Überraschende Stärke: Dollar wird bald einen Euro kosten
Von Christine Klafl
Bei einem Wahlsieg Donald Trumps werde der US-Dollar in die Knie gehen, hieß es noch vor gut einer Woche. Das Gegenteil ist allerdings der Fall. Derzeit wird ein Euro für rund 1,07 Dollar gehandelt. So "billig" war der Euro schon seit vielen Monaten nicht mehr. Die Muskeln lässt der Greenback auch gegenüber anderen Währungen spielen, vor allem jene aus Schwellenländern sind heftig unter Druck. Ist die Unsicherheit, die Trump an den Finanzmärkten verbreitete, tatsächlich so rasch vergessen? "Nein", sagt Gerhard Winzer, Chefvolkswirt der Erste Asset Management. Aber der Charakter der Unsicherheit habe sich verändert. Das Risiko von Handelskriegen werde aktuell vollkommen ausgeblendet. Im Fokus stehe dafür, wie sehr Trump die Steuern senken und die Staatsausgaben erhöhen wird. Beides werde zwar Defizit und Schulden aufblähen, hilft zuerst einmal aber der Wirtschaft – und damit auch der Währung.
Zudem gilt es unter Analysten fast als sicher, dass die US-Notenbank unter Chefin Janet Yellen bei ihrer nächsten Sitzung am 14. Dezember die Leitzinsen anheben wird (nach einem ersten Schritt im Dezember des Vorjahres). Auch das unterstützt den Dollar, weil in anderen Weltgegenden – etwa im Euroraum – von Zinsanhebungen noch lange keine Rede ist. Höhere Zinsen bringen dem Dollar zusätzlichen Auftrieb. Zumal 2017 weitere Zinsschritte folgen werden.
Ökonom Winzer geht daher aus, dass es im Verhältnis zwischen Euro und Dollar bald 1:1 stehen wird (Parität genannt). Gut für die exportorientierte Wirtschaft Europas bei Lieferungen in den Dollar-Raum.
Italien
Die mögliche Fiskalpolitik der künftigen Trump-Regierung und die Geldpolitik der US-Notenbank sind allerdings bei Weitem nicht allein verantwortlich dafür, dass der Euro billiger geworden ist. Schuld ist etwa auch das Referendum in Italien am 4. Dezember. Premier Matteo Renzi lässt über seine geplante Verfassungsreform abstimmen, mit der er das Land stabiler und regierbarer machen will. Bei einem Nein zur Reform könnte es kräftige Verwerfungen an den Finanzmärkten geben, wird befürchtet. Die Angst vor einem EU-Austritt Italiens könnte die Runde machen.
Referendum in Italien, nächstes Jahr dann Wahlen in Frankreich und danach in Deutschland – angesichts dieser Unsicherheiten "wird der Euro weiter zur Schwäche tendieren", sagt Ronald Stöferle, Ökonom und Gold-Experte. Steigende Zinsen wie demnächst in den USA sind üblicherweise schlecht für den Goldkurs – weil Gold keine Zinsen abwirft. Stöferle geht aber trotzdem davon aus, dass sich die Unze Gold, die derzeit gut 1220 Dollar kostet, auf 1250 bis 1300 Dollar verteuern wird. Die Begründung dafür: Mit den US-Zinsen wird auch die Inflation steigen, die Realzinsen werden weiter im Negativbereich bleiben.
1,1 Billionen weg
Durch den für viele überraschenden Wahlsieg Trumps sind Groß- wie Kleinanleger auf dem falschen Fuß erwischt worden. Wie sehr sie ihre Veranlagungen nun umschichten, zu einem guten Teil Richtung Aktienbörsen, ist an einer unglaublichen Summe abzulesen: Seit der Ausgang der Wahl vor gut einer Woche bekannt wurde, rutschten die Kurse aller Anleihenpapiere rund um den Globus um insgesamt mehr als eine Billion (1000 Milliarden) US-Dollar ab. Das zeigt ein Index, den die Bank of America Merrill Lynch berechnet.