Wirtschaft

Ab heute arbeiten wir nicht mehr für die Staatskasse

Der "Tax Freedom Day" fällt heuer auf den 12. August. Das ist jener Tag, "an dem ein durchschnittlicher österreichischer Steuerzahler genug Geld verdient hat, um die jährlichen Steuern und Abgaben zu zahlen", so die Jungunternehmer der Jungen Industrie (JI) und der Jungen Wirtschaft (JW).

Den österreichischen Bürgern soll mit dieser Darstellung die Höhe der Abgabenlast bewusst gemacht und die Aufmerksamkeit auf die zunehmende Steuerbelastung gelenkt werden. Betrachtet man den Tax Freedom Day in den Vorjahren, so zeigt sich, dass dieser immer weiter nach hinten rutscht und somit auch die Belastungsquote immer mehr ansteigt.

226 Tage

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Berechnet wird der Tax Freedom Day, indem alle Steuereinnahmen und Sozialabgaben eines Landes durch dasEinkommen der Haushalte und Betriebe geteilt werden. Dieser Prozentsatz wird dann auf das Jahr umgerechnet (Details zur Berechnung siehe Abschnitt weiter unten). Durchschnittlich beinahe226 von 366 Tagen im Jahr 2014 muss die österreichische Volkswirtschaft demnach für die Staatskasse arbeiten, um ab dann theoretisch frei über ihr Einkommen verfügen zu dürfen.

Negativrekord bald erreicht?

Historisch betrachtet hat sich dieser Tag vom 23. Juni im Jahr 1976 zum 12. August im Jahr 2014 fast kontinuierlich nach hinten verschoben. Seinen Höchststand erreichte er 2001, als der Durchschnittsösterreicher bis zum 21. August arbeiten musste, um seinen Steuer- und Abgabensold zu erfüllen. Allerdings ist in den letzten fünf Jahren ein starker Trend zu einer Verschiebung des Tax Freedom Days nach hinten zu bemerken, so dass ein baldiges Erreichen des "Rekordes" befürchtet werden muss, so Barbara Kolm, Direktorin des Austrian Economics Center.

Der Tax Freedom Day wird seit 2010 durch das Austrian Economics Center für Österreich errechnet. Ursprünglich wurde die Berechnung durch die Tax Foundation in Washington D.C. aus der Taufe gehoben und von mehreren Wirtschaftsinstituten wie dem Adam Smith Institute in Großbritannien oder dem Karl-Bräuer Institut des Bundes der Steuerzahler Deutschland aufgegriffen.

Weitere Informationen rund um den Tax Freedom Day finden Sie hier.

Um das Ausmaß an Steuerbelastung auf diese Art und Weise darstellen zu können, werden die von der Österreichischen Bevölkerung zu zahlenden Steuern und Abgaben ins Verhältnis zum Einkommen der Haushalte und Unternehmen gesetzt. Im nächsten Schritt wird der daraus errechnete Prozentsatz auf das Jahr mit 365 Tagen (366 Tage bei Schaltjahren) umgelegt und man erhält den Tax Freedom Day.

Hierbei wird als Messinstrument das sogenannte Volkseinkommen verwendet. Dieses beinhaltet das gesamte in einer Volkswirtschaft von privaten Haushalten sowie Unternehmen erzielte Einkommen, wie Arbeitnehmerentgelte und Unternehmens- und Vermögenseinkommen. Diese makroökonomische Größe wird ebenso als Netto-National-Einkommen zu Faktorpreisen bezeichnet und gibt annähernd das gesamte Privateinkommen der Wirtschaftssubjekte in einer Volkswirtschaft wieder.

Volkseinkommen statt BIP

Häufig findet man auch Berechnungen auf Basis des Bruttoinlandsproduktes, welches jedoch Verzerrungen wie Abschreibungen auf Kapitalinvestition und vor allem indirekte Steuern enthält und somit nicht korrekt auf das Einkommen der Volkswirtschaft abstellt. Die Summe des Bruttoinlandsprodukt ist grundsätzlich höher als die des Volkseinkommens, wodurch der Tax Freedom Day zu einem früheren Jahreszeitpunkt stattfinden würde. Das Austrian Economics Center hat sich eigenen Angaben zufolge jedoch aus fachlicher Sicht für das niedrigere Volkseinkommen entschieden.

Die in die Berechnung einfließenden Steuern und Abgaben beinhalten auf der einen Seite sämtliche direkte Steuern wie Lohnsteuer, Körperschaftssteuer, Kapitalertragssteuer, etc. und indirekte Steuern wie Mehrwertsteuer, Tabaksteuer, Normverbrauchsabgabe, Mineralölsteuer, etc. Auf der anderen Seite inkludieren sie die Sozialbeiträge der Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Selbstständigen und Nichterwerbstätigen.

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Jetzt hat es Österreich Schwarz auf Weiß: Die effektive Steuerbelastung der Einkommen ist nirgendwo auf der Welt höher als bei uns. Zumindest, wenn man diese nach der Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung gewichtet, wie es das Institut für Management-Entwicklung (IMD) in Lausanne tut.

"Österreich landet dabei auf Platz 60, das ist der letzte Platz", erläutert IMD-Direktor Arturo Bris im Gespräch mit dem KURIER. "Natürlich ist das ein negativer Wettbewerbsfaktor. Die effektiven Einkommenssteuern sind in allen Nachbarländern, angefangen bei der Schweiz, deutlich niedriger."

Die renommierte Schweizer Wirtschaftshochschule untersucht Jahr für Jahr anhand von 338 Kriterien, wie sich die Schlagkraft der Volkswirtschaften entwickelt. Zwei Drittel der Daten im "World Competitiveness Yearbook" beruhen auf nationalen und internationalen Statistiken, der Rest kommt von Manager-Befragungen.

Die gute Nachricht: Österreichs langjährige Talfahrt scheint gestoppt. In der Rangliste 2014 ging sich eine Verbesserung um einen Platz – von 23 auf 22 – aus. Zum Vergleich: Die beste IMD-Platzierung erzielte Österreich 2007 mit Platz 11. Seit damals ging es rasant bergab. Deutschland konnte sich vom neunten auf den guten sechsten Rang verbessern, die Schweiz hielt ihren zweiten Rang hinter den USA.

Top-Priorität: Jobs

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Viel Spielraum für Verbesserungen sieht IMD-Direktor Bris in Österreich bei der Beschäftigung. Ein überraschendes Ergebnis, schließlich gilt der Arbeitsmarkt als eine Stärke. "Ich sage nicht, dass Österreich in einer schlechten Lage ist", erklärt der Experte. "Das Beschäftigungswachstum ist aber am unteren Ende der Rangliste und die Arbeitslosigkeit steigt – womit sich die Platzierung verschlechtert." Die Beschäftigung sei zudem ein starker Hebel: Gibt es mehr Jobs, dann ziehen viele andere Parameter nach. Und nicht zuletzt bessert sich auch die Beurteilung des Landes. Diese gibt momentan Anlass zur Sorge: IMD befragte 4300 Manager weltweit, was Österreich attraktiv macht. Das Steuersystem nannte kein einziger; die kompetente Regierung ist nur für 1,9 Prozent ausschlaggebend. Ganze 7 Prozent bewerten die Rahmenbedingungen als wirtschaftsfreundlich. Geschätzt werden die Infrastruktur (83 Prozent), gut ausgebildete Arbeitskräfte (82 Prozent) und die politische Stabilität (78 Prozent). Besonders viele Befragten sehen Abwanderungsgefahren für Industriebetriebe und Forschungseinrichtungen.

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Wir haben es so satt", ließ Erich Foglar, Präsident des Gewerkschaftsbundes, kürzlich via KURIER seinem Frust freien Lauf. Die Einkommen der Arbeitnehmer würden trotz guter Lohnabschlüsse nicht steigen, weil Steuern und Sozialversicherungsbeiträge immer mehr von den Bruttolöhnen auffräßen. Die jüngste Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zum Thema "Besteuerung der Löhne und Gehälter" ist wie Wasser auf die Mühlen des Gewerkschafters.

Demnach ist die durchschnittliche Steuerbelastung der Arbeitnehmer-Einkommen im Durchschnitt der OECD-Mitgliedsstaaten– das sind die 34 westlichen Industrieländer – seit 2011 um 0,8 Prozentpunkte auf 35,9 Prozent gestiegen. In den drei Jahren davor waren sie dagegen rückläufig. Wenig verwunderlich: Die durchschnittliche Steuer- und Abgabenlast, die Österreichs Beschäftigte sowie deren Arbeitgeber zu tragen haben, liegt weit höher. Durchschnittlich 49,1 Prozent des Bruttolohns, den Arbeitgeber zahlen müssen, gehen an den Staat und an die Sozial-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung. Nur Deutschland (49,3 Prozent) und Belgien (55,5 Prozent) haben eine noch höhere Steuerbelastung.

Familien im Vorteil

Die oben genannten durchschnittlichen Belastungen gelten für Alleinstehende. Familien profitieren in den meisten OECD-Ländern von begünstigten Steuersätzen oder Sozialleistungen. Am größten ist der Unterschied in der Steuer- und Abgabenhöhe zwischen Alleinstehenden und einem Alleinverdiener mit zwei Kindern in Tschechien und Luxemburg. In beiden Ländern liegt die Belastung der Alleinstehenden mehr als 20 Prozentpunkte höher als jene der Familien. In Österreich beträgt der Unterschied gut zehn Prozentpunkte. Familien in Tschechien haben dank staatlicher Zuschüsse am Ende sogar ein höheres Nettoeinkommen als sie brutto am Lohnzettel stehen haben.

In Chile und Mexiko werden die Einkommen von Personen mit und ohne Kindern gleich gering belastet. In Griechenland und in der Türkei gibt es nur minimale Steuervorteile für Familien. In Neuseeland, der Slowakei und in Portugal wurden die Steuern für Alleinverdiener mit Kindern im Vorjahr erhöht, in den Niederlanden und in Frankreich wurden sie gesenkt.

Einkommensschwache

Seit Beginn der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise haben die Staaten laut den Erkenntnissen der OECD versucht, Haushalte mit besonders niedrigen Einkommen steuerlich zu bevorteilen.

Für Besserverdiener – und dabei vor allem jene ohne Kinder – hat sich hingegen bei der Steuerprogression nichts verändert. Das heißt: Springen sie mit Lohnerhöhungen in die nächste Steuerstufe, kann es sein, dass sie netto nicht mehr ins Börserl kriegen als vor der Lohnerhöhung. Die Unterschiede sind von Land zu Land allerdings groß. In Irland, Schweden und Slowenien etwa hat sich die Steuerprogression für Alleinstehende erhöht. In Deutschland, Ungarn und Israel dagegen sank diese Progression.

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