Wirtschaft

Bonus und Malus für Börse Wien

Erinnern Sie sich noch an den 9. März 2009? Damals wurde unter anderem der Erpresser der deutschen Milliardärin Klatten zu sechs Jahren Haft verdonnert. Die Barbie feierte ihren 50. Geburtstag. Und die Börsen setzten nach der Finanzkrise zur mittlerweile fast fünfjährigen Aufholjagd an. Bilanz dieser 60 Monate: Der S&P-500-Index der New Yorker Börse gewann 173 Prozent, der japanische Nikkei 109 Prozent und der Frankfurter DAX (ohne Dividenden gerechnet) 120 Prozent.

Der Wiener ATX brachte es immerhin auf 90 Prozent. Klingt hervorragend, doch wer erst später einstieg, kann von solchen Werten nur träumen. Seit Ende 2010 hat der Wiener Leitindex sieben Prozent verloren, während die Frankfurter Konkurrenz deutlich im Plus liegt (siehe Grafik). Die deutsche Börse hat der österreichischen eindeutig den Rang abgelaufen. Gründe dafür sieht Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International (RBI), mehrere.

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Wachstum Vor dem Rezessionsjahr 2009 konnte Österreich den großen Nachbarn regelmäßig übertrumpfen, wenn es um die Konjunktur ging. Von 2000 bis 2008 schaffte Deutschland ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent pro Jahr, Österreich ein Plus von 2,3 Prozent. Dann allerdings fiel Österreich zurück. Im Zeitraum 2010 bis 2016 wird Deutschland voraussichtlich auf ein jährliches Wachstum von 2,0 Prozent kommen, Österreich nur auf 1,6 Prozent.

Abgaben Mit ein Grund für die schwächere Konjunktur ortet Brezinschek in der Last an Steuern und Abgaben, die in Österreich viel schwerer wiegt. Die Abgabenquote (in Prozent der Wirtschaftsleistung) liegt hierzulande bei 45,4 Prozent, in Deutschland bei etwa 40 Prozent.

Zentral- und Osteuropa Von der sogenannten Ostfantasie haben in früheren Jahren auch die Kurse an der Wiener Börse enorm profitiert. Seit der Wirtschaftskrise kommt die Konjunktur in diesem Raum aber nur zäh in Schwung. Das erwies sich als Last für die Wiener Börse, an der viele Unternehmen notieren, die nach Osten orientiert sind. Den Ostbörsen hat diese Entwicklung ebenfalls nicht gutgetan. Im Vergleich zu Ende 2010 liegen etwa Warschau oder Moskau im Verlustbereich.

Dieser Ost-Malus sei aber jetzt wieder dabei, sich in einen Bonus zu verwandeln, meint Analyst Brezinschek. Etliche Länder aus diesem Raum kommen wieder auf Wachstumsraten, die spürbar höher ausfallen als jene im Westen – ein Pluspunkt auch für die Wiener Börse.

Es gibt weitere Gründe, warum das Match Frankfurt-Wien heuer einen Sieg der heimischen Börse bringen könnte. Der DAX ist zwar nicht überteuert, von attraktiv ist aber auch keine Rede mehr. Im Vergleich dazu ist der ATX geradezu billig. Wertpapierexperten gehen daher davon aus, dass auch internationale Großanleger auf kleinere, günstigere Märkte wie Wien aufmerksam werden. Die 20 Unternehmen, die im ATX enthalten sind, werden heuer ein Gewinnplus von immerhin 20 Prozent vorweisen können.

Bei vielen heimischen Unternehmen ist die Dividendenrendite (Dividende im Verhältnis zum Aktienkurs) höher als die Dividende ihrer Anleihen. Auch das spreche für Aktieninvestments, meint Brezinschek. Korrekturen um insgesamt zehn bis 15 Prozent seien jederzeit möglich. Die sollte man für Zukäufe nutzen. Zum Kauf empfiehlt er etwa OMV, Mayr-Melnhof, UNIQA, Immofinanz und CA Immo.

Nur rund drei Prozent der Österreicher besitzen Aktien. Wenig verwunderlich, sieht man sich die Ergebnisse einer Imas-Umfrage im Auftrag der Erste Bank an. Demnach wissen 41 Prozent der 900 Befragten nicht, was der Begriff "Wertpapier" bedeutet. Immerhin 50 Prozent kennen Aktien, 21 Prozent nennen Anleihen, 17 Prozent Fonds. Für drei Prozent zählen fälschlicherweise auch Sparbücher dazu. Nur 19 Prozent stehen Wertpapieren positiv gegenüber. "Uns ist es ein Anliegen, dass sich die Menschen mit dem Thema Wertpapier auseinandersetzen", sagt Peter Bosek, Privatkundenvorstand der Erste Bank.

Das Institut will die Menschen über Wertpapiere aufklären, "aber nicht aus Sparprodukten ins Risiko treiben", wie Bosek betont. Dennoch: "Das internationale Zinsniveau ist ultra-nieder, wir können nicht höhere Zinsen zahlen." Da dies laut Thomas Schaufler, Vorstand der Erste Asset Management, noch längere Zeit so bleiben wird, sollten sich Sparer Alternativen überlegen.

Schließlich verliert das Geld auf den Sparbüchern laufend an Wert. Im Vorjahr hätte z. B. alleine eine Umschichtung aller täglich fälligen Einlagen in Österreich mit 0,125 Prozent Verzinsung auf ein 12-Monats-Sparbuch (im Schnitt 0,68 Prozent Zinsen) rund 338 Mio. Euro mehr eingebracht.

Immerhin: Laut Umfrage wissen 80 Prozent, dass sie mit Sparbüchern Geld verlieren. Beliebteste Wertpapiere sind laut Schaufler Wohnbauanleihen und Investmentfonds.