Vatikan feuert seinen Chefbankier
Von Michael Bachner
Die Entscheidung in der Verwaltungsratssitzung des Istituto per le Opere di Religione (zu Deutsch: Institut für die religiösen Werke) – besser bekannt unter Vatikanbank – fiel einstimmig. Nach nicht einmal drei Jahren im Amt muss der Präsident seinen Posten räumen. Ettore Gotti Tedeschi (67), erst im September 2009 als neuer Saubermann installiert, konnte die in ihn gesteckten Erwartungen nicht erfüllen.
Trauer
Im Gegenteil: Ungeachtet verschiedener Ermahnungen habe sich die "Lage noch verschlechtert". Die Vorstandsmitglieder erfülle der Schritt mit "Trauer", er sei aber wichtig, um die "Vitalität" der Bank zu bewahren, hieß es in einer Stellungnahme aus Rom.
Die Rede ist von den Geldwäsche-Ermittlungen der italienischen Justiz, die schon seit 2010 laufen. Tedeschi und einem weiteren Bankmanager wurde und wird dabei vorgeworfen, bei Finanztransaktionen die Namen der wahren Auftraggeber verschwiegen und damit gegen italienische Geldwäsche-Gesetze verstoßen zu haben.
Sämtliche Vorwürfe wurden vom Vatikan und Tedeschi jedoch stets bestritten, daher kommt der jetzige Rauswurf auch überraschend. Beobachter sehen darin den neuerlichen Versuch von Papst Benedikt XVI., das angepatzte Image des IOR wiederherzustellen.
Schon im Vorjahr hat der Papst ein neues Gesetz gegen Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung – mit teils drakonischen Strafen – erlassen. Geschaffen wurde auch eine eigene Finanzaufsicht im Vatikan und somit neue Regeln, wie die Geldflüsse in den und aus dem Vatikan besser kontrolliert werden können.
Das IOR ist dabei stets zentraler Angelpunkt. Das päpstliche Geldhaus verwaltet auch Gelder katholischer Orden, zahlreicher Diözesen und Wohlfahrtsverbände. Außerdem agiert das Institut als Sparkasse, hat Anteile an anderen Banken und tritt seit den Siebzigerjahren international als Investmentbank für die Anlagegeschäfte der Kurie auf.
Intransparenz
Bilanzen oder Rechenschaftsberichte werden traditionell nicht veröffentlicht, daher gibt es auch nur Schätzungen über das Anlagevolumen. Manche Quellen sprechen von fünf Milliarden Euro. Genaues wissen nur wenige Eingeweihte.
Mehr als einmal waren unsaubere Finanzgeschäfte des IOR in der Vergangenheit in die Schlagzeilen geraten. Oftmals war von Geldwäsche, Betrügerei oder gar Mafia die Rede. Höhepunkt der Skandalserie war sicherlich der betrügerische Zusammenbruch der Mailänder Banco Ambrosiano Anfang der 1980er-Jahre (siehe Zusatzgeschichte rechts), an der die Vatikanbank maßgeblich beteiligt war.
Mit all dem sollte Tedeschi aufräumen, als er im Herbst 2009 Angelo Caloia beerbte, der das IOR 20 Jahre lang geleitet hatte. Zu diesem Zeitpunkt war Tedeschi langjähriger Italien-Chef der spanischen Großbank Santander, schrieb als Kommentator regelmäßig über Wirtschaftsthemen für die vatikanische Tageszeitung L’Osservatore romano und dozierte Finanzethik an der katholische Universität in Mailand.
Das Opus-Dei-Mitglied Tedeschi hat neben anderen Schriften auch das Werk "Denaro e Paradiso" (zu Deutsch: Geld und Paradies) verfasst und stets beste Kontakte in den Vatikan unterhalten. All das hat ihm jetzt nichts mehr geholfen, das Misstrauensvotum gegen ihn war eindeutig.
Wie es in der Vatikanbank weitergeht, ist offen. Der Heilige Stuhl hofft nun, einen neuen Präsidenten zu finden, der helfen wird, die "effektiven und weitreichenden Verbindungen mit der Finanzwelt wieder herzustellen", die auf dem "gegenseitigen Respekt" und auf "international akzeptierten Banken-Standards" aufbauen.
Marcinkus, der Bankier Gottes
Die Vatikanbank war 1982 in ihren größten Skandal verwickelt. Damals war die Bank als Mitinhaberin der Mailänder Banco Ambrosiano in ihren betrügerischen Bankrott involviert. Ambrosiano-Chef Roberto Calvi wurde gehenkt unter der Blackfriars Bridge in London aufgefunden. Im Zuge der Ermittlungen um den rätselhaften Tod Calvis – Mord oder Selbstmord ist bis heute nicht geklärt – musste auch der US-Erzbischof und Chef der Vatikanbank, Paul Marcinkus, zurücktreten. Der amerikanische Monsignore galt seit den Siebzigerjahren als "Bankier Gottes". Der Vatikan wies zwar jede Schuld von sich, zahlte aber 240 Mio. Dollar Entschädigung an die Gläubigerbanken der Banco Ambrosiano. Marcinkus starb 2006.