Jetzt fix: Dritte Piste am Flughafen Wien darf gebaut werden
Die dritte Piste am Flughafen Wien darf gebaut werden. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat als letzte Instanz Einsprüche (Revisionen) von Bürgerinitiativen abgelehnt. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist somit letztinstanzlich abgeschlossen - und der börsennotierte Flughafenbetreiber, der zu je 20 Prozent Wien und Niederösterreich gehört, hat eine rechtskräftige Genehmigung in der Tasche.
Das Verfahren zieht sich seit vielen Jahren und wurde auch schon vom Verfassungsgerichtshof behandelt. Das letzte Wort zu den Widerständen mehrerer Bürgerinitiativen hatte der VwGH. Dieser erklärte am Montag per Aussendung: "Mit Erkenntnis vom 6. März 2019 wies der Verwaltungsgerichtshof diese Revisionen als unbegründet ab und bestätigte damit die Bewilligung für den Bau der dritten Piste."
Vor 2030 nicht realistisch
Bis die Bagger anrollen, wird es aber noch Jahre dauern. "Vor 2030 ist es nicht realistisch, dass es die Piste geben wird. Und die Gesamterrichtungszeit muss man mit sechs, vielleicht sogar sieben Jahren veranschlagen", sagte Flughafen-Vorstand Günter Ofner am Montag.
Der Flughafen ist noch nicht einmal Eigentümer der Grundstücke, auf denen die Start- und Landebahn gebaut werden soll. Auch die Bundesstraße B10 muss verlegt werden. Eine Kapitalerhöhung zur Finanzierung des milliardenschweren Bauprojekts schloss Ofner am Montag aus. Eine solche sei aus heutiger Sicht nicht notwendig.
Anrainer meldeten zusätzlichen Fluglärm
Anrainer hatten in ihren Beschwerden zusätzlichen Fluglärm geltend gemacht, vor allem bei Landungen, die über das Wiener Stadtgebiet führen. Da die dritte Piste aber laut Antrag des Flughafens Wien nicht für solche Landungen vorgesehen ist, "deckt die nun erteilte Genehmigung eine solche Benützung der Piste auch nicht ab, was die Austro Control GmbH bei der künftigen Festlegung der Anflugrouten auf die dritte Piste wird beachten müssen", heißt es in der Mitteilung des VwGH von heute, Montag.
Für Proksch bleiben in der Entscheidung des VwGH Fragen offen: "Mir ist nicht klar, betrifft das wirklich nur die Landungen oder wie ist das mit Starts? Darf dann zwar über Wiener Stadtgebiet gestartet werden, aber nicht gelandet", stellte der Anwalt als Frage in den Raum. In der Regel sind startende Flieger lauter als bei landende.
Flughafen-Vorstand Ofner hat darauf eine Antwort: Die Stadt Wien werde schon derzeit möglichst verschont, "und das gilt natürlich umso mehr, wenn es dann die um drei Kilometer nach Süden versetzte dritte Piste gibt". Der Parallelbetrieb sollte Wien dann "deutlich entlasten", versprach Ofner den Wienern. Bei den noch nicht festgelegten Flugrouten gibt es laut Ofner noch keinen Zeitdruck.
Die für die Flugrouten zuständige Luftfahrtbehörde Austro Control erklärte, das grüne Licht für den Bau der dritten Piste sei zugleich der Startschuss für Gespräche im Dialogforum. Eine Dauer sei jedoch nicht absehbar. Das Dialogforum ist 2005 nach Abschluss eines Mediationsvertrags zwischen Flughafen Wien und mehreren Bürgerinitiativen aus Anrainergemeinden ins Leben gerufen worden und umfasst auch ein Schiedsgericht. Die Bürgerinitiativen des Dialogforums hatten sich nicht den gerichtlichen Auseinandersetzungen der Fluglärmgegner angeschlossen.
Fluglärmgegner kündigen Beschwerde an
Während der Flughafen von einem "wichtigen, positiven Tag für den Wirtschafts- und Tourismusstandort Österreich" spricht, beklagt der bei den Beschwerden führende Rechtsanwalt Wolfram Proksch das grüne Licht für das "klimaschädlichste Projekt Österreichs", wie er zur APA sagte. Proksch will nun mit einer Beschwerde bei der EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) erwirken. Auch an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg werde er sich wenden, kündigte Proksch an, der darüber hinaus eine Klimaschutzklage erwägt.
Nächster konkreter Schritt bei der dritten Piste ist die Festlegung der Flugrouten. Man werde diese, sobald sie via Verordnung vorliegen, beim Verfassungsgerichtshof beeinspruchen, kündigte Proksch an. Er kritisiert, dass die UVP durchgeführt wurde, ohne wissen zu können, wo die Flugrouten verlaufen werden. Damit habe man die Auswirkungen auf die Umwelt gar nicht berücksichtigen können. Wegen der unklaren Flugrouten und einer Entscheidung dazu in Deutschland hält Proksch das UVP-Verfahren weiter für EU-rechtswidrig.
Eine der längsten UVP-Verfahren
Die Umweltverträglichkeitsprüfung zur dritten Piste gilt als eines der längsten UVP-Verfahren in Österreich. Beantragt wurden am 1. März 2007 von der Flughafen Wien AG sowie dem Land Niederösterreich als Zweitmitbeteiligte beim Amt der niederösterreichischen Landesregierung die Errichtung und der Betrieb der "Parallelpiste 11R/29L" mit einer Gesamtlänge von 3.680 Metern. Die tatsächliche Prüfung begann 2011, als die Unterlagen vollständig vorlagen. Weil oft auch die Mediation mitgerechnet wird, ist auf politischer Ebene immer wieder eine jahrzehntelange Verfahrendauer kritisiert worden. Mit dieser Argumentation hat die ÖVP-FPÖ-Regierung im Vorjahr das Standortentwicklungsgesetz beschlossen, das künftige UVP beschleunigen soll.
Das erstinstanzliche Okay war im Juli 2012 durch die niederösterreichische Landesregierung erfolgt. Die Vorinstanz des VwGH, das Bundesverwaltungsgericht, hat zunächst 2017 den Bau untersagt, musste dieses Urteil jedoch 2018 nach Einwand des Verfassungsgerichtshofes revidieren. Das erste Urteil war unter anderem vom Flughafen Wien massiv kritisiert worden. Dazu hielt der Verwaltungsgerichtshof nun fest, "dass einzelne öffentliche Reaktionen auf das damalige Erkenntnis die Grenzen legitimer Kritik an gerichtlichen Entscheidungen und den entscheidenden Richtern überschritten haben". Für eine Befangenheit der Richter habe die öffentliche Kritik aber nicht gereicht.
Norber Hofert: "Erfreut und erleichtert"
"Erfreut und erleichtert" zeigt sich in einer Aussendung Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ): "Dieses Urteil garantiert die Fortsetzung der positiven Entwicklung des Flughafens und bringt den umliegenden Regionen in Wien und Niederösterreich Wachstum und Arbeitsplätze". Begrüßt wurde das grüne Licht für die dritte Piste am Montag unter anderem auch von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), dem Wiener SPÖ-Finanzstadtrat Peter Hanke sowie der Wirtschaftskammer. Kritik an der Entscheidung des VwGH und am UVP-Verfahren übten die Liste Jetzt (Liste Pilz), die Grünen in Niederösterreich und Wien sowie mehrere Umweltschutzorganisationen wie WWF, Greenpeace, Global 2000, Virus und der Klima-Aktionsgruppe "System Change, not Climate Change!".