Wirtschaft

Toni Mörwald: "Verbote verbessern gar nichts"

KURIER: Die Empörung in Ihrer Branche ist groß, Stichwort Wutwirte. Allergenverordnung, barrierefreier Zugang, Registrierkassen – ist das alles nicht ein bisschen viel?

Toni Mörwald: Die Aufregung über die Registrierkassen finde ich völlig unnötig. Wer an der Wirtschaft teilnimmt, soll sich an die allgemeinen Wettbewerbsregeln halten. Wichtig ist eine aufrichtige und transparente Erlösgestaltung. Dass manche jetzt überrascht sind, ist total unverständlich. In vielen anderen Branchen, etwa bei Ärzten, gilt die Registrierkassenpflicht auch, nur redet keiner darüber.

Sie halten es nicht für klug, wenn die Wirte demonstrieren?

Unnötig, das ist ein schlechtes Signal. Weil es so ausschaut, als hätte man etwas zu verbergen.

Mit den Registrierkassen haben Sie kein Problem?

Ich bin mehr als 25 Jahre Unternehmer und hatte nie ein Problem damit. Unternehmertum basiert auf Vertrauen und Transparenz.

Es heißt, in der Gastronomie könnten viele Betriebe ohne Schwarz-Umsätze gar nicht überleben.

Solche Betriebe gibt es. Wir sind mitten in einem Strukturbereinigungsprozess, wie er in anderen Branchen schon länger stattfindet. Insgesamt haben wir um die 80.000 Gastronomie-Betriebe, das ist sehr viel für die Einwohnerzahl Österreichs.

Gibt es in Österreich zu viele Wirtshäuser?

Der kleine Betrieb, der bei den Gästen so beliebt ist, rechnet sich heute oft wegen der vielen Auflagen nicht mehr. Man muss täglich sogar die Kühltemperatur aufschreiben, dazu kommen die Zeitaufzeichnungen für die Mitarbeiter etc. Alles Verwaltungsarbeiten, die auch ein Betrieb mit zwei oder drei Mitarbeitern erledigen muss. Das beansprucht so viel Arbeitszeit des Unternehmers, dass er für den Gast kaum noch Zeit hat und den Spaß am Job verliert. Und wenn man dafür einen Mitarbeiter anstellt, rechnet es sich erst recht nicht.

Bürokratie und Verwaltung haben ein Ausmaß, das kleine Unternehmen gefährdet?

Ja. Die kleinen Familienbetriebe sind das große Asset Österreichs. Das macht unser Land für Gäste so liebenswürdig und gemütlich. Solche Strukturen gibt es sonst nirgendwo. Denken Sie an die Tourismusindustrie in der Türkei oder in Fernost mit Resorts mit Tausenden Betten.

Wäre noch das Rauchverbot.

Das ist überhaupt paranoid. Es wird wegen der Mitarbeiter eingeführt, die selbst oft am meisten rauchen. Aber es geht nicht nur ums Rauchen. Zuerst nimmt man den Gästen die Zigarette weg, dann das Glas Wein und irgendwann auch das Essen. Essen kann krank und dick machen und zum Tod führen. Aber wer 14 Tage nicht isst, stirbt auch. Verbote sind gesellschaftspolitisch schlecht, weil sie ausgrenzen und abgrenzen und die Welt noch nie verbessert haben. Stattdessen gehören Ideen und Innovationen unterstützt. Wo Freiraum ist, entstehen neue Geschäftsideen und neue Jobs. Die Hälfte der Gesetze und Vorschriften gehört in den Mistkübel.

Ein Appell an die Politik?

Natürlich. Die Vielzahl an Einschränkungen macht die Menschen müde und nimmt ihnen den Spaß und die Freiheit. So entsteht negative Stimmung, das ist keine gute Entwicklung für die Wirtschaft. Wir brauchen Euphorie, Ideengeber, Emotionen und Innovationen.

Damit meinen Sie sicher nicht nur den Tourismus?

Natürlich nicht. Das zieht sich vom Verkehr bis zu den Banken. Die Regulatorien sind so streng, dass bei jedem Kreditgeschäft zehn Banker anmarschieren. Wofür gibt es ein Risikomanagement, wenn man 150 Prozent Sicherheit braucht? Eine gute Idee ist heute zu wenig. Ich denke da an die junge Generation, für die es immer schwieriger wird, etwas aufzubauen. Aber Wirtschaft hat doch auch mit einer gewissen Bereitschaft zum Risiko zu tun. Wenn ich mehr tue als andere, sollte sich das am Ende des Tages eigentlich auszahlen. Wenn alles reguliert wird und nur das Mittelmaß herrscht, wird’s bedenklich. Eine Million Menschen ist ohnehin vom Staat abhängig.

