VW-Chef Müller: "Wir müssen schneller werden"
VW-Chef Matthias Müller schreibt den Diesel noch lange nicht ab. Laut Automobilwoche erwägt er eine Kampagne, an der sich auch andere Hersteller beteiligen sollen. Im Gespräch mit ausgewählten Journalisten am Rande des Wiener Motorensymposiums sagte er konkret über ...
... den Dieselantrieb
Der Diesel hat nach wie vor großes Potenzial. Aber sauberere Verbrennungsmotoren werden teurer in der Herstellung, während Elektromotoren hingegen immer preiswerter werden. Noch fristen sie ein Nischendasein und auch 2025 werden noch drei von vier Neuwagen mit Benzin oder Diesel angetrieben. Aber die Zukunft fährt elektrisch und bis zu Beginn der nächsten Dekade sollten die Probleme beim Elektroantrieb zumindest ansatzweise gelöst sein. Und irgendwann gibt es den Zeitpunkt, an dem ein E-Auto gleich viel kostet wie ein Diesel und dann werden die Kunden entscheiden. Denn eines ist klar: Die anspruchsvollen CO2-Vorgaben müssen weltweit erfüllt werden. Ohne Elektro- und Dieselantrieb werden wir dabei nicht unser Ziel erreichen.
... rückläufige Verkaufszahlen von Dieselautos
Wir haben mit dem Dieselskandal einen erheblichen Beitrag dazu geleistet, aber auch andere Hersteller haben damit Probleme. Hinzu kommen Äußerungen von Politikern, Verbraucherschützern und NGOs, die zum Teil sehr unsachlich über den Diesel berichten. Wir müssen souverän bleiben, Ruhe bewahren, unsere Hausaufgaben machen und eben zeigen, dass der Diesel eine Zukunft hat. Das braucht Überzeugungsarbeit. Die derzeitige Situation ist eine Momentaufnahme, wobei die Frage ist, wie lange der Moment dauert.
... mögliche Fahrverbote für Diesel-Pkw
Das ist in vielen großen Städten ein Thema. Eine mögliche Lösung könnte eine Nachrüstung für Dieselfahrzeuge mit der Emissionsklasse 5 sein, die den Stickoxid-Ausstoß erheblich reduziert. Eine sehr aufwendige Lösung, die auch die Hardware umfasst, kostet 2000 bis 3000 Euro je Fahrzeug, einfachere Softwarelösungen sind günstiger, haben aber weniger Wirkung.
... fehlende Kompensationsangebote von Volkswagen für vom Skandal betroffene Kunden in Europa
Für den Konzern wäre das existenziell. Ich werde nichts tun, das die gesetzlichen Rahmenbedingungen außer Acht lässt und das Unternehmen gefährdet. Die Ausgangssituation in den USA ist im Gegensatz zum Rest der Welt völlig unterschiedlich. Wir haben bereits 4,5 Millionen Autos weltweit erfolgreich umgerüstet und dabei tauchen diese Fragen nur sehr vereinzelt auf.
... den Rückgewinn von Vertrauen der Konsumenten
Indem wir die Umrüstung ordentlich und pünktlich machen. Das Thema ist vor allem in Deutschland noch sehr präsent, in anderen Ländern sind wir schon längst wieder aus diesem Tal heraus.
... den Rückzug von Ferdinand Piëch als Großaktionär und Aufsichtsrat von Volkswagen und die Folgen für den Konzern
Man muss Respekt zollen für die Lebensleistung von Herrn Dr. Piëch, der diesen Konzern in den 90er-Jahren gestaltet und erfolgreich geführt hat. Dr. Winterkorn hat diesen Erfolg aufgegriffen und fortgesetzt. Die beiden waren genial, sie haben zu ihrer Zeit alles richtig gemacht. Die Demografie können wir aber nicht außer Acht lassen, der eine wurde soeben 80, der andere wird im Mai 70 und es kommt nun die nächste Generation, die ich vertrete. Durch die Vielzahl der Aufgaben, die vor uns liegen, ist es notwendig, mit anderen Entscheidungsstrukturen zu arbeiten. Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, den Konzern stärker zu dezentralisieren, um mögliche Entscheidungsstaus, die früher entstanden sind, aufzulösen, um schneller zu werden. Unsere konservativen, eingefahrenen Strukturen sind heute nicht mehr zeitgemäß.
... die Neuausrichtung des Konzerns
Wir müssen unsere Unternehmenskultur verändern, die sehr hierarchisch angelegt war. Das mittlere Management war nicht mehr bereit, Entscheidungen zu treffen, sondern hat alles nach oben delegiert. Das müssen wir wieder lernen. Dann werden wir auch wieder schneller und agiler. Wir sind in der Vergangenheit zu wolfsburgerisch an die Dinge herangegangen, wir müssen chinesischer, indischer und amerikanischer werden. Ich erlebe eine gewisse Aufbruchstimmung, auch wenn es etwas gedauert hat, bis sich so ein Riesen-Unternehmen dreht.
... den möglichen Verkauf einzelner Marken wie Ducati
So ein Konzern muss sein Portfolio immer wieder überprüfen. Das hat sowohl mit Zu- als auch mit Verkauf zu tun. Wir beschäftigen uns mit solchen Fragen dauerhaft. Aber Spekulationen sollten uns nie irritieren und vor allem nicht dirigieren. Wir wissen, was wir zum Wohle unseres Unternehmens und unserer Aktionäre zu welchem Zeitpunkt angehen müssen.
... die Auswirkungen des Elektroantriebs auf den Konzern
Ein E-Auto hat eine Wertschöpfung von rund 70 Prozent eines Autos mit Verbrennungsmotor. Und wenn die Industrie 4.0 mal so richtig etabliert ist, wird sich der Wertschöpfungsanteil auf 40 bis 50 Prozent reduzieren. Nur ich habe keine Angst um die Arbeitsplätze, es wird eine vergleichbare Anzahl benötigen, nur eben mit anderen Aufgabenstellungen. Weil die menschenähnlichen Roboter muss ja auch jemand anlernen, programmieren und pflegen. Da werden völlig neue Arbeitsgebiete und -profile entstehen. Mir liegt daran, dass wir uns frühzeitig mit diesen Themen beschäftigen und Erfahrungen im Rahmen von Pilotprojekten sammeln.
... neue Konkurrenz wie Google
Es war schon länger klar, dass hier neuer Wettbewerb entsteht. Bei Apple und Google gibt es viele Gerüchte, aber so richtig viel gesehen in Bezug auf Fahrzeugprojekte hat man noch nicht. Beide Unternehmen werden erkennen, wie komplex das Gebilde Fahrzeug letztlich ist. Es ist und bleibt ein spannender Wettstreit, wir müssen unsere Hausaufgaben machen und unsere Erfahrung einbringen. Ob es ein kooperatives Miteinander geben kann, hängt letztlich vom Rollenverständnis ab. Wir wissen, was wir können und wollen unsere führende Rolle beibehalten, dafür müssen wir sehr hart arbeiten.