IV-Präsident Knill: Teilzeit-Arbeitende sollen mehr ins Sozialsystem einzahlen
Angesichts sinkender Arbeitszeiten und Produktivität müsse das Arbeitsvolumen nicht gesenkt, sondern erhöht werden, fordert IV-Präsident Georg Knill.
Wer freiwillig nur in Teilzeit arbeitet, soll höhere Beiträge zum Sozialsystem leisten. Es gehe dabei um die Pensionen, das Krankenversicherungssystem, die Arbeitslosenversicherung und um die oft geringere Steuerleistung aufgrund der Steuerprogression, sagte Knill am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien.
Arbeitskräftemangel werde durch hohe Teilzeitquote verschärft
Der Fach- und Arbeitskräftemangel sei europaweit ein großes Problem, sagte Knill. In Österreich werde es noch durch die besonders hohe Teilzeitquote verschärft. "Wir sind in Österreich in den letzten Jahren eine Million Menschen mehr geworden und arbeiten in Summe weniger", hatte Knill bereits am Dienstagabend im "C3 Business Talk" erklärt.
"Von den vier Millionen unselbstständig Beschäftigten in Österreich arbeiten 30 Prozent Teilzeit." Davon seien 60 Prozent Frauen. Gleichzeitig würden die Kosten für Pensionen, Gesundheit und Pflege steigen. Wer wie SPÖ-Chef Andreas Babler sage, man könne sich diesen Wohlfahrtsstaat mit weniger Arbeit leisten, sei ein "Märchenonkel", sagte Knill.
"In Österreich geht die Arbeitszeit pro Beschäftigten in den letzten Jahren stark zurück - von 2015 bis 2023 haben sich diese Arbeitsstunden von 1.520 auf 1.448 Stunden reduziert." Daher müsse man das Arbeitsvolumen dringend erhöhen.
Eine halbe Stunde mehr Arbeit am Tag
Laut einer Studie von EcoAustria, die von der Industriellenvereinigung in Auftrag gegeben wurde, würde eine halbe Stunde Arbeit mehr am Tag in Österreich zu einem Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent pro Jahr führen. Allein mit dieser Maßnahme könnte man das Wirtschaftswachstum in Österreich verdoppeln.
Die jährlichen Abgaben würden demnach um 2 Mrd. Euro steigen, damit könnten 30.000 Menschen z.B. in der Kinderbetreuung oder Pflege beschäftigt werden, argumentiert Knill.
Europa habe aber noch mehr Probleme, die die EU im internationalen Wettbewerb immer mehr ins Hintertreffen geraten lassen, meinte Knill. Das seien auch "hausgemachte Themen" wie Überregulierung und bürokratische Auflagen, hohe Energie-, Arbeits- und Kapitalkosten sowie lange Genehmigungsverfahren.
Etablierung einer echter Kapitalmarktunion
Europa müsse nach außen aktiv uns selbstbewusst auftreten und Handelsverträge mit Partnerländern und -regionen ausbauen. Die Außenwirtschaftspolitik müsse auch von einem sicherheitspolitischen Gesichtspunkt betrachtet werden. Europa müsse verteidigungsfähig sein, um die europäischen Demokratie- und Wohlstandsmodelle aufrecht zu erhalten.
Der europäische Binnenmarkt müsse gestärkt und Handelsbarrieren beseitigt werden. Dazu gehöre die Vereinfachung grenzüberschreitender Dienstleistungen und die Etablierung einer echten Kapitalmarktunion.
IV-Generalsekretär Christoph Neumayer forderte eine massive Aufstockung der Investitionen in das Zukunftsthema Künstliche Intelligenz. "Unsere Empfehlung in diesem Zusammenhang ist, dass das 10. EU-Forschungsfinanzierungsprogramm um rund 100 Milliarden Euro erhöht wird, also von 100 Milliarden auf 200 Milliarden Euro."
Umgang mit Energiekrise in der EU weniger gut
Mit der Energiekrise sei man in der EU nicht so gut umgegangen wie mit der Coronakrise. Allein die Trennung der Strompreiszone von Deutschland koste Österreich 2 Mrd. Euro pro Jahr. Unfaire Praktiken wie die Gasspeicherumlage in Deutschland und Italien müssten abgestellt werden.
Dennoch sei die EU eine Erfolgsgeschichte und Österreich als Exportnation sei ohne EU nicht denkbar, betonte Knill.