Die Beamten und wer noch?

Der öffentliche Dienst und das Arbeitsmarktservice sind die zwei größten Arbeitgeber im Land. Oder kennen Sie eine Firma, die mehr als 500.000 Leute beschäftigt?

Im Tourismus ist die Arbeitslosigkeit auch in Saisonzeiten hoch. Gleichzeitig suchen Unternehmen Mitarbeiter. Wie geht das zusammen?

Kein Koch und kein Kellner in Österreich, der arbeiten will, muss arbeitslos sein. Aber wenn jemand mit Arbeitslosengeld und etwas Schwarzarbeit zusätzlich mehr verdient als diejenigen, die täglich ihren Job machen, dann ist Nichstun zu attraktiv. Der Beruf braucht auch eine gewisse Wertschätzung. Ständig wird behauptet, dass die Mitarbeiter im Tourismus nur ausgebeutet werden. Was ist mit Ärzten oder Polizisten, die sind oft 30 Stunden im Einsatz? Sinnvoll wäre ein Arbeitskonto für jeden Mitarbeiter, und das Unternehmen ruft die Arbeitszeit nach Bedarf ab. BMW hat so ein Modell entwickelt.

Die Arbeitszeiten sind halt nicht sonderlich attraktiv.

Wir im Tourismus müssen die Leistung bringen, wenn die anderen Menschen Urlaub machen. Da kann ich doch nicht sagen, am Wochenende wird nicht gearbeitet und die Feiertage sind heilig. Und wer die zehnstündige Gesamtarbeitszeit um sechs Minuten überzieht, kriegt ein Strafmandat.

Vielleicht sind die Löhne zu niedrig?

Wenn jemand 2000 Euro netto im Monat verdient, kostet das den Unternehmer 4666 Euro. Abgaben und Steuer sind höher als das, was der Arbeitnehmer bekommt. Da soll Arbeit noch Spaß machen? Wir brauchen höhere Nettolöhne und müssen endlich die zahlreichen Ausnahmen streichen. Leistung muss entsprechend honoriert werden.

Zum Thema Flüchtlinge. Risiko oder Chance für Österreich?

Ich kenne Syrien einigermaßen gut. Wenn man nicht das Glück hat, in Österreich geboren zu sein, sondern dort, kann man sich nur dem System anschließen oder flüchten. Das Problem gehört vor Ort gelöst. Keiner will die Flüchtlinge, jeder schiebt sie ab. Das tut weh. Ich frage mich auch, warum haben die USA so viele Milliarden für Kriegsgerät, aber kein Geld für Flüchtlinge. Europa schafft keine gerechte Aufteilung, und die UNO ist auch so ein Apparatschik, bis der das Problem realisiert hat, ist schon viel Leid passiert.

Glauben Sie, dass der österreichische Arbeitsmarkt die Asylanten verkraften kann?

Sie sind eine Chance für die Zukunft. Wir haben in Österreich schon so viele Menschen integriert. Aber derzeit lernen Asylanten oft nur, wie das Sozialsystem funktioniert und haben keinen Leistungsansporn.

Asylanten sollten Ihrer Meinung nach also rascher arbeiten dürfen?

Ja, sie wollen ja auch. Wir können nicht sagen, kommt, und dann dürfen sie hier nicht arbeiten. Das macht keinen glücklich. Jeder, der sich bemüht, kann heute einen Job haben. Da bin ich mir ganz sicher.

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Fakten: Gastro-Imperium

1989 übernahm der Niederösterreicher das elterliche Wirtshaus „Zur Traube“ in Feuersbrunn am Wagram. Ein Jahr später wurde Toni Mörwald als jüngster Haubenkoch Österreichs ausgezeichnet. Der Vater dreier Töchter baute mit seiner Frau Eva unter der Marke „Mörwald“ ein Gastro-Imperium mit 150 Mitarbeitern auf. Darunter das Restaurant „Taverne Schloss Grafenegg“, das „Le Ciel“ im Grand Hotel am Wiener Ring und das Gourmet-Theater „Palazzo“ im Prater. Zu den Hotels „Villa Katharina“ in Feuersbrunn und dem „Schloss Grafenegg“ kommt ab Mai 2016 das „Hotel am Wagram“. Mörwald (48) betreibt einen Catering-Service, eine Kochakademie in Feuersbrunn und das „Kochamt“ samt Delikatessengeschäft im Palais Ferstl in der Wiener City. Verkauf eigener Lebensmittel und Produkte über Shops und online.