Verstaatlichungs-Streit: Gabriel vergleicht Kühnert mit Trump
In der vom deutschen Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert angestoßenen "Enteignungsdebatte" hat Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel den Parteikollegen mit harschen Worten kritisiert. "Nur der mediale Effekt und das eigene Ego sind wichtig", schrieb Gabriel am Wochenende im Handelsblatt. Das sei die "Methode Donald Trump".
Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, begrüßte dagegen grundsätzlich die Debatte über gesellschaftliche Ungleichheit. Nach BMW ging auch der Daimler-Betriebsrat auf Distanz zur SPD.
Gabriel schrieb weiter: "Wer als Sozialdemokrat die Enteignung und Sozialisierung großer Industrien fordert (gemeint ist natürlich Verstaatlichung, das klingt aber nicht so schön), dem ist die Aufmerksamkeit der Medien gewiss." Kühnert ignoriere aber "100 Jahre empirisch gesicherte Erfahrung mit staatlich gelenkten Volkswirtschaften", nämlich, "dass sie wegen mangelnder Effizienz und Qualität bankrottgehen und zudem auch für die sozialen Verelendung ihrer Beschäftigten sorgen".
Es gehe Kühnert "darum, tagelang die veröffentlichte Meinung zu bestimmen", so Gabriel in seinem Gastbeitrag für das "Handelsblatt". Es entstehe der Eindruck, "als stünde Deutschland kurz vor der Ausrufung der Sowjetrepublik". Bewusste Tabubrüche, das Ignorieren von Fakten und Empirie, das Mobilisieren populistischer Sehnsüchte und die Inkaufnahme der Beschädigung der eigenen Partei - all das sei "die Methode Donald Trump".
"Überwindung des Kapitalismus"
In einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit hatte Kühnert unter Hinweis etwa auf den Automobilkonzern BMW gesagt: "Ohne Kollektivierung ist eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar." Wie genau solche Vergesellschaftungen ablaufen sollten, ließ Kühnert allerdings offen. Auch private Wohnungsvermietungen soll es nach seiner Auffassung im "Optimalfall" nicht mehr geben. In der neuen Ausgabe des Nachrichtenmagazin Der Spiegel bekräftigte Kühnert seine Positionen.
Nach dem Betriebsratschef von BMW kritisierte auch der Gesamtbetriebsrat des Daimler-Konzerns die Äußerungen Kühnerts. "Ich teile die Meinung, dass die SPD für Arbeiter immer schwerer wählbar wird", sagte dessen Vorsitzender Michael Brecht der "Bild"-Zeitung vom Samstag. Die SPD müsse sich überlegen, wofür sie stehen wolle: "Für sichere Arbeitsplätze und eine nachhaltige Industriepolitik oder für realitätsferne Fantasien, die am Ende nur Arbeitsplätze kosten und die soziale Ungleichheit erhöhen." Zuvor hatte BMW-Gesamtbetriebsratschef Manfred Schoch Kühnert wegen seiner Aussagen über eine Kollektivierung von BMW scharf angegriffen und gesagt: "Für Arbeiter deutscher Unternehmen ist diese SPD nicht mehr wählbar."
"radikaler DDR-Verharmloser"
Der Chef der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Alexander Dobrindt, sagte Bild am Sonntag, Kühnert sei ein "radikaler DDR-Verharmloser, den man selber aber nicht verharmlosen darf". SPD-Vize Ralf Stegner sagte dagegen der Zeitung, Kühnert spreche "die richtigen Probleme der Menschen an wie explodierende Mieten, Klimawandel oder Profitgier".
Die SPD-Spitzenkandidatin bei der Europawahl, Barley, sagte dem Bonner "Generalanzeiger" mit Blick auf Enteignungen: "Das Grundgesetz sagt ziemlich klar, unter welchen Voraussetzungen solche Maßnahmen vorgenommen werden können." Vielen Menschen "geht es doch total gegen den Strich, wenn nur Geld die Welt regiert. Dass zunehmend auch unsere gesellschaftliche Ordnung immer mehr den Gesetzen des Marktes unterworfen ist". "Darüber muss man auch reden dürfen", betonte Barley. Die Beteiligung von Arbeitnehmern am Unternehmen, für das sie arbeiten, "klingt doch erst einmal nicht völlig abwegig". Es gehöre zu Kühnerts Job als Juso-Chef, zuzuspitzen, sagte Barley.
SPD-Chefin Andrea Nahles hatte sich schon am Freitag von den Äußerungen Kühnerts zur Vergesellschaftung von Großbetrieben distanziert. "Man kann richtige Fragen stellen und trotzdem falsche Antworten geben", sagte Nahles.