Staatsholding: Industriepolitik auf Österreichisch
Von Andrea Hodoschek
Markus Beyrer hatte die Tiefen der Parteipolitik schwer unterschätzt. Dass er nach nicht einmal einem Jahr den Job als Chef der Staatsholding ÖIAG entnervt hinwirft und nach Brüssel flüchtet, überrascht Insider nicht. Die Fronten zwischen Rot und Schwarz sind derart festgefahren, dass eine inhaltlich seriöse Debatte über die Staatsholding praktisch unmöglich ist. Ist ja nicht so, dass Beyrer keine Zukunftskonzepte entworfen hätte. Doch wenn es zwischen den Koalitionspartnern nicht die geringste Schnittstelle gibt, sind selbst die vernünftigsten Strategiepläne für die Schreibtischlade. Daher wird in dieser Legislaturperiode alles so bleiben, wie es ist.
Flaggschiffe
Dabei geht es um die Zukunft von drei Flaggschiffen der österreichischen Wirtschaft und um beträchtliches Vermögen der Steuerzahler. Post und Telekom sind zwei der wichtigsten Infrastruktur-Unternehmen des Landes, die OMV ist der bedeutendste Energieversorger. Die SPÖ will die Staatsholding mit ihren 20 Mitarbeitern und dem 500.000 Euro Jahresgage teuren Einzel-Vorstand einsparen und die Unternehmen direkt an Ministerien andocken. Bundeskanzler Werner Faymann, SP, will zwar noch die Vorschläge von VP-Finanzministerin Maria Fekter abwarten. Sie möchte die ÖIAG um die ÖBB, den Autobahnbetreiber Asfinag und die staatliche Mehrheit am Stromkonzern Verbund erweitern. Damit hat sich nicht nur gegenüber dem Regierungspartner jede weitere Debatte erledigt, Fekter hat auch ihrem Parteikollegen, VP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, einen Schuss vor den Bug verpasst. Mitterlehner denkt nicht daran, den Verbund aus seiner Kompetenz abzugeben. Der Vorschlag von VP-Chef Michael Spindelegger, Post, Telekom und OMV weiter zu privatisieren, ist für die rote Reichshälfte ohnehin denkunmöglich.
"Furchtbar, diese Ignoranz"
"Furchtbar, diese Ignoranz der Fakten. Da reden die Blinden über die Farbe", ärgern sich Kenner der heimischen Industrie. Würde die ÖIAG aufgelöst, müsste der Syndikatsvertrag für die OMV mit der IPIC, der Staatsholding von Abu Dhabi, neu geschrieben werden. Das Hunderte Seiten dicke Vertragswerk regelt detailliert die gemeinsame Steuerung des Energie-Riesen. Da die IPIC ursprünglich nur Finanzinvestor sein wollte, ist der Vertrag sehr günstig für Österreich. Die Partner vom Golf haben nur zwei Aufsichtsratssitze und müssen mit der ÖIAG in der Hauptversammlung mitziehen. Das Verhältnis zur IPIC war zwischendurch eingetrübt. Was mit Beyrers Vorgänger Peter Michaelis sowie dem oft recht forschen Auftreten von OMV-Chef Gerhard Roiss zu tun hatte. Mittlerweile ist die Stimmung besser.
Intermezzo
Auch der neue Telekom-Miteigentümer, der milliardenschwere Mexikaner Carlos Slim, dürfte mit einem Ministerium als Ansprechpartner wohl wenig Freude haben. Wobei das Zwischenspiel mit dem umstrittenen Investor Ronny Pecik im Nachhinein betrachtet geradezu ein Glück für die Telekom war. Ohne diesem Intermezzo wäre ein strategischer Partner wie Slims America Movil politisch kaum durchsetzbar gewesen. Der Telekom hätte in einigen Jahren ein AUA-Schicksal gedroht, deren Verkauf die Politik solange hinauszögerte, bis es für die flügellahme Airline fast zu spät war.
Dem politischen Einfluss würde eine Ministeriumslösung Tür und Tor öffnen, erinnert sei an das Milliardengrab der Verstaatlichten in den 1990er-Jahren. Beamte sind gegenüber ihren Ministern weisungsgebunden. Damit könnte ein Minister jede Personalentscheidung beeinflussen. "Da ist eine zwischengeschaltete Aktiengesellschaft als Puffer schon gut", meint WIFO-Chef Karl Aiginger. Derzeit wird der Aufsichtsrat freilich von der Industrie dominiert. Die weitere Privatisierung der Unternehmen kann für den Standort auch ein Risiko sein. Zwar gilt die voestalpine als Vorzeigebeispiel, aber bei den Linzer Stahlkochern gibt es mit der Mitarbeiterstiftung sowie zwei Banken stabile heimische Kernaktionäre. Die neuen Eigenkapitalvorschriften würden Banken ähnliche Engagements allerdings schwer machen. Ohne österreichischen Kernaktionär aber steht auch immer die Absiedelung des Headquarters im Raum.
Es wäre nicht Österreich, wenn wirklich wichtige Streitpunkte wie Postenbesetzungen nicht erbittert ausgefochten würden. Beyrer wird mit seinem Exit auch seinen Sitz im Generalrat der Nationalbank abgeben, er hat ein Ticket der Industrie. Angesichts des Theaterdonners um das Notenbank-Mandat von AK-Direktor Werner Muhm ist heftiges Gezänk zu erwarten. Ebenso bei der Nachfolge Beyrers in der ÖIAG. Als SP-Favorit gilt wieder Wolfgang Ruttenstorfer, aber fraglich, ob sich der ehemalige OMV-Chef das antut. In der ÖVP wird Ex-Bawag-Vorstand Stephan Koren genannt, der ziert sich gerade bei der ÖVAG. Sowie die beiden Steirer, Ex-Staatssekretär Reinhold Lopatka und der ehemalige Landesrat Herbert Paierl.