USA bringen sich als Gaslieferant für Europa in Stellung
Von Anita Staudacher
Kann die USA bei einem Liefer-Stopp aus Russland als neuer, großer Gas-Lieferant für Europa einspringen? Kurzfristig nein, langfristig sehr wohl, glaubt Franz Rössler, bis vor Kurzem Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Chicago. "Gasexporte nach Europa sind derzeit ein heißes Thema, weil die Produzenten liefern wollen. Kurzfristig wird da aber nichts kommen", sagt Rössler.
Es gibt sowohl politische als auch logistische Hürden. Produzenten, die Flüssiggas exportieren wollen, müssen beim US-Energieminister um eine Genehmigung ansuchen. Die Regierung hat wegen ihrer Re-Industrialisierungspolitik ein Interesse daran, den Gaspreis im Inland niedrig zu halten und koppelt ihn vom Weltmarkt ab. Laut Medienberichten wurden von 20 Anträgen auf Flüssiggas-Ausfuhren in den vergangenen Jahren nur sechs genehmigt. Die Lieferungen gingen durchwegs an befreundete Staaten mit strategischem Interesse.
Kapazitäten hätten die USA genug: Der Schiefergas-Boom (Stichwort "Fracking") hat dazu geführt, dass das Land mehr Öl und Gas produziert als es verbrauchen kann. Laut Umweltschutzorganisationen wird mehr als 20 Prozent des beim Fracking geförderten Erdgases ungeachtet der ökologischen Folgen einfach abgefackelt.
Die Produzenten können mit Billig-Preisen neue Gas-Förderungen aber kaum noch finanzieren und drängen auf eine Freigabe der Gas-Exporte nach Europa. "Es gibt deutliche Signale, die nötigen Exportlizenzen zu erteilen", sagt Rössler. Die Lieferungen dürften zunächst an verbündete Staaten gehen.
Logistik-Probleme
Ein Problem für die Verschiffung nach Europa ist die noch wenig vorhandene Infrastruktur wie Pipelines von den Fracking-Gebieten zu den Häfen sowie die recht teuren Flüssiggas-Anlagen. Teilweise werde auch versucht, das Gas verstärkt per Bahn zu transportieren, berichtet Rössler. Einen größeren Flüssiggas-Terminal gibt es derzeit nur an der texanischen Golf-Küste, weitere sind erst in Bau. Experten rechnen daher frühestens 2015 oder 2016 mit größeren Flüssiggas-Ausfuhren nach Europa und Asien. Mischen die USA am Weltmarkt mit, würde dies wohl den Gaspreis drücken und damit vor allem Europas wichtigsten Gaslieferanten Russland schaden. In den USA könnten die Produzenten den Gaspreis – derzeit beträgt er ein Drittel des europäischen – anheben. Der viel gepriesene "Energie-Bonus" gegenüber der europäischen Industrie wäre dann Geschichte.
Export-Chancen
Für Österreichs Export-Wirtschaft sieht Rössler dennoch großes Potenzial – etwa im Maschinen- und Anlagenbau für die Fahrzeugindustrie oder in der Medizin- und Sicherheitstechnik. Auch im Infrastrukturbereich gebe es Nachholbedarf, die Konjunkturprogramme der Regierung hätten sich hier noch nicht ausgewirkt. Die USA sind Österreichs drittwichtigster Handelspartner. Im ersten Halbjahr stiegen die Exporte um sechs Prozent auf 3,76 Mrd. Euro. 200 heimische Firmen haben Produktionsstandorte in den USA, insgesamt beschäftigen sie 26.000 Mitarbeiter.