Wirtschaft

Sorgen mit dem einstigen Boomland

Die Zahl der Firmenpleiten steigt, der Berg an faulen Krediten bei den Banken auch. Die Tourismuseinnahmen werden heuer um geschätzte 40 Prozent geringer ausfallen als im Vorjahr. Die türkische Wirtschaft hat schon deutlich rosigere Zeiten gesehen. Wird sich der Putschversuch als weiterer Mühlstein erweisen? "Wir glauben nicht, dass es unmittelbare negative Auswirkungen gibt", sagt Karolina Offterdinger. Als Markenvorstand der OeKB Versicherung hat sie im Blick, ob heimische Unternehmen ihr Geld pünktlich bekommen, wenn sie Geschäfte mit der Türkei machen. In letzter Zeit habe es mehr Zahlungsverzüge gegeben, an der Einschätzung der Türkei werde man aber noch nichts ändern. Noch bleibe das Land in Kategorie 4 von insgesamt 7 Kategorien, was in Sachen Zahlungsausfällen mittleres Risiko bedeute.

"Es kann schon sein, dass das Wirtschaftswachstum ein bisschen niedriger ausfallen wird", meint Georg Karabaczek, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Istanbul. Gravierende Bremsspuren sieht er allerdings nicht. "Psychologisch hat es aber viele Leute verschreckt", sagt Karabaczek.

Psychologie

Terror, Flüchtlingskrise, Spannungen mit der EU und mit den USA – durch die aktuelle politische Lage seien die Unsicherheiten sicher nicht kleiner geworden, sagt auch Offterdinger. Die Abflüsse von internationalem Kapital, die man schon im ersten Quartal gesehen habe, würden sich vermutlich verstärken. Die von internationalen Organisationen vorausgesagten fast vier Prozent Wirtschaftswachstum werden heuer wohl nicht zu erreichen sein.

Noch zählt Österreich in der Türkei zu den größten Auslandsinvestoren. Das wird sich auch ohne die jüngsten Ereignisse bald ändern: Die OMV hat ihre vor fünf Jahren erworbene türkische Tankstellen-Kette Petrol Ofisi zum Verkauf gestellt. Und die Yapi Kredi Bank der Bank Austria mit mehr als tausend Filialen wird demnächst von der Verantwortung in Wien unter das Dach der Bank-Austria-Mutter in Mailand wandern. Damit bleiben rund 140 rot-weiß-rote Niederlassungen in der Türkei, vor allem aus dem mittelständischen Bereich. "Man sollte sich die Türkei unbedingt anschauen", wirbt der Wirtschaftsdelegierte Karabaczek um weiteres Interesse. "Die Lage ist nicht so gefährlich."

Kurzfristig werde es wohl kaum Direktinvestitionen am Bosporus geben, meint Ökonom Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien. Die Unternehmen würden abwarten. Um doch Geld anzulocken, will die türkische Regierung in den nächsten Wochen ein massives Wirtschaftspaket präsentieren.

Die Besitzer türkischer Staatsanleihen wollen nicht abwarten, sie verkaufen. Dadurch ist die Rendite von Papieren mit zehn Jahren Laufzeit in den vergangenen Tagen von 8,83 auf 9,53 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Der österreichische Wert liegt unter 0,2 Prozent. Der IWF hatte schon im Frühjahr vor steigenden Finanzierungskosten gewarnt. Dazu kommt ein hohes Leistungsbilanzdefizit, die Türkei importiert viel mehr als sie exportiert – und das trotz niedriger Ölpreise. Das zeige, dass die Türkei trotz der guten Konjunktur der vergangenen Jahre nicht wettbewerbsfähiger geworden ist, stellte der IWF fest.