Wirtschaft

Technikermangel als Konjunkturkiller

Junge Technik-Absolventen müssen sich wahrlich keine Jobsorgen machen: Acht von zehn heimischen Industrieunternehmen suchen dringend (und oft vergeblich) hoch qualifizierte Techniker. Bis 2025 werden in Europa rund eine Million Arbeitsplätze für sogenannte „MINT-Professionals“ neu geschaffen. Also für Mathematiker, Informatiker, Naturwissenschaftler und Techniker. Die Digitalisierung lässt grüßen. Drei von vier Industrieunternehmen erwarten übrigens eine weitere Verschärfung der Personalsituation.

Wobei Österreich für eine Spezialausbildung beneidet wird: die Höheren Technischen Lehranstalten (HTL). „So etwas gibt es europaweit nicht. Die HTL ist extrem wertvoll“, sagt Peter Koren, Vize-Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV). Diese hat erhoben, dass 66 Prozent der Unternehmen mit offenen MINT-Stellen HTL- Absolventen suchen. 200.000 erwerbstätige Österreicher haben so einen Abschluss. „Viele HTL-Absolventen füllen Jobs aus, in denen auch Akademiker arbeiten könnten“, erzählt Koren im Gespräch mit dem KURIER.

Freie Siemens-Jobs

Und oft schaffen sie es bis an die Spitze: Siemens-Österreich-Boss Wolfgang Hesoun ist einer von ihnen. Aktuell sucht Siemens rund 100 neue Mitarbeiter in ganz Österreich, vor allem Software- Entwickler, Automatisierungstechniker, Engineering-Projektleiter, IT-Spezialisten und Datenanalytiker. Tendenz steigend. Mit Beginn des neuen Lehrjahres im Herbst werden weitere 100 junge Menschen gesucht – „gerne auch Maturanten“.

Von Kollegen aus Westösterreich hört Hesoun, dass diese aufgrund von Fachkräftemangel bereits ihre Projekte drosseln, berichtet er dem KURIER. Warnender Nachsatz: „So kann man die Konjunktur auch drücken!“ Dass Firmen gerne HTL-Abgänger holen, kann Hesoun verstehen: Sie brächten gutes technisches Grundwissen mit und würden erst in der Firma spezialisiert, seien jünger, flexibler (und kostengünstiger). Um auf der Siemens-Karriereleiter aufsteigen zu können, sei Auslandserfahrung mittlerweile fast ein Muss, sagt Hesoun. Er selbst ging seinerzeit von der HTL direkt nach Deutschland.

Die IV arbeitet seit Langem daran, den HTL-Abschluss aufzuwerten. Seit genau einem Jahr können Absolventen nun nach drei Berufsjahren in qualifizierten Jobs ein „Fachgespräch“ ablegen. Der Abschluss entspricht formal der „Qualifikationsstufe 6“ und damit dem Hochschul-Bachelor (für den man drei Jahre lang studieren muss). Für Firmen ist das wichtig – vor allem bei weltweiten Ausschreibungen. Denn international gibt es keine Entsprechung für den „Ingenieur“. Kleiner Wermutstropfen: Den akademischen Grad „ BA“ im Namen dürfen die Absolventen dennoch nicht führen.

Die neue Höherqualifikation könnte dennoch die Fachhochschulen unter Druck setzen und einen (laut Koren) erwünschten Effekt erzeugen: Sie werden sich künftig vermutlich auch an den AHS stärker nach Studenten umschauen. Schwierig ist auch die Rekrutierung von HTL-Lehrpersonal. Die Industrie will, dass mehr „schulexterne“ Fachpraktiker zum Zug kommen.

BWL statt HAK

Ein genau umgekehrter Effekt ist übrigens bei den HAK zu beobachten: Weil es so viele universitäre Betriebswirtschaftslehre-Absolventen gibt, arbeiten diese tendenziell in Jobs, für die man früher HAK-Absolventen suchte.

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