Wirtschaft

Wenig Fisch in heimischen Teichen

Einer der Karpfen, der mit Dutzenden Artgenossen in einem Becken in einem Wiener Innenhof schwimmt, schaut etwas lädiert aus. "Das sind Verletzungen von einem Otter", sagt Marc Mößmer, Chef der Arge Biofisch, die heuer ihr 20-jähriges Bestehen feiert. "Der Otterschaden innerhalb der Produktion liegt bei mindestens 30 Prozent", behauptet der Fischzüchter aus dem Waldviertel, der auch die Produktion von einigen Branchenkollegen in der Stadt vermarktet. Er zeigt auf den Wasserbottich, in dem sich viele Karpfen drängen, die am Vortag aus dem Waldviertel angeliefert wurden: "So eng leben die Fische in vielen Produktionen ihr ganzes Leben", sagt er.

Mehrmals abfischen

Die Biokarpfen haben mitunter schon mehr Umsiedlungen hinter sich, als ihre Käufer. Bis sie im Alter von vier Jahren in die Stadt kommen, wurden sie schon drei Mal übersiedelt – von einen Teich in den nächsten, so wird sichergestellt, dass die Tiere, auch wenn sie größer werden, noch genügend Platz haben. Abgefischt werden die Tiere immer im Herbst, "weil sie dann ruhiger sind", erklärt Mößmer. Über mangelnde Nachfrage nach den Bio-Fischen kann er sich gerade vor Weihnachten nicht beschweren. Die Kundschaft stellt sich schon vor dem Eingangstor an, bevor dieses überhaupt geöffnet wird.

Österreich hat bei Süßwasserfischen einen Selbstversorgungsgrad von gerade einmal 30 Prozent. Bei Karpfen kommt immerhin nur jedes zweite Tier aus dem Ausland – vor allem aus Tschechien und Polen. Rund ein Drittel der Forellen stammt aus eigener Produktion, der Rest wird größtenteils aus der Türkei, Italien und Spanien importiert.

"Eigentlich sollte Österreich schon viel mehr Fische selbst produzieren, aber bei den vielen Genehmigungen und Gutachten, die man braucht, will ja niemand investieren", sagt Mößmer. Laut Konrad Blaas vom Lebensministerium beschäftigen sich in Österreich rund 400 Betriebe mit dem Geschäft rund um den Fisch – von der Zucht bis zur Verarbeitung, kleine Teiche ausgenommen. Geschätzte 50 Betriebe züchten haupt- oder nebenberuflich Biofisch, genaue Daten wurden nie erhoben.

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Das Lebensministerium hat das Ziel ausgerufen, bis 2020 die Produktionsmenge an Süßwasserfischen um 54 Prozent in die Höhe zu treiben – auf 5350 Tonnen bis zum Jahr 2020. Unter anderem sollen neue Kreislaufanlagen jährlich 500 Tonnen Fisch – vor allem Afrikanischen Wels – bringen, steht im Nationalen Strategieplan. Mösmer rümpft die Nase. "Das ist Industriefisch. In solchen Anlagen kommen 700 Kilo Fisch auf 1000 Liter Wasser. Anders gesagt: Die Fische haben kaum mehr Wasser zur Verfügung."

Gefördert werden in Österreich zurzeit vor allem Anlagen in der Produktion, also in der Verarbeitung und Verpackung von Fischen. Bis zum Jahr 2020 stehen insgesamt 14 Millionen Euro Fördergeld zur Verfügung.

Starkes Wachstum

Die Nachfrage nach Fisch steigt europaweit, der Fischbestand in den Gewässern ist aber drastisch gesunken. Mittlerweile ist die Aquakultur weltweit eine der am schnellsten wachsenden Bereiche der Lebensmittelproduktion.

Der Weltmarkt mit gezüchteten Fischen, Muscheln und Krebsen ist 60 Milliarden Euro schwer. Bereits jeder zweite konsumierte Fisch stammt aus einer Aquakultur – 90 Prozent davon findet in Asien statt.

Nachfrage steigt, Produktion auch

Konsum: Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 8,1 Kilo Fisch im Jahr liegen die Österreicher im EU-Vergleich weit hinten. Die steigende Nachfrage wird fast gänzlich über Importe gedeckt. Von 1988 bis 2012 stieg die Menge an importierten Fisch um 100 Prozent.

Produktion: Österreich hat im Vorjahr 69.978 Tonnen Fisch importiert und 4700 Tonnen exportiert. In Österreich werden vor allem Karpfen und Forellen produziert, weiters Saibling, Zander und Welse. Die Speisefischproduktion aus heimischer Aquakultur stieg 2013 um 3,5 Prozent auf 3238 Tonnen, so die Statistik Austria.

Der einstige Baustoffhändler Alexander Quester hat nach dem Verkauf der Firma sein Hobby zum Beruf gemacht: Seit 2007 züchtet er in Maria Zell Saiblinge und Forellen. Und legt Wert darauf, dass seine Fische nicht in betonierten Zuchtbecken, sondern in natürlich angelegten Staustufen leben.

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Seit der Gründung musste die Verarbeitung schon drei Mal übersiedeln, weil die Verarbeitungsräume zu klein wurden. Ein Viertel seine Fische geht an Spitzengastronomen, etwa die gleiche Menge an Private, der Großteil in den Handel – neben Feinkostläden auch an die Handelsketten Merkur und Spar Gourmet. Dass Supermärkte immer mehr auf Regionalität setzen, spielt Quester in die Hände. Die Selbstversorgung Österreichs mit Süßwasserfischen ist aber überschaubar. Quester: „Es kommt viel Ware aus Italien und der Türkei rein.“

Leicht war der Neustart nicht. Erst nach 5 Jahren habe er profitabel gewirtschaftet, ohne finanziellen Polster aus den Firmenverkauf hätte er die ersten Jahre nicht überstanden, sagt der Fischzüchter. Sein zweites Standbein ist die Immobilienentwicklung. Die Immobilien der 24 Quester-Standorte hat die Familie nicht verkauft – sie werden von Quester verwaltet.