Wegen Glyphosat: Klagewelle gegen Bayer
Von Dirk Hautkapp
Die Zahl der Schadensersatzklagen in den USA wegen des unter Krebsverdacht stehenden Unkrautvernichters Glyphosat des deutschen Pharma- und Agrarkonzerns Bayer ist exorbitant gestiegen.
Vor einem halben Jahr waren es rund 20.000. Im Oktober gab Bayer die Zahl mit 42.700 an. Heute spricht der als Streitschlichter eingesetzte Top-Anwalt Kenneth Feinberg von “75.000 bis 85.000 oder sogar noch mehr”.
Feinberg berichtete von der drastischen Zunahme gegenüber dem Finanznachrichtendienst Bloomberg. Ein Bayer-Sprecher wurde mit der Aussage zitiert, Feinbergs Zahlen seien eine “spekulative Schätzung”.
Feinberg machte gleichzeitig die überraschende Andeutung, dass es binnen eines Monats einen umfassenden Vergleich zwischen Bayer und den übers ganze Land verstreuten Klägern geben könne - und damit ein Ende der juristischen Auseinandersetzungen. Zu den erwartbaren Summen, die Bayer zu zahlen bereit wäre, gab der bekannte Mediator keine Auskunft. Er sprach lediglich von “vorsichtigem Optimismus”. Experten gehen von einer hohen Milliardensumme aus.
Bayer hatte sich das Glyphosat-Problem 2018 mit dem Kauf des Saatgutherstellers Monsanto aus St. Louis für rund 60 Milliarden Dollar eingehandelt.
Aus den ersten drei Gerichtsverfahren vor amerikanischen Gerichten, in denen Kläger ihre Krebserkrankungen auf den langjährigen Einsatz von Glyphosat zurückführten, ging Bayer als Verlierer hervor und wurde zu Schadensersatzahlungen von insgesamt rund 190 Millionen Dollar verurteilt.
Letztinstanzlich und damit rechtsgültig ist noch keiner der Fälle abgehandelt. Bayer hofft auf Abweisung der Klagen in den höheren Instanzen. Der Leverkusener Konzern steht unverändert auf dem Standpunkt, dass Glyphosat nicht krebserregend sei.
Bayer bekam dabei zuletzt Unterstützung von der Umweltschutzbehörde EPA und dem Justizministerium in Washington. Beide Institutionen appellierten an ein Bundesberufungsgericht, ein Urteil aus Kalifornien aufzuheben. Dem an Krebs erkrankten Kläger Edwin Hardeman war wg. Glyphosat eine Entschädigung von zunächst 80 Millionen Dollar zugesprochen worden, die später auf 25 Millionen Dollar reduziert wurde. Bayer legte auch dagegen Berufung.
EPA und Justizministerium bekräftigten in einem Brief an das zuständige Gericht, dass Glyphosat nicht krebserregend sei.
Um der Vermittlungsarbeit von Anwalt Feinberg mehr Zeit zu geben, stimmte Bayer der Vertagung mehrerer anstehender Schadensersatz-Prozesse in diesen Wochen zu. Laut “Bloomberg” wird es dennoch in Kürze in San Francisco und St. Louis zwei Verfahren geben. Feinberg schloss nicht aus, dass ein Vergleich erzielt werden kann, bevor diese Prozesse beendet sind.