Wirtschaft

Westbahn – ÖBB: Duell auf Schienen

Der gelernte Investmentbanker und ehemalige ÖGB-Finanzchef Clemens Schneider ist erst seit einem guten Jahr Chef der Rail Holding, zu der die Westbahn gehört. Sein jetziger Job verlangt dem in der SPÖ gut vernetzten Manager allerdings noch wesentlich mehr an Nervenstärke ab, als die Sanierung der Gewerkschaftsfinanzen nach dem Bawag-Debakel. Denn der Kampf gegen das österreichische Eisenbahn-Monopol hat ganz andere Dimensionen.

Kein Wunder, dass Schneider der Kragen platzt. Das aktuellste Kapitel aus dem Lehrstück „Wie verhindert man Wettbewerb“ betrifft die Direktverbindung zwischen Linz und Graz, die 2010 von den ÖBB eingestellt wurde. Die Westbahn, deren Aktionäre der liberale Bau-Industrielle Hans Peter Haselsteiner, (Strabag), die französische Staatsbahn SNCF und der Sanierer Erhard Grossnigg sind, startete einen Linienverkehr mit Bussen. Um 22 Euro die Strecke, ohne Subventionen und „sehr erfolgreich“, sagt Schneider.

Offenbar zu erfolgreich. Ab Dezember schicken die ÖBB wieder zwei Zugpaare direkt von Linz nach Graz – subventioniert. „Wenn die ÖBB mit ihrer Sparschiene um neun Euro reinfährt, können wir nicht lange am Markt bleiben“, befürchtet Erich Forster, operativer Chef der Westbahn. Schneider überlegt eine Beschwerde bei der EU-Wettbewerbskommission: „Wenn nicht dieser Fall, welcher dann? Hier wird gezielt mit Steuergeld eine private Leistung konkurrenziert“.

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Die Subventionierung des Bahnverkehrs ist eine Wissenschaft für sich und funktioniert über bestellte Verkehrsleistungen. Das Ministerium unterDoris Bures(Bild), SP, und die Länder bestellen Bahnkilometer, die mit Steuergeld gestützt werden, um die Tarifermäßigungen für Senioren, Familien etc. auszugleichen. Man könnte diese Bestellungen ausschreiben, wie etwa in Deutschland. Doch hierzulande wird direkt an die ÖBB vergeben. Durch einen Zehn-Jahres-Vertrag. Die Vereinbarung umfasst gleich mehr als 70 Millionen Zugkilometer und betrifft rund drei Viertel aller Züge. Inklusive einer Gewinnmarge von 6,5 Prozent. 2012 summierte sich die Förderung der ÖBB auf 741 Millionen Euro. Wenn der Vertrag 2019 ausläuft, wird die EU solche Direktvergaben wohl nicht mehr erlauben.

„Ausschreibungen haben eine Vorlaufzeit von mindestens vier Jahren. Die Bieter müssen ja das Wagenmaterial bestellen“, verteidigt Herbert Kasser, Generalsekretär des Verkehrsministerium, das System. Schon klar, dass bei der Eisenbahn alles nicht so schnell geht, aber muss man deswegen das Monopol auf zehn Jahre einzementieren?

WienSalzburg, wo sich die Westbahn mit den ÖBB duellieren, werde ohnehin nicht subventioniert, beteuert man im Ministerium immer. Stimmt nicht, kontern Forster und Schneider. Zwar nicht der Railjet und der Intercity, aber der Regionalverkehr werde mit rund 42 Millionen Euro gesponsert. „Nah- und Regionalverkehr ist nirgendwo in Europa selbsttragend und immer teurer als Fernverkehr“, verteidigt Kasser. Außerdem habe die Westbahn „vor ihrem Markteintritt die Spielregeln ganz klar gekannt“.

Das stimmt schon, aber bei einem Verlust von 23 Millionen Euro im Vorjahr ist man nachher klüger. So musste die Westbahn heuer ihre Preisermäßigungen für Pendler zurücknehmen. Ursache der roten Zahlen sind der Preiskampf und die hohen Investitionskosten.

Schneider und Forster beteuern, nicht nach den Fördertöpfen zu gieren: „Wir wollen kein Sponsoring. Wir wollen nur bei sozialen Tarifen gleiche Bedingungen für alle“. Nachsatz: „Wir machen nicht den ÖBB den Vorwurf, klar, dass jeder nimmt, was er kriegt. Sondern dem Ministerium.“ „Das Problem der Westbahn ist nicht die Marktordnung, sondern das Produkt. Man kann nicht Billig-Carrier und Luxusliner gleichzeitig sein wollen, das wäre wie Skoda und Mercedes“, meint ÖBB-Chef Christian Kern.

Die Bahnförderungen sind auch ein Thema bei den Regierungsverhandlungen. Der Zehn-Jahres-Vertrag wäre laut Kasser mit Vorlaufzeit kündbar. Ob das passiert und ob das gesamte Netz oder nur einzelne Teststrecken ausgeschrieben werden, „muss die Politik entscheiden“ (Kasser). Der große Angstgegner der Monopolhüter ist allerdings weniger die Westbahn – mit der wird man schon fertig – sondern die Deutsche Bahn. Die würde bei Ausschreibungen die ÖBB locker aus den Schienen werfen.