VIG schmerzt Ukraine-Krieg vor allem menschlich
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hält die Vienna Insurance Group (VIG) vor allem in menschlicher Hinsicht in Atem. Der börsennotierte Konzern sprach am Dienstag bei der Bilanzpräsentation von einer "dramatischen Situation", die "tief betroffen" mache. In der Ukraine nimmt die VIG mit 1.400 Mitarbeitern 100 Mio. von 11 Mrd. Euro Konzernprämie ein. Im Jahr macht man dort 10 Mio. Euro Gewinn, das Exposure beträgt 60 Mio. Euro, in Russland 220 Mio. Euro.
Die 220 Mio. Euro beziehen sich auf die Kapitalveranlagung der gesamten VIG-Gruppe und betrifft laut Finanzvorständin Liane Hirner russische Staatsanleihen und Corporate Bonds, die vor allem von Wien aus veranlagt seien. Es handle sich um weniger als ein Prozent der VIG-Kapitalanlagen, "ein Ausfall wäre gut zu verkraften". Ende 2021 verfügte der Konzern über 37,3 Mrd. Euro Kapitalanlagen. In der Ukraine gehe es um 60 Mio. Euro Investments, der mögliche Maximalverlust wären 55 Mio. Euro Net Assets.
"Dramatisch"
Als "dramatisch" bezeichnete Vize-Konzernchef Hartwig Löger im Bilanzpressegespräch die Situation, die Bilder und die Nachrichten aus der Ukraine. Seit 2004 habe die VIG dort das Geschäft aufgebaut. Man sei mit drei Gesellschaften, die im Vorjahr 108 Mio. Euro Prämie erzielten, mit sieben Prozent Marktanteil die Nummer 3 in dem Land. Im Schnitt der letzten drei Jahre habe man jährlich 10 Mio. Euro Gewinn in der Ukraine gemacht, sagte Löger, der die positiv auf Corona getestete Konzernchefin Elisabeth Stadler vertrat.
In der Früh hatte Stadler in einer Aussendung erklärt, der Krieg in der Ukraine "macht uns tief betroffen". Mit großer Sorge müsse man beobachten, dass heute Menschen in einem europäischen Land der Gefahr um Leib und Leben ausgesetzt seien. Löger berichtete von einer Solidaritätswelle ab Kriegsbeginn innerhalb der Gruppe, ausgehend von Polen, wo schon an die 200 Familien von Mitarbeiterinnen aus der Ukraine versorgt und untergebracht seien.
Schwieriger Ausblick
Ähnliche Aktivitäten gebe es in Tschechien, Ungarn, Rumänien und Moldawien. Es gebe "eine unglaubliche solidarische Unterstützung" auf allen Ebenen. "Wir gehen davon aus, dass wir hier weiter aktiv werden müssen", so Löger: "Wir hoffen, dass dieses schreckliche, dramatische Ereignis bald ein Ende finden kann."
Die Krise werde direkte und viele indirekte Auswirkungen haben, dessen sei man sich in der VIG bewusst, sagte der Vize-Chef. Wegen der wirtschaftlichen Unsicherheiten und etwaigen Volatilitäten durch die Kriegssituation in der Ukraine sei ein Ausblick auf 2022 schwierig, hatte schon Stadler betont. Auch die noch anhaltende Pandemie, die Inflation, hohe Rohstoffpreise, Probleme bei den Lieferketten und Ressourcenknappheit könnten zu erhöhten Risiken führen und die VIG-Märkte entsprechend beeinträchtigen.
2021 hat die VIG die Ergebnisse kräftig gesteigert: Der Vorsteuergewinn (EGT) legte um 48 Prozent auf 511 Mio. Euro zu, der Nettogewinn um 62 Prozent auf 376 Mio. Euro. Daher soll die Dividende von 75 Cent auf 1,25 Euro je Aktie steigen. Die Combined Ratio - Kosten und Schäden gemessen an den Einnahmen - verbesserte sich auf 94,2 Prozent.
Im Gesamtkonzern wuchsen die verrechneten Prämien um 5,5 Prozent auf 11,00 Mrd. Euro. In der Sonstigen Sachversicherung legte man dabei um 8,0 Prozent auf 5,27 Mrd. Euro zu, in der Lebensversicherung gegen laufende Prämie um 2,8 Prozent auf 2,68 Mrd. Euro, in der Kfz-Haftpflicht um 7,0 Prozent auf 1,61 Mrd. Euro und in der Auto-Kasko um 8,7 Prozent auf 1,40 Mrd. Euro. Die Krankensparte wuchs um 5,7 Prozent auf 743 Mio., bei den Einmalerlägen gab es strategiekonform einen Rückgang um 1,7 Prozent auf 869 Mio. Euro.
Über 60 Prozent der Prämien aus dem Ausland
Fast 62 Prozent der Konzernprämien wurden außerhalb Österreichs erwirtschaftet. Im CEE-Raum insgesamt kommt die VIG auf 19 Prozent Marktanteil. In 60 Prozent der Märkte ist die VIG bereits unter den Top 3, bis 2025 soll das überall so sein (außer Slowenien). Die Versicherungsleistungen stiegen um 1,6 Prozent auf 7,14 Mrd. Euro - auch wegen gewisser Nachholeffekte nach dem ersten Corona-Jahr 2020.
Nach dem grünen Licht zum geplanten Erwerb des Aegon-Osteuropageschäfts in Ungarn soll zunächst in dem Land in den nächsten Woche ein Closing erzielt werden, so Löger. Parallel dazu würden die entsprechenden Bemühungen auch in Polen, Rumänien und der Türkei laufen, dort solle ein Abschluss der Transaktion in den nächsten Monaten erfolgen.
Der im November 2020 verkündete Deal sah den Erwerb des Aegon-Asskuranzgeschäfts in diesen vier Ländern für 830 Mio. Euro vor. Dieser Kaufpreis sei unverändert, allenfalls könnte er sich durch seither geflossene Dividenden verringern, so Löger, der von 2011 bis 2017 Chef der "UNIQA Österreich" war und von 2017 bis 2019 Finanzminister, ehe er Anfang 2021 in den VIG-Vorstand einzog.
Das Prämienvolumen des Aegon-CEE-Geschäfts betrug zuletzt circa 600 Mio. Euro, 2019 wurde ein Nettogewinn von 50 Mio. Euro erzielt, sagte CFRO Hirner. Nicht vergessen werden dürfe das Asset Management von Aegon in CEE, das 1,8 Mrd. Euro verwalte. Mit dem Aegon-Deal bekomme der VIG-Konzern rund viereinhalb Millionen Kunden dazu. 2021 zählte der VIG-Konzern 25.684 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nach 25.680 im Jahr davor.