Wirtschaft

Spitzensteuerland Österreich

Jetzt hat es Österreich Schwarz auf Weiß: Die effektive Steuerbelastung der Einkommen ist nirgendwo auf der Welt höher als bei uns. Zumindest, wenn man diese nach der Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung gewichtet, wie es das Institut für Management-Entwicklung (IMD) in Lausanne tut.

"Österreich landet dabei auf Platz 60, das ist der letzte Platz", erläutert IMD-Direktor Arturo Bris im Gespräch mit dem KURIER. "Natürlich ist das ein negativer Wettbewerbsfaktor. Die effektiven Einkommenssteuern sind in allen Nachbarländern, angefangen bei der Schweiz, deutlich niedriger."

Die renommierte Schweizer Wirtschaftshochschule untersucht Jahr für Jahr anhand von 338 Kriterien, wie sich die Schlagkraft der Volkswirtschaften entwickelt. Zwei Drittel der Daten im "World Competitiveness Yearbook" beruhen auf nationalen und internationalen Statistiken, der Rest kommt von Manager-Befragungen.

Die gute Nachricht: Österreichs langjährige Talfahrt scheint gestoppt. In der Rangliste 2014 ging sich eine Verbesserung um einen Platz – von 23 auf 22 – aus. Zum Vergleich: Die beste IMD-Platzierung erzielte Österreich 2007 mit Platz 11. Seit damals ging es rasant bergab. Deutschland konnte sich vom neunten auf den guten sechsten Rang verbessern, die Schweiz hielt ihren zweiten Rang hinter den USA.

Top-Priorität: Jobs

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Viel Spielraum für Verbesserungen sieht IMD-Direktor Bris in Österreich bei der Beschäftigung. Ein überraschendes Ergebnis, schließlich gilt der Arbeitsmarkt als eine Stärke. "Ich sage nicht, dass Österreich in einer schlechten Lage ist", erklärt der Experte. "Das Beschäftigungswachstum ist aber am unteren Ende der Rangliste und die Arbeitslosigkeit steigt – womit sich die Platzierung verschlechtert." Die Beschäftigung sei zudem ein starker Hebel: Gibt es mehr Jobs, dann ziehen viele andere Parameter nach. Und nicht zuletzt bessert sich auch die Beurteilung des Landes. Diese gibt momentan Anlass zur Sorge: IMD befragte 4300 Manager weltweit, was Österreich attraktiv macht. Das Steuersystem nannte kein einziger; die kompetente Regierung ist nur für 1,9 Prozent ausschlaggebend. Ganze 7 Prozent bewerten die Rahmenbedingungen als wirtschaftsfreundlich. Geschätzt werden die Infrastruktur (83 Prozent), gut ausgebildete Arbeitskräfte (82 Prozent) und die politische Stabilität (78 Prozent). Besonders viele Befragten sehen Abwanderungsgefahren für Industriebetriebe und Forschungseinrichtungen.

Plus: Exportstärke und Produktivität

Österreich glänzt im Standortvergleich mit bestens ausgebildeten Fachkräften, einer gut ausgebauten Infrastruktur sowie politischer Stabilität und hoher Lebensqualität. Bei der Produktivität und Effizienz landen die heimischen Unternehmen immerhin auf Platz 9, beim internationalen Handel auf Platz 10. Weiter aufgeholt hat Österreich bei der Rechtssicherheit und bei Umweltfaktoren wie grüne Technologien oder Schadstoff-Ausstoß. Verbesserungen gab es auch bei den Direktinvestitionszuflüssen, Patenten oder bei der Gleichstellung am Arbeitsplatz. Ebenso in den vorderen Rängen landet Österreich bei der Diversität der Wirtschaft oder bei der Jugendarbeitslosigkeit.

Minus: Steuerkeule und Reformstillstand

In Österreich Geschäfte zu machen ist schwieriger geworden, weil die Regierung nicht für die nötigen Rahmenbedingungen sorgt, lässt sich das IMD-Analyse interpretieren. Das „Verständnis für wirtschaftliche und soziale Reformen“ ist demnach nur in zwei von 60 Ländern schwächer ausgeprägt als in Österreich. Besonders schlecht wird die Budgetpolitik bewertet, wo Österreich nur Rang 58 belegt. Neben der hohen Steuerbelastung auf Einkommen wird vor allem die Bürokratie bei Firmengründungen, teure Verwaltung und der frühe Pensionsantritt erwähnt. Die größte Herausforderung sieht das IMD im Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA wegen hoher Energiekosten und starkem Euro.

Übermäßig hohe Steuern , zu viel Bürokratie und mangelnde Flexibilität der Arbeitszeit. Diese Faktoren kritisierten Spitzenmanager bei einer Diskussion mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner Dienstagabend bei der Wirtschaftsprüfer-Gruppe KPMG einmal mehr als Bremse für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Österreich. Als Beispiel verglich Günter Thumser, Zentral- und Osteuropa-Chef des Konsumgüterriesen Henkel, die Standorte in Wien und in der nur 60 Kilometer entfernten slowakische Hauptstadt Bratislava. Den Konzern kosteten die 800 Mitarbeiter in Wien deutlich mehr als 1000 in Bratislava. Netto bleibe den „Wienern“ aber kaum mehr. Die Regierung müsse klare Signale aussenden, dass sie eine Entlastung der Einkommen plane.

Wie Bosch (siehe unten) verlangte auch Semperit-Chef Thomas Fahnemann eine rasche Arbeitszeit-Flexibilisierung, der Widerstand gegen die Ausweitung der Tages-Arbeitszeit auf zwölf Stunden sei „unverständlich“. Positiv bewerteten die Manager die gute Ausbildung und die hohe Produktivität in Österreich.

Damit Österreich im internationalen Wettbewerb und damit gegen Länder wie Deutschland bestehen kann, müssen wir rasch flexibler werden.“ In ungewohnt deutlichen Worten kritisiert Klaus Huttelmaier, Österreich-Chef des deutschen Technologiekonzerns Bosch, die Reformversäumnisse der Regierung. So sei die längst fällige Ausweitung der täglichen Arbeitszeit auf zwölf Stunden (bei Gleitzeit) noch nicht einmal auf Schiene.

Diese Einzelmaßnahme werde aber nicht ausreichen, so Huttelmaier, der sich für längere Durchrechnungszeiträume mittels Arbeitszeitkonten ausspricht. „Wir sind für gleich viel Gehalt und konstante Bezahlung für die Mitarbeiter mittels Stundenkonten, die sowohl nach oben als auch nach unten flexibel sind. So kann Hire-and-Fire verhindert werden.“ Anders als in Österreich sei es für Bosch in Deutschland kein Problem, flexible Arbeitszeitmodelle umzusetzen.

Ja zu A

Trotz dieser Standortnachteile bekennt sich Bosch zum Standort Österreich und droht nicht wie andere Industriebetriebe mit Abwanderung. Erst kürzlich wurde eine neue Firmenzentrale in Wien-Landstraße bezogen und es konnten laut Huttelmaier zusätzliche Entwicklungsprojekte innerhalb der Gruppe nach Österreich geholt werden. So ist Wien Kompetenzzentrum für die Softwareentwicklung der Motorensteuerung für Motorräder. Bosch beschäftigt im F&E-Bereich derzeit rund 700 Mitarbeiter und will weitere 50 einstellen.

Insgesamt ging die Mitarbeiterzahl im Vorjahr auf 2580 leicht zurück. Grund dafür war auch der Jobabbau im Großdiesel-Werk in Hallein, wo ein rigider Sparkurs gefahren wird. Die 950 Beschäftigten sollen bis 2016 auf vier Prozent ihres Gehalts verzichten. Der Großteil davon hätte dem schon zugestimmt, so Huttelmaier. Im Vorjahr setzte die Bosch-Gruppe in Österreich 849 Mio. Euro um, das waren um 2,5 Prozent mehr als 2012.