auf den bestellten Wagen wartet oder wo man mit ihm landet.
Ein weiteres Unternehmen, das mit roten Zahlen die Börse ansteuert, ist die Fotoplattform Pinterest. Zum Jahreswechsel brachte es das Unternehmen auf 265 Millionen aktive Nutzer. Die Einnahmen stammen vor allem aus Werbung. Die Bewertung des Unternehmens geben Experten mit rund zwölf Milliarden Dollar an.
Noch im ersten Halbjahr wird der Börsengang von Slack, einem Arbeitsplatz-Messenger mit Sitz in San Francisco, erwartet. Auch dieses Unternehmen wächst rasch – bei roten Zahlen. Der Unternehmenswert wird auf etwa sieben Milliarden Dollar geschätzt. Auf etwa halb so viel bringt es ein weiterer Kandidat: Auch Cloudflare, ein Anbieter von Leistungs- und Sicherheitssoftware für Webseiten, strebt an den Aktienmarkt.
Bei gutem Börsenklima und einer gelungenen Premiere von Lyft könnte es bei den Premieren bald Schlag auf Schlag gehen. „Ein guter IPO-Markt ist ein Zeichen des Vertrauens, dass die Kurse noch Luft nach oben haben. Die Rallye ist ungebrochen“, sagt Analystin Rosen.
Zwei Klassen
Was Anleger bei den Neulingen wissen sollten: Bei vielen von ihnen gibt es wie auch bei Facebook, Alphabet oder Alibaba zwei Klassen von Aktien. Die der Gründer haben mehr Stimmrechte als jene im künftigen Streubesitz. Mancher sieht darin die Arroganz der „Typen aus dem Silicon Valley“, sprich der Firmengründer. Rosen kann das nicht ganz nachvollziehen: „Die Tech-Firmen haben das nicht erfunden, Ford etwa hat das auch.“
Der Börsengang der Jeans-Kultfirma Levi Strauss kommt zwar aus einer ganz anderen Branche, könnte aber durchaus ein Zeichen dafür sein, dass Neulinge derzeit mit offenen Armen empfangen werden. Die Levi-Aktie legte schließlich am ersten Handelstag mehr als 30 Prozent zu. Die Zeiten werden allerdings nicht besser. Dass in den USA die Renditen im kurzfristigen Bereich (drei Monate) leicht höher sind als jene im zehnjährigen Anleihenbereich, „ist ein klassischer Vorbote für eine Rezession“, so Rosen. Noch aber stecke die USA im längsten Konjunktur- und Börsenaufschwung der Geschichte.
Rosen rückblickend: Die Tech-Welle der 1990er-Jahre sei ja geblieben, nur der Markt sei zusammengebrochen. Die fünf größten Konzerne an der US-Technologiebörse Nasdaq im Jahr 2000 hießen Microsoft, Cisco, Intel, Oracle und Sun Microsystems. Vier von ihnen gibt es noch immer. Den fünften, Sun Microsystems, eigentlich auch – das Unternehmen wurde 2010 von Oracle übernommen